Trevor Horn gehört zu den einflussreichsten Produzenten in der Popmusik. Was genau zu seinem Ruf beigetragen hat, kann er sich auch nicht ganz erklären.
Interview mit Trevor HornDas ist der Mann, der den Sound von Frankie Goes To Hollywood erfand
Trevor Horn gehört zu den einflussreichsten Produzenten in der Popmusik. Unter seiner Regie entstanden in den frühen 80ern Hits wie „Relax“ von Frankie Goes To Hollywood, „The look of love“ von ABC, Grace Jones' „Slave to the rhythm“ oder „Buffallo Gals“ von Malcom McLaren.
Auf sein Konto geht auch „Video killed the radio star“, als Teil der Buggles stand der Studiotüftler sogar selber auf der Bühne. In späteren Jahren arbeitete der heute 74-Jährige für Tina Turner, Cher, Seal oder Robbie Williams.
Aber was ist eigentlich die Aufgabe eines Produzenten im Aufnahmestudio? „Mein Job ist es, mich des Songs des Künstlers anzunehmen und einen Hit daraus zu machen“, bringt der Brite sein Credo im Interview mit der Rundschau auf den Punkt. „Denn oft sind die Lieder, die Künstler mitbringen, noch nicht wirklich fokussiert. Sie haben eine Idee, wissen aber noch nicht, wie sie sie wirklich umsetzen können.“
Und so erarbeitet Horn ein Arrangement, sucht nach den richtigen Akkorden, setzt manchmal ein Lied, das aus einzelnen Bausteinen besteht, wie bei einem Mosaik komplett neu zusammen. „Aber man kann das nicht mit allem machen, die Grundlage muss schon an sich gut sein, muss das gewisse Extra haben.“
Was genau zu seinem Ruf beigetragen hat, kann er sich auch nicht ganz erklären. „Vielleicht habe ich mir einen Namen gemacht, weil die Platten wirklich gut klangen? Oder weil sie sehr ,produziert' klangen? Die Aufnahmen, die ich in den frühen 80ern gemacht habe, waren auch deshalb ziemlich einzigartig, weil ich all diese technischen Geräte verwendet habe. Alles war so neu – und eine große finanzielle Investition: Man hätte ein Haus dafür kaufen können.“
So entstand Anfang der 80er Jahre dieser gewisse Trevor-Horn-Sound: Eine Mischung aus Drums, Synthesizern und Streichern, alles ein bisschen mehr, alles ein bisschen drüber, gerne mal bombastisch. So etwa „Dr. Mabuse“ der aus Düsseldorf stammenden Band Propaganda.
„Ich mag es manchmal größer. Viele Leute können spartanische, langweilige Platten machen, ich versuche, große, interessante Platten zu machen.“ Aber nicht immer war der Weg in die Charts einfach. An „Relax“ arbeitete er wochenlang, verwarf mehrere Konzepte, fing mehrmals bei Null an.
Dabei strapazierte er die Nerven der Plattenfirma und das Budget. Und machte einen Fehler, den er heute bereut: Er hätte die Band selber auf der Platte spielen lassen sollen, statt alles selber oder mit Studiomusikern aufzunehmen, sagt er rückblickend.
Denn in der Folge verkrachte er sich mit Frankie Goes To Hollywood, vor allem mit Leadsänger Holly Johnson. „Als ich mit dem Lied fertig war, war ich so ausgelaugt, dass ich zu niemandem nett sein konnte.“ Johnson strengte sogar einen Prozess an, den Horn verlor. Und so ist es kein Wunder, dass der Name Holly Johnson bis heute kein Lächeln auf sein Gesicht zaubert.
Während er etwa von der Arbeit mit Cher an ihrem Album „It's A Man's World“ (1995) schwärmt, lief es mit Eros Ramazzotti nicht ganz so glatt — was nicht unbedingt an dem italienischen Sänger selber lag. Auf den vier Songs, die Horn im Jahr 2000 für das Album „Stilelibero“ produzierte, klingt Ramazzotti wie immer.
„Nach dieser Produktion habe ich versucht, nicht wieder an Liedern zu arbeiten, deren Sprache ich nicht verstehe. Für mich sind die Texte so wichtig – ein guter Text muss etwas Allgemeingültiges aussagen können. Und bevor ich für Eros gearbeitet habe, habe ich das mehrmals gesagt“, erzählt er und fügt grinsend hinzu.
„Aber sie wollten unbedingt, dass ich es mache – und sie haben gutes Geld bezahlt.“ Neben der Sprachbarriere gab es ein weiteres Hindernis: „Ich durfte keine Akkorde ändern, sein musikalischer Leiter hat das jedes Mal verhindert.“
Gänzlich freie Hand hatte Horn bei seinem neuesten Projekt. Auf dem Album „Echoes – Ancient and Modern“ lässt er eine Reihe seiner liebsten Sängerinnen und Sänger Songs aus vier Jahrzehnten intonieren. Viele davon hat Horn im Laufe seiner Karriere selber schon produziert, etwa „Owner of a lonely heart“ von Yes, das nun Rick Astley interpretiert.
Die großartige Neuentdeckung Lady Blackbird verleiht dem Klassiker „Slave to the rhythm“ eine neue, entspannte Dimension und verbeugt sich dabei vor dem Original von Grace Jones. Tori Amos schafft es, „Swimming Pool“ von Rapper Drake so klingen zu lassen, als sei es eines ihrer eigenen Lieder.
Apropos Original: Die Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz bietet, findet natürlich ein Technik-Tüftler wie Trevor Horn interessant. Aber das meiste sei noch unausgereift. „Mein Sohn hat mir eine Version von ,Video killed the radio star' geschickt, mit der angeblichen Stimme von Elvis. Aber es klang überhaupt nicht wie er, denn es wurde die Phrasierung meiner Stimme als Grundlage genommen, was überhaupt nicht zu Elvis' Art zu singen passt. Wenn Elvis so phrasiert hätte wie ich, wäre aus ihm nie was geworden“, bilanziert er lachend.
Privat traf ihn vor einigen Jahren ein schwerer Schicksalsschlag: Seine Frau, die Zeit ihres Lebens auch seine Geschäftspartnerin war, wurde 2006 versehentlich von einer Luftgewehrkugel getroffen, den Schuss hatte sein Sohn abgegeben. Danach fiel Jill Sinclair in ein Koma, 2014 starb sie an Krebs.
Haben diese Ereignisse seine Sicht auf die Musik verändert? „Um es einfach auszudrücken: Meine verstorbene Frau hat mir den Rücken frei gehalten, damit ich kreativ sein konnte – ohne dass mich Plattenfirmen, Manager oder sonst jemand stören konnten“, erzählt Trevor Horn freimütig. „Seit sie nicht mehr da ist, habe ich nie mehr diesen freien Raum gefunden, den sie für mich geschaffen hat. Sie war eine sehr gute Geschäftsfrau – und das bin ich nicht, ich bin zu weichherzig.“
Trevor Horn: „Echoes – Ancient & Modern“ (Deutsche Grammophon)