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Geisterhaftes im K21Kunstsammlung NRW zeigt Werke des US-Künstlers Mike Kelley

Lesezeit 4 Minuten
Wandteppich von Mike Kelley im K21.

Wandteppich von Mike Kelley im K21.

Die Schau„Ghost and Spirit“ zeigt Kelleys Installationen, Performances und multimediale Werke, die sich oftmals mit Okkultismus, Parapsychologie und Psycho-Welten beschäftigen.

Kandor ist die Hauptstadt des Planeten Krypton. Der amerikanische Pop-Mythos Superman schwirrt hier durch die Luft. Doch von Bild zu Bild ist die Stadt in jedem Comic immer wieder unterschiedlich. Der Installations- und Performancekünstler Mike Kelley (1954 bis 2012), der als einer der wichtigsten US-Künstler der 1990er Jahre gilt, hat bei den Gebäuden ganz genau hingeschaut und alles nachgebaut. Unter seinen Werken ist eine Leihgabe aus Köln vom Museum Ludwig.

Ghost and Spirit

Megacitys unter der Glasglocke hängen bei ihm an der Sauerstoffflasche. Es wabert und gluckst in Bild und Ton seiner Videos. Eine immer andere Skyline aus Wachs und Glas tut sich auf, umschwirrt von leuchtenden Protuberanzen — Materiefetzen am Planeten, der gerade in andere Sphären abzudriften droht. Protest gegen Zensur der Kunstförderung „Ghost and Spirit“ heißt die große Retrospektive, der das K21 der Kunstsammlung NRW nun breiten Raum gibt.

Wer aus dem Ständehaus wieder heraustritt, sieht seine Zeitgenossen erst einmal anders — sensibilisiert für den Alien in jedem von uns, ist man auf der Suche nach der Aura und scheint sogar etwas zu finden. Auch die Frage, wie viel von dem Künstler und seiner hypersensibilisierten Sichtweise einen da gerade in der multimedialen Schau verfolgte, steht noch im Raum. Okkultismus, Parapsychologie, eine Mischung aus Comic, Porno, Ufologie und Politbannern eröffnen die Psycho-Welt einer Persönlichkeit, die Direktorin Susanne Gaensheimer als „eine der letzten großen Künstlerfiguren vor der Explosion des Digitalen in unserem Leben“ versteht.

Er eckte an. Als der Republikaner Jesse Helms 1991 in den USA eine Gesetzesänderung, die eine staatliche Stiftung zur Kulturförderung einschränkte, war er selbst betroffen. Das neue Verbot, Kunstausstellungen zu fördern, in denen „sexuelle oder die Ausscheidung betreffende Aktivitäten und Organe“ dargestellt werden, betraf auch seine Ausstellung. Er protestierte mit der Darstellung von Helms mit Hakenkreuz auf der Stirn gegen die rechtskonservativ motivierte Zensur der Kunstförderung.

Häkelpüppchen

Kelley kam aus einer Arbeiterfamilie und studierte Kunst in Los Angeles. Dort wurde er später Professor. Sich selbst bezeichnete er als „Teil der Fernsehgeneration“ und er thematisiert die Prägung durch Politik und Erziehungsansätze wie auch Gender- und Genrefragen. Seinen internationalen Durchbruch hatte er mit Häkelpüppchen, wie sie immer noch in manchen Trödelläden zu finden sind, auf dem Speicher oder auf der Sofalehne.

In der Arbeit „Half A Man“ (Ein halber Mann) drapierte er die Handarbeits- und Stofftierfigürchen in verstörender Zweideutigkeit: Zerliebte und zerschundene Figuren – Fundstücke von Wohnungsauflösungen oder Sperrmüllhaufen — lassen Rückschlüsse auf die Fantasien in Kinderzimmern möglich werden. Kritiker vermuteten damals, es gehe um Kindesmissbrauch, was Kelley überraschte. Weder wies er die Interpretation aber zurück, noch bestand auf seiner eigenen biografischen Wahrheit.

Vielmehr ließ er sich auf die fiktive Ebene ein und gab den Raum frei für Spekulation. In einem Interview erklärte er: „Das ist ja wirklich interessant. Dem muss ich weiternachgehen. Ich muss meine ganze Arbeit auf meinem Missbrauch aufbauen – aber nicht nur das, sondern es muss um den Missbrauch von allen gehen. So als wäre dies unsere gemeinsame Kultur.“ Ein reicher Fundus sind die Fotos von Schultheateraufnahmen, aus denen er Szenen herausnahm, die er wiederum in Bühnenbildern nachbaute. Aus dem Kontext der Bilder filtrierte er das Groteske, das weniger auf der laienhafte Darstellungsmanier beruhte als auf den Requisiten und Stereotypen, mit denen folkloristische Heidijodler oder Vampirmusicals ausgeschmückt werden

Seefahrergeschichte

Zur Marschmusik in der Dauerschleife zeigt ein Video Teenager mit Bügelfalten und gestärkten Hemden als Teil einer Parade, der splitternackte Männer mit einer Feuerwehrleiter voranschreiten. Geradezu eine Welterklärungsformel gestaltete Kelley in „Monkey Island“, einer Seefahrergeschichte, die in sexuellen Regionen gestrandet zu sein scheint. Den Auftakt der Performance machen seine Worte „Es ist Brunftzeit hier“.

Er hinterfragte darin Erklärungsansätze der Wissenschaft – vor allem die strukturalistischen Vorstellungen in Kunst, Anthropologie und Biologie. In der Foto-Text-Arbeit „The Poltergeist“ inszenierte Kelley sich dann selbst als spiritistisches Medium: Das Ektoplasma, ein Stoff, der bei parapsychologischen Sitzungen angeblich aus den Körperöffnungen fließen soll, wird bei ihm zum Bildgegenstand. Einen esoterischen Touch, der sich bei den Themen, die Kelley beackerte, geradezu aufzudrängen scheint, vermitteln seine Werke eher weniger. Aber der Menschen als Konsument und Besucher von Tingeltangel und Kindertheater scheint auf einmal selbst zum Objekt der Schaubühne zu werden. Oder ist es nur die Aura?

Begleitend zur Schau gibt es Workshops unter anderem mit dem Titel „Von Geistern und Gespenstern“ am 14. Mai, 11 Uhr, im K21.

Bis 8. September, Di bis So 11 – 18 Uhr, Ständehausstr. 1.