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Kampf gegen DummheitWarum Bücher unbedingt geschützt werden müssen

Lesezeit 3 Minuten

Von wegen braver Bibliothekar: Richard Ovenden in kämpferischer Pose.

Oxford – Das Wissen wird in unseren Tagen auf breiter Front attackiert. Nicht nur von Corona-Leugnern, sondern weltweit von diktatorischen Systemen in China, Russland, vielen islamischen Ländern, aber auch von christlichen Sektierern. Der Versuch, „die Wahrheit zu leugnen und die Vergangenheit auszulöschen“, existiert seit es Bücher gibt, in denen Menschen ihr Wissen aufgeschrieben haben, um es nachfolgenden Generationen bereit zu stellen.

Richard Ovenden erinnert mit seiner Abhandlung an die Bedeutung des gedruckten Wortes, das stets der Gefahr ausgesetzt war, vernichtet zu werden, um ungehindert Kontrolle über den menschlichen Geist zu erlangen. „Bedrohte Bücher“ nennt der langjährige Direktor der Bodleian Library in Oxford seine jetzt erschienene „Geschichte der Zerstörung und Bewahrung des Wissens“.

Zerstörung von Bibliotheken als Teil eines Kulturkampfes

Über mehr als 5000 Jahre zieht sich dieser Kulturkampf durch die Geschichte der Menschheit. Von den schriftlichen Hinterlassenschaften der Assyrer über die Bibliothek von Alexandria, den Zerstörungsstrategien der Päpste, der Vernichtung der Library of Congress 1814 durch das Britische Militär oder den Plünderungen während der Reformation arbeitet sich Ovenden Kapitel für Kapitel ins 20. Jahrhundert vor.

Die Bodleian Library

Ihres Zeichens Hauptbibliothek der Universität Oxford zählt die Bodleian Library zu den sechs Pflichtexemplarbibliotheken im Vereinigten Königreich. Sie ist die zweitgrößte Bibliothek des Landes – mit neun Millionen Einheiten auf 176 Regalkilometern. Bei der Gründung im Jahr 1602 zählte die Sammlung 2000 Bücher. Heute bietet sie gleichzeitig 2500 Besuchern Platz. Studenten müssen nach wie vor beeiden, dass sie in „The Bod“, wie das Haus intern genannt wird, kein Feuer legen werden, erst dann dürfen sie hinein.

Der 1964 geborene Ovenden kam 2003 an „The Bod“ als „Keeper of Special Collections and Western Manuscripts“. Seit 2014 ist er ihr Leiter. (EB)

Kenntnisreich und geschliffen in seiner Wissenschaftsprosa erzählt der Engländer mit Gespür für das Detail, so dass man ihm bei seinem Gang durch die Geschichte gerne folgt. Ovenden behält die Gegenwart dabei immer im Blick. Auch hier stellt das 20. Jahrhundert alles an barbarischer Kulturvernichtung vergangener Epochen in den Schatten. Allein zweimal zerstörten deutsche Truppen im Ersten und Zweiten Weltkrieg die Bibliothek im belgischen Löwen. In den Jahren zwischen 1933 und 1945 vernichteten die Nationalsozialisten schätzungsweise 100 Millionen Bücher.

Ovenden wirft ein Licht, auf die oftmals vergessenen Retter bedrohter Bücherschätze. So entstand mit Hilfe deutscher Emigranten die Deutsche Freiheitsbibliothek in Paris. In Wilna organisierten sich die Papierbrigaden, in denen baltische und jüdische Verfolgte Bücher versteckten.

Eliminierung von Wissen in Büchern, um Deutungshoheit zu erlangen

Mit der Eliminierung des in Büchern dokumentierten Wissens lässt sich die Deutungshoheit über die Realität verschieben. Das unselige Wort von den „alternativen Fakten“, das Donald Trumps Beraterin Kellyanne Conway prägte, ist eben doch keine Erfindung unserer Tage. Auch Adolf Hitler und NS-Propagandaminister Joseph Goebbels verzerrten in ihren Presseverlautbarungen das Zeitgeschehen entsprechend ihrer Interessen.

Ovenden führt seiner Leserschaft vor Augen, dass Bibliotheken eine tragende Säule der demokratischen Gesellschaft sind, denn hier steht das Wissen allen Bürgerinnen und Bürgern frei zur Verfügung. Problematisch ist deshalb auch die Privatisierung des gespeicherten Wissens durch die Medienkonzerne unserer Tage. Diese agieren nicht im Sinne des Allgemeinwohls, sondern sind auf kommerzielle Interessen ausgerichtet.

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Ovenden geht in die Offensive und fordert von den Europäischen Regierungen, dass sie den Technologiekonzernen nicht länger ihre trickreiche Steuervermeidung durchgehen lassen und sie stattdessen zu einer Abgabe für den Bestand und die Erhaltung der Bibliotheken verpflichten.

Richard Ovenden: Bedrohte Bücher. Eine Geschichte der Zerstörung und Bewahrung des Wissens. Deutsch von Ulrike Bischoff. Suhrkamp Verlag, 416 S., 28 Euro