Jürgen Vogel im Interview„So etwas wie irre gibt es nicht“

Für seinen neuen Film "Stereo" stand Jürgen Vogel erstmals gemeinsam mit Moritz Bleibtreu vor der Kamera. Die Rolle des Erik, den seine Vergangenheit anholt, war für ihn "ein Geschenk". (Foto: Hanano)
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Was haben Sie gedacht, nachdem Sie das Drehbuch zu "Stereo" gelesen hatten?
Geil. Je älter ich werde, desto wichtiger wird mir ein geiler Film, nicht nur die Rolle. Und das Genre interessiert mich total.
"Stereo" ist ein Psychothriller. Sie spielen Erik, der plötzlich Halluzinationen bekommt. Haben Sie sich im Vorfeld mit psychischen Krankheiten auseinandergesetzt?
Uns Schauspieler interessieren generell die Seelenzustände von Menschen, das ist unser Ding. Es ist erstaunlich, wie viele Menschen Psychosen und psychische Probleme haben. Bei vielen sind das Phasen, in denen sie an Grenzsituationen kommen. Erik ist auch so ein Mensch, den seine Vergangenheit einholt. So etwas wie "irre" gibt es nicht: Menschen können in bestimmten Situationen einfach manchmal durchdrehen und sind sonst ganz "normale" Leute. Manche bleiben in dem Zustand hängen, weil eben bestimmte Dinge in ihrem Leben passiert sind, die sie dahin geführt haben. Ich kann das gut nachvollziehen.
Wie viel haben Sie mit Erik gemeinsam?
Der Typ an sich ist mir gar nicht fremd, weil er Sachen macht, die ich geil finde. Das ist ein cooler Typ. Der ist nicht spießig und trotzdem sehnt er sich nach Familie und Geborgenheit. Warum soll jemand, der tätowiert ist und an Motorrädern schraubt, nicht auch den Traum davon haben, mit seiner Freundin und 'nem Kind draußen im Grünen zu leben? Das ist für mich auch ein normales Bedürfnis. Deshalb ist mir die Figur auch so nah. Es ist wirklich ein Geschenk, so eine Rolle spielen zu dürfen, weil Erik so viele Facetten hat. Das ist das Geilste, was man sich als Schauspieler vorstellen kann.
Genau wie Erik fahren Sie Motorrad und machen Kampfsport. Brauchten Sie überhaupt noch einen Stuntman?
Ich habe zwölf Jahre Kung-Fu gemacht, dann drei Jahre Thaiboxen und dann Jiu Jitsu. Das ist eine Kombination aus allem: Judo, Karate, Aikido. Für die Kampfszenen brauchte ich also keinen Stuntman. Wenn man mit dem Motorrad Sachen macht, die gefährlich sind, dann muss das schon ein Stuntman machen. Ich bin froh, dass es sie gibt und ich will denen ja auch nicht die Arbeit wegnehmen.
Sie haben erstmals mit Moritz Bleibtreu in einem gemeinsamen Film die Hauptrolle gespielt. Wie ist er als Kollege?
Moritz ist ein Vollblutschauspieler und auch privat ein extrem geiler Typ. Das ist ja nicht immer so bei Kollegen. Er ist ein Tier: Er spielt sehr aus dem Bauch und weiß trotzdem, was er macht. Und er ist sehr lebendig und überraschend. Ich kenne ihn seit 20 Jahren, und seitdem sagen wir uns eigentlich, dass wir gerne mal zusammenarbeiten würden.
Warum hat das bisher nicht geklappt?
In was für einem Film sollten wir zusammen spielen? In einer romantischen Komödie werden wir wohl kaum beide besetzt. Am besten noch mit Til Schweiger und Matthias Schweighöfer, mit ganz jungen Frauen als Freundinnen. (lacht) Gut würde das nicht. Wir haben so viele Genres in Deutschland gar nicht: Action, Liebesfilme, Horrorfilme, Krimis, Science-Fiction. Sonst hätten wir bestimmt längst mal zusammen gespielt.
Fehlen Ihnen diese anderen Genres?
Total. Der Deutsche neigt dazu, Sachen, die gut funktionieren, nur noch so zu machen. Aber in einer Zeit, in der das deutsche Kino so gut läuft, müsste man jetzt parallel schon in die Zukunft investieren und das Spektrum der Filme erweitern. Dann könnten wir auch unseren Markt auf lange Sicht breiter aufstellen und steigern. Wenn wir wie in den 90er Jahren wieder so eine Monokultur des Kinos entwickeln, wie damals die Komödien, werden wir wieder einen Zusammenbruch erleben. Es wäre blöd, wenn wir den Fehler noch mal machen.
Sie waren lange der Sidekick von Harald Schmidt. Wie haben Sie das Ende der Show aufgenommen?
Ich kann es noch nicht so richtig akzeptieren. Harald Schmidt ist für mich einer der Größten. Und ich finde es schade, dass Deutschland es nicht schafft, diesen Mann ins Fernsehen zu bringen, egal ob wöchentlich oder täglich - Hauptsache Harald ist wieder da. Ohne ihn geht es eigentlich nicht. Qualitativ kommt niemand an ihn ran.
Stimmt es, das Ihre Schwiegereltern in Köln leben?
Ja, die Eltern meiner Frau besuche ich immer, wenn ich hier bin. Köln ist eine geile Stadt. Auch gut zum Shoppen, gerade für Männer gibt es tolle Klamotten. Vielleicht liegt das an der großen Schwulenszene, dass die Männer alle so einen guten Stil haben und sich auch für Kleidung interessieren.
Sie kleiden sich auch mit vielen Tattoos. Ist das da ein neues Tattoo auf Ihrem linken Arm?
Das ein Stück vom Maya-Kalender. Aus dem letzten Jahr, als die Erde schon untergegangen war. (lacht) Das wäre auch eine Story für einen Science-Fiction-Film - in dem würde ich auch mitspielen.