Interview zum Film „Die Getriebenen“„Angela Merkel ist eine Frau mit großer Kraft“

Im Kabinett: Sigmar Gabriel (Timo Dierkes, links), Angela Merkel (Imogen Kogge) und Frank-Walter Steinmeier (Walter Sittler).
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- Die Berlinerin Imogen Kogge spielt Angela Merkel im ARD-Film "Die Getriebenen" nach dem gleichnamigen Sachbuch-Bestseller von Robin Alexander (heute Abend, 20.15 Uhr, in der ARD).
- Das Politdrama schildert die Flüchtlingskrise von 2015.
- Mit Kogge sprach Eric Leimann.
Frau Kogge, hat Ihnen schon mal jemand gesagt, Sie hätten Ähnlichkeit mit Angela Merkel?
Nein. Ich hatte allerdings vor diesem Film schon mal ein Angebot, Merkel zu spielen. In einem Fernsehfilm, der – soweit ich weiß – nicht zustande kam.
Ist es nicht erstaunlich, dass Angela Merkel nicht öfter in Szene gesetzt wurde? Katharina Thalbach hat sie mal in „Der Minister“ gespielt. Aber sonst?
Ja, Katharina Thalbach hat Angela Merkel gespielt. Ich habe den Film zwar nicht gesehen, aber wir hatten dieselbe Schneiderin – für die Sakkos.
Ist die Kanzlerin zu spröde für eine Filmfigur?
Es gibt in Deutschland keine große filmische Tradition, Politiker zu fiktionalisieren. Heinrich Breloer hat Doku-Dramen über die alte bundesrepublikanische Wirklichkeit gedreht: Herbert Wehner oder Helmut Schmidt zu RAF-Zeiten. Das waren aber Filme über Politiker in einer länger zurückliegenden Vergangenheit. Und sie waren meist eng mit dokumentarischem Material verknüpft.
Ist „Die Getriebenen“ etwas Besonderes, weil die Film-Politiker fast alle noch im Amt sind?
Durchaus. Auch ich tat mich im Vorfeld ungemein schwer, Angela Merkel zu spielen. Eine Kanzlerin, die im Amt ist und die jeder gut zu kennen glaubt. Es ist ja fast jeder Bürger ein Merkel-Experte, wie ich gemerkt habe (lacht).
Das klingt fast so, als hätten Sie über eine Absage nachgedacht. Wie haben Sie Ihre Bedenken zerstreut?
Ich wollte von Regisseur Stephan Wagner genau wissen, wie er Merkel inszenieren will. Ob der Film Partei bezieht, beispielsweise.
Wie hat er reagiert?
Der Regisseur meinte, es ginge nicht so sehr um eine Kopie prominenter Politiker, sondern um eine möglichst genaue Annäherung an das Geschehen jener Tage – der Flüchtlingskrise. Das hat für mich Druck rausgenommen.
Wie viel eigene Persönlichkeit ist in diesem Fall erlaubt?
Es muss immer noch ein Stück Imogen Kogge in diesem Merkel-Kostüm stecken, sonst ist es auch für die Zuschauer langweilig. Es geht darum, Zeichen zu finden, die Angela Merkel sichtbar werden lassen – und trotzdem etwas Neues herauszuarbeiten, das man zeigen oder erzählen will.
Nun, nachdem Sie diese Frau als Schauspielerin analysiert haben – wie ist denn Angela Merkel?
Sie ist eine Frau mit großer Kraft. Das habe ich durch die Beschäftigung mit ihrem Leben, aber auch ihren Tagesabläufen festgestellt. Ich finde beeindruckend, wie analytisch und abwartend diese Frau ist. Die meisten Führungspersönlichkeiten, die man kennt, scheinen sehr viel aktiver zu sein – was ihren Führungsstil, ihr Umsetzen von Ideen betrifft.
Was macht Merkels Stil aus?
Merkels Stil kostet viel mehr Beherrschung. Das Analysieren, Warten und Abwägen ist viel schwieriger, als dynamisch selbst in Aktion zu treten. Aber es ist ihr Stil, von dem sie überzeugt ist.
Lässt sich das so einfach spielen?
Diesen Kernpunkt muss man verstanden haben, wenn man sie spielen will. Angela Merkel ist eine Informationssammlerin, die erst nach Abwägung sämtlicher Optionen handelt.
Also kein klassischer Machtmensch?
Natürlich muss sie auch Machtmensch sein, sonst hätte sie sich nicht so lange an der Spitze halten können. Trotzdem übt sie Politik so aus, wie es nicht viele andere tun. Sie hört zu, lässt divergierende Meinungen zu – und entscheidet am Ende auch immer sehr klar.
Das kann etwas Kühles haben, aber es hat mich im Laufe meiner Beschäftigung mit Merkel durchaus fasziniert. Ich habe viel Respekt und Bewunderung dafür, was sie leistet.
Finden Sie Angela Merkels Job überhaupt erstrebenswert?
Klare Antwort: Nein! Ich denke, sie sieht ihr Amt als Dienst am Volk. Merkel erinnert mich an die Queen. Auch Elizabeth II. sagt sich: Ich bin in diese Position hineingeboren worden und habe sie nun von morgens bis abends auszufüllen. Ich selbst würde niemals so leben wollen.
Welchen Erkenntnisgewinn bringt Ihnen der fertige Film?
Man sieht Menschen zu, die weittragende Entscheidungen treffen müssen – und das im Minuten- oder Stundentakt. In den seltensten Fällen können sie das allein tun, sondern müssen in der Gruppe, durch Verhandlungen zu einer Lösung, einem Kompromiss kommen. Man ist atemlos, wenn man dem Alltag des Politikbetriebes zusieht. Auch das Warten spielt eine große Rolle. Man muss all das aushalten können, um nicht zugrunde zu gehen.
Fördert ein Sezieren des Politbetriebes mit all seinen zähen Abläufen nicht weiter die Abneigung gegen „die Politiker“?
Es könnte passieren, dass einige Menschen so auf den Film reagieren.
Der Film, heute im Ersten
„Die Getriebenen“: Der zweistündige Film schildert die Ereignisse des Jahres 2015, als sich die Flüchtlingskrise zuspitzte und Politiker in ganz Europa unter enormen Druck gerieten. Regie: Stephan Wagner. Darsteller: Imogen Kogge (Angela Merkel), Josef Bierbichler (Horst Seehofer), Tristan Seith (Peter Altmaier), Timo Dierkes (Sigmar Gabriel), Walter Sittler (Frank-Walter Steinmeier), Rüdiger Vogler (Wolfgang Schäuble). (EB)
Die Berlinerin Imogen Kogge spielt Angela Merkel im ARD-Film „Die Getriebenen“ nach dem gleichnamigen Sachbuch-Bestseller von Robin Alexander (heute Abend, 20.15 Uhr, in der ARD). Das Politdrama schildert die Flüchtlingskrise von 2015. Mit Kogge sprach Eric Leimann.