Im Rundschau-Interview erzählt Oscar-Gewinner John Irving über den Streit um Vergütungen in Hollywood und eine Branche im Ausstand.
Bestseller-Autor im GesprächJohn Irving: „Ich unterstütze den Streik ganz und gar“
Beteiligt er sich am Streik der Drehbuchautoren? Es ist sogar ein Doppelstreik, es geht um Geld, um Vergütungen aus dem Streaming-Geschäft und den Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI). Gerade haben deshalb die Schauspieler die Arbeit niedergelegt; schon seit Mai sind die Drehbuchautoren im Ausstand.
Romancier John Irving ist ein Star der Branche, für „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ (2000) erhielt er den Oscar. Im Interview spricht er über den Streik und sein Verhältnis zu Hollywood.
Mr. Irving, Sie sind Drehbuchautor vieler Ihrer Romanverfilmungen. Sind Sie in der Autorengewerkschaft?
Ich bin ganz und gar Gewerkschafter, und ich unterstütze auch den Streik ganz und gar. Zurzeit mache ich keinerlei Arbeit für den Film. Stattdessen schreibe ich einen neuen Roman.
Hollywood streitet über die Einnahmen aus Streaming-Erfolgen und um Regelungen zur KI. Wo stehen Sie selbst bei diesen Fragen?
Keiner weiß, was bei dem Autorenstreik herauskommt. Ich bin Mitglied und unterstütze die Gewerkschaft, aber ich maße mir nicht an, für alle zu sprechen. Meiner Meinung nach ist das Thema Streaming substanzieller und wichtiger als die Angst vor künstlicher Intelligenz.
Zurzeit entsteht eine HBO-Serie nach Ihrem Roman „Garp und wie er die Welt sah“. Verzögert sich die jetzt auch – weil Sie persönlich streiken?
Ich stehe an der Seite der Drehbuchautoren – und ich bin froh, dass ich einen Hauptberuf habe: Romancier. Drehbücher habe ich nur hin und wieder geschrieben. Meine fünf Episoden für die Mini-Serie „Garp und wie er die Welt sah“ habe ich vor Jahren abgeschlossen – 2016, lange vor dem Autorenstreik. Schon damals habe ich zu Warner Bros. gesagt: Das waren meine letzten Drehbücher. Sucht euch einen Hauptautor, der meine Episoden in die Serie einbaut, wie er es für richtig hält. Ich werde das dann gern lesen, kommentieren und mit Rat und Tat helfen – eigene Drehbücher schreibe ich aber nicht mehr. Damals war in mir die Überzeugung gereift: Ab jetzt nur noch Romane und kein Film und Fernsehen mehr
Gibt es aktuell weitere Filmprojekte zu Ihren Stoffen?
Im Moment sollen noch zwei meiner Romane zu Spielfilmen werden. Aber da lese ich nur die Drehbucharbeit anderer Autoren. Natürlich mache ich Anmerkungen: Dies gefällt mir, das hier würde ich anders machen, aber ich dränge mich niemandem auf. Vor allem bin ich nur Leser, nicht Autor.
Hängen diese Projekte im Streik der Hollywood-Autoren fest?
Ja, wobei – der eine Film wohl nicht so sehr: „Straße der Wunder“ ist eine kanadisch-mexikanische Co-Produktion. Die betrifft der Streik also nicht. Insgesamt sind gerade drei Fernsehserien in Entwicklung, nicht nur „Garp“, auch „Bis ich dich finde“ und „Hotel New Hampshire“. „Bis ich dich finde“ ist eine kanadisch-deutsche Produktion – also auch nicht vom Streik betroffen. Wie gesagt: Ich bin Mitglied der Autorengewerkschaft, aber im Grunde raus aus dem Geschäft.
Was ist der zweite geplante Spielfilm?
In Film und Fernsehen ist nichts „geplant“ – alle fünf Projekte werden „entwickelt“. Vielleicht werden sie gedreht, vielleicht werden sie auch nie realisiert. Der zweite Spielfilm in Entwicklung ist „Witwe für ein Jahr“. Autor und Regisseur ist Tod Williams, der unter dem Titel „The Door in the Floor“ schon den ersten Teil des Romans verfilmt hat. Der Rest der Geschichte, wenn er denn je fertiggestellt wird, heißt dann „Witwe für ein Jahr“.
In Ihrem aktuellen Roman „Der letzte Sessellift“ sind dafür ganze Kapitel in Drehbuchform geschrieben. Eine wichtige Rolle spielt außerdem der 50er-Jahre-Gangsterfilm „The Wrong Car“, den man für einen realen Klassiker halten könnte, wenn...
...ich ihn mir nicht ausgedacht hätte.
Der fiktive Film erzählt von einem gespenstischen Fluchtwagenfahrer, in dessen Auto jeder, der einsteigt, den Tod findet. Haben sich Regisseure gemeldet, die aus dieser Idee jetzt wirklich einen Film machen wollen?
Meines Wissens hat niemand in Hollywood „Der letzte Sessellift“ gelesen. Bei mir hat sich keiner gemeldet; dabei stecken in dem Roman viele Möglichkeiten fürs Kino. „Loge Peak“, das lange Kapitel in Drehbuchform, wäre auch kein schlechter Film.
Wollen Sie „The Wrong Car“ nicht selbst mal an Regisseure herantragen?
Es gibt einen ganzen Roman von mir, der sich für einen Film oder eine Serie aufdrängt: „Letzte Nacht in Twisted River“. Aber ausgerechnet das ist das Buch von mir, das niemand im Filmgeschäft auch nur gelesen hat. Auf alles andere stürzen sie sich. Es kommt eine Fernsehserie zum „Garp“-Roman, der schon als nicht so besonders guter Film vorliegt. Es kommt eine Serie zum „Hotel New Hampshire“, und auch der wurde schon zu einem nicht gerade großartigen Film.
Warum wünschen Sie sich dann „Twisted River“ als Film?
Das Buch ist visuell. Es ist eine Crime-Story. Es geht um eine Art Verfolgungsjagd, die die ganze Handlung vorantreibt. Das ist der Stoff, von dem Filme leben. Es ist eine gute Geschichte und anders als „Bis ich dich finde“ und „Der letzte Sessellift“ ist es auch nicht so lang, dass es nur als Serie funktioniert. Und trotzdem: Zu jedem einzelnen meiner Romane habe ich Anfragen bekommen. Nur zur „Twisted River“ nicht. Kein Wort. Zero.
Verfilmte Romane von John Irving
Garp und wie er die Welt sah (mit Robin Williams und Glenn Close). Regie: George Roy Hill (1982)Hotel New Hampshire (mit Jodie Foster, Beau Bridges und Nastassja Kinski). Regie: Tony Richardson (1984)Owen Meany unter dem Titel Simon Birch Regie: Mark Steven Johnson (1998)Gottes Werk und Teufels Beitrag (mit Michael Caine, Charlize Theron und Tobey Maguire). Regie: Lasse Hallström (1999)Die Tür der Versuchung (The Door in the Floor) (mit Jeff Bridges und Kim Basinger). Regie: Tod Williams (2004)