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Joe Cocker in KölnDer berühmteste Schrei der Popmusik

Lesezeit 3 Minuten

Joe Cocker ist auf seiner letzten Welttournee unterwegs.

Köln – Am Ende verwandelt der rundliche, graue Herr die Arena in eine Messe. "Brauchst du jemanden?", schreit der Chor beseelt in den illuminierten Sternenhimmel, den mehr als zehntausend Fans mit kleinen LED-Lampen erzeugen, die vor dem Konzert verteilt wurden. Jeder kennt die Antwort auf die eine, alles entscheidende Frage: "Ich brauche jemanden, den ich lieben kann", antwortet der Mann mit rauer, flehender Stimme.

Der graumelierte Mann ist Joe Cocker. 68 Jahre alt - das Rentenalter ist längst erreicht. Es soll seine letzte Welttournee sein. Als Würdigung seines Gesamtwerkes wird der Kölner Abend auf DVD aufgenommen. Joe Cocker sieht frisch aus. Wer ihn so sieht, ahnt kaum, dass die Karriere des ehemaligen Gasinstallateurs aus Sheffield in den 70er Jahren einem Ritt am Abgrund glich. Zu dieser Zeit war Cocker ein Wrack, Whisky sein bester Freund. 1979 lieferte er bei einem Woodstock-Revival in Düsseldorf ein Konzert, das typisch für jene Dekade war. Sturzbetrunken, mit weichen Knien, versuchte er den Abend auf der Bühne zu überstehen. Ein Mitleid erregendes Bild.

Aber er kam wieder. 1982 hatte er zusammen mit Jennifer Warnes den Hit "Up Where We Belong", den er an diesem Abend im Duett mit der wunderbaren Nikki Tillman singt. Paare nehmen sich in den Arm, schwenken verträumt die Arme.

Cocker gestaltet den Abend als musikalische Zeitreise seiner fast fünfzigjährigen Karriere. Seine Stimme hat immer noch die alte Kraft, aber es fehlt ihr manchmal die Luft, die sie geschmeidig gleiten lassen kann. Seine früher ausladenden, ruckartigen Ruderbewegungen sind kleinen Fingerübungen gewichen, die Gitarrensoli und Pianoläufe nachempfinden. Es sind seine Backgroundsängerinnen und seine Bassistin, die Bewegung auf die Bühne bringen.

Das Rezept des Abends ist einfach und überzeugend. Nach herzerwärmenden Balladen, durch Cockers einzigartige Stimme vor dem Abgleiten in den Kitsch bewahrt, folgen tanzbare Stücke. "You Are So Beautiful" singt er ohne übertriebenen Schmelz. Das Beatles-Cover "Come Together" wird mit jener Prise Erotik gespielt, die als Aufforderung zum Tanzen verstanden wird. Als das Akkordeon "N'oubliez jamais" ankündigt, geht ein Seufzen durch die Arena. Cocker nutzt den Moment für die einzige etwas längere Rede. Er bedankt sich für den Abend. "Es ist etwa 23 Jahre her, dass ich eine Live-Aufnahme gemacht habe!" Dann stellt er seine Band vor.

Mehr sagt er nicht. Er ist kein Performer. Aber einer der besten Interpreten von Covern, denen er eine unverwechselbare Eigenartigkeit verleiht. Mit "You Can Leave Your Hat On" und "Unchain My Heart" bereitet er den Höhepunkt des Abends vor - "With A Little Help From My Friends". Ein Hilfeschrei, die Mühsal des Alters zu bestehen - so interpretiert er den Text.

Am Ende stößt er wieder den unglaublichen Schrei von Woodstock aus. Für immer wird man diesen Song mit ihm, dem Mann aus Sheffield, und nicht mit den Beatles verbinden. Es ist sein Lebenswerk, das alle an diesem Abend ergriffen feiern.