Vor zwei Jahren übernahm Stefan Charles das Amt als Kölns Kulturdezernent. im Gespräch mit der Rundschau-Redaktion zieht der Beigeordnete Bilanz und schaut nach vorn.
Interview mit Stefan Charles„Wir stellen im Moment die Museen für die Zukunft auf“
Der größte Aufreger in jüngster Zeit war der Einbruch im Museum für Ostasiatische Kunst. Was haben Sie in dem Moment als erstes gedacht?
(lange Pause) Als Erstes habe ich gedacht: Was ist hier meine Aufgabe? Denn ich bin der Letztverantwortliche für die Museen. Aber ich war auch schockiert, weil es eine Vorgeschichte zu diesem dritten Einbruch gab. Wie konnte es dann trotz verstärkter Sicherheitsmaßnahmen passieren? Ich glaube, dass man mit entsprechenden Mitteln immer in ein Museum kommt. Man spricht bei Museen nie von einem hundertprozentigen Schutz, sondern von Maßnahmen, mit denen man den Zeitraum vergrößert, um ins Haus einzudringen.
Können Sie den Kölner Bürgern versprechen, dass die Versicherung den Schaden übernimmt?
Wir haben erste Gespräche geführt, die sehr konstruktiv verlaufen sind. Ein Ergebnis kann ich nicht vorwegnehmen.
Wie ist der Stand in Sachen Zentraldepot?
Es gibt eine Grundlagenermittlung, die die Museen gemeinsam erstellt haben. Benötigt werden rund 50 000 Quadratmeter mit Werkstätten und Büros. Während wir für die Lagerung ursprünglich von fünf Klimazonen ausgegangen sind, haben wir jetzt ein Konzept für ein energieeffizientes Universalklima entwickelt, mit dem ca. 98 % der Objekte abdeckt werden. Die restlichen Objekte sollen in zwei Sonderklimazonen gelagert werden.
Die OB hat der Politik eine Streichliste vorgelegt. Bei maroden Brücken, Schulen, historischer Mitte ist nicht viel zu streichen. Da hieß es, das Zentraldepot muss nicht unbedingt sein.
Mittelfristig halte ich das für unverzichtbar. Aber da liegt ein Missverständnis vor, ich bin nicht der Meinung, dass die Stadt Köln dieses Depot bauen soll. Es gab auch schon positive Gespräche mit potenziellen Investoren.
Aber die Zeit drängt. In MAKK und Ludwig stehen Sanierungen an.
Es darf uns nicht dasselbe passieren, wie beim RGM, wo wir das Haus zunächst nicht leerräumen konnten, weil wir keinen Ort hatten, um die Bestände unterzubringen. Man geht beim Bau eines Depots auf der grünen Wiese von zwei bis drei Jahren aus.
Wenn man durchs Stadtzentrum läuft, steht man als kulturinteressierter Besucher ja häufig vor verschlossenen Türen. Das RGM ist zu, das Stadtmuseum ist vorübergehend verschwunden, das MAKK sieht desolat aus, wenn man davorsteht. Es gab auch nicht die ganz große Ausstellung. Blockbuster wie „Mondrian“ laufen in Düsseldorf. Haben Sie nicht die Sorge, dass Köln ein bisschen den Anschluss verliert?
Nein, das glaube ich nicht. Ganz im Gegenteil: Wir stellen im Moment die Museen für die Zukunft auf. Wir werden dieses Jahr das Stadtmuseum im Interim eröffnen, nächstes Jahr das Praetorium-Interim. Danach das Interim der Zentralbibliothek. Ich werte das schon als gute Nachricht, auch in der Sanierungszeit, sehr gute Lösungen gefunden zu haben. Bis 2030 werden alle diese Häuser saniert oder neu erstellt sein. Sie sind in einem Transformierungsprozess und müssen sich auch in der Arbeit, die sie tun, verändern. Am Ende stehen wir in einer Museumslandschaft, die es so in Deutschland noch gar nicht gibt.
Mit Andy Warhol hatte das Ludwig während Corona richtig Pech. Zu „Ursula“ kamen 97 000 Besucher – nicht zu vergleichen mit den rund 400 000 bei Hockney.
Das Blockbuster-Modell gibt es seit den 1970er-Jahren, um Besucherzahlen zu generieren. Davon lebt aber so ein Haus langfristig nicht. Es geht darum, dass wir bei den relevanten Themen abholen. Als erste umfassende Museumsausstellung zu dieser Künstlerin wurde „Ursula“ von den Besuchern erstaunlich gut angenommen. Aber mit der Präsenz der Neubauten und sanierten Museen wollen wir 2030 ganz andere Zahlen generieren.
Besteht aber nicht die Gefahr, dass Akzeptanz in der Bürgerschaft nachlässt, wenn es so wenig populär ist?
Meine Arbeit als Kulturdezernent ist es nicht, den Museumsdirektoren zu sagen, was sie für ein Programm machen. Dass wir aber über solche Dinge sprechen, ist schon klar. Und wir bekommen sehr viel Beachtung in der Museumswelt. Ich glaube, dass die Ergebnisse unserer schon geleisteten strategischen Arbeit beim Publikum noch nicht so hundertprozentig gesehen werden.
Daran, dass Oper und Schauspiel nächstes Jahr eröffnen, haben Sie null Zweifel?
(zögert) Sie werden sicher die Spielzeit am Offenbachplatz eröffnen, aber es wird bis zum letzten Tag anspruchsvoll. Bis Ende Oktober wird noch einmal eine umfangreiche Beurteilung eines externen Büros, Schwab aus München, vorliegen. Sie sind spezialisiert auf Fertigstellungsmanagement bei Großbauprojekten.
Es ist fast eine traumatische Baustelle, die wie ein Granitblock auf der Stadt lastet. Werden Vorfreude oder Vorbehalte überwiegen?
Ich glaube, dass eine positive Atmosphäre entsteht. Das Haus wird toll. Es ist auch eine Magie, die auf dem Gebäude liegt, wenn es wieder zum Leben erweckt wird.
Bei Personalfindung und personellen Entscheidungen ist vieles nicht rund, einiges sogar schiefgelaufen. Sehen Sie Fehler bei sich selber?
Ganz ehrlich, mir wäre es lieber, wenn diese Prozesse etwas zügiger laufen würden. Es gibt viele Gründe, warum das bisher nicht so ist. Aber ich werde mich dafür einsetzen, dass wir mit den Prozessen früher starten oder dass wir sie enger führen.
Was man viel über Sie hört, ist, dass Sie immer ein offenes Ohr haben. Hören Sie manchmal zu viel und zu vielen zu?
Das glaube ich nicht. In der Kultur ist es schon so, dass wir Lösungen finden müssen, die von allen getragen werden. Für den Betrieb am Offenbachplatz zum Beispiel benötigen wir zehn Millionen Euro mehr als für den des Interims – dafür braucht man die Bevölkerung und die Politik, aber auch alle Akteure sowie die freie Szene.
Haben Sie die lange Dauer vieler Verwaltungsvorgänge schon verinnerlicht? So wurde im Mai gesagt, dass die Stelle eines Geschäftsführenden Direktors des RJM und des MOK ausgeschrieben werden soll, geschehen ist es im September.
Das ist eine Frage, die mich sehr beschäftigt. Wir haben schon Strukturen verändert, kürzere Wege geschaffen, um schneller und schlagkräftiger zu werden.
Michael Lohaus ist als Interims-Geschäftsführender Direktor im RJM gestartet. Wie lässt sich die neue Situation in Ihren Augen an? Gibt es Feedback von den Mitarbeitenden, die Probleme mit Nanette Snoep hatten und haben?
Es war ein wichtiges Signal, aber wir können mit einer Interimslösung natürlich nicht das leisten, was wir uns letztlich vorstellen. Wenn die Stelle besetzt ist, werden wir noch einmal über die Organisationsstrukturen nachdenken. Herr Lohaus soll erst einmal die Situation stabilisieren. Ich höre, dass ihm das gelingt – ich höre aber auch, dass die Erwartungen schon weitergehen. Das ist uns sehr bewusst.
Besetzung Stadtmuseum: Da wurde die Zusage zurückgezogen, nachdem etwas bekannt geworden ist. Haben Sie da nicht gründlich genug gearbeitet?
Das stimmt so nicht. Ich kann nicht über Einzelheiten sprechen, aber die erste Person, die wir der Politik im Hauptausschuss vorgeschlagen haben, war Philipp Hoffmann – niemanden vorher.
Aber es gab eine mündliche Zusage an die Bewerberin?
Da es sich um ein nicht-öffentliches Verfahren handelt, kann ich mich dazu nicht äußern.
Beschädigt wurde ja Herr Hoffmann. Haben Sie die Stadt durch diesen Prozess noch einmal neu kennengelernt?
Nein. Ich hatte ja selber so einen ein wenig holprigen Prozess hinter mir. Frau Reker hatte mich in meinem eigenen Verfahren angerufen, ob ich mir denn Sorgen mache, und mit meinem einigermaßen sonnigen Schweizer Gemüt habe ich gesagt: Nein, nein, das geht schon gut aus. Zurück zu Hoffmann. Es ist das gute Recht des Hauptausschusses: Wir machen einen Vorschlag und hoffen, dass er einverstanden ist. Bei so einem Job muss man sich auf so ein Prozedere einlassen. Wenn man nicht dazu bereit ist, hat man vielleicht auch nicht das Zeug dazu, so einen Job zu machen.
Drei neue Projekte
Ein gemeinsamer Ort für Alte Und Neue Musik: „In diesem Bereich gibt es ein Riesenpotenzial: Und wir haben festgestellt, dass wir das Zamus und das Elektronische Studio an einem anderen Ort, zum Beispiel im Rechtsrheinischen noch viel größer denken könnten. Auch andere Institutionen könnten hier andocken.“
Pläne für Historische Mitte und Via Culturalis: „Wir werden ein Konzept über die Historische Mitte hinaus erarbeiten, das Zeughaus und Alte Wache oder auch MiQua mit einbezieht. Wie werden diese Häuser zu bespielen sein – auch über 18 Uhr hinaus. Wir wollen da eine Frequenz von 300.000 Besuchern schaffen. Aber mir über die Begriffe ,Historische Mitte' oder ,Via Culturalis' würde ich gerne noch einmal nachdenken.“
Ein Ersatz für die frühere Kunsthalle am Neumarkt: „Wir stellen uns ein Zentrum für zeitgenössische Kunst vor, ebenfalls im Rechtsrheinischen. Das soll nicht nur den Museen, sondern auch Sammlern zur Verfügung stehen – und für Ausstellungskonzepte, die wir im Moment nicht nach Köln holen können.“ (HLL)