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Interview

Regisseur Rafael Sanchez will in Köln warnen
Warum hassen manche Männer Frauen?

Lesezeit 5 Minuten
Rafael Sanchez im Bühnenbild von Die letzten Männer des Westens

Rafael Sanchez im Bühnenbild von Die letzten Männer des Westens

Mit dem Stück „Die letzten Männer des Westens“ will Regisseur Rafael Sanchez vor Frauenhassern und rechten Gruppierungen warnen.

In seinem Buch „Die letzten Männer des Westens“ zeigt Tobias Ginsburg die Verbindungen auf zwischen Frauenhassern und rechten Gruppierungen und Parteien – und wie Letztere dies für ihre Zwecke nutzen. Rafael Sanchez bringt den Bestseller nun auf die Bühne des Depot 2.

Tobias Ginsburg geht vor wie ein Ethnologe. Er erforscht als teilnehmender Beobachter fremde Kulturen, in diesem Fall diverse radikale Männerbünde von Burschenschaften über Aktivisten bis hin zu politischen Parteien. Wie wurden Sie auf das Buch aufmerksam?

Die Dramaturgin Sybille Dudek hat das gelesen und mir auf den Tisch gelegt. Ich hätte da einen großen Bogen drum gemacht. Dadurch, dass Tobias Ginsburg so pointiert schreibt, ist das Thema erträglich. Aber ich muss ehrlich sagen, dass ich es ab und zu wieder weggelegt habe. Es ist irgendwann nur noch ekelhaft. Ich finde es schon wahnsinnig, wie er sich über Jahre immer wieder in diese Welten hineinbegeben hat.

Das ist schon fast eine Form von Masochismus.

Ich würde es nicht schaffen. Ich habe kaum das Buch geschafft. Aber seine Grundthese hat mir eingeleuchtet: Antifeminismus ist so niedrigschwellig, wie er ist, weil er in den Strukturen unseres alltäglichen Lebens eingeschrieben ist und ihn jeder von uns betreibt, ob bewusst oder unbewusst. Und wenn man dann noch ein bisschen anfälliger dafür ist als andere – ob aus Ignoranz oder Frustration oder was auch immer – ist das ein Durchgangstor in die rechte Welt.

Was hat Sie an dem Buch überrascht oder sogar schockiert?

Dass es ganz normale Leute sind. Dass man, wenn man in der Straßenbahn sitzt, weiß, hier sitzen mit großer Wahrscheinlichkeit mehrere dieser Typen. Das Buch macht bewusst, dass man es nicht mehr schafft, in seiner Blase zu bleiben. Und dann diese ganzen Youtube-Videos, die im Buch beschrieben werden – wenn man sich da reinbegibt, denkt man, das ist nicht wahr, so ekelhaft ist das. Aber es ist leider ganz real.

Inwiefern ekelhaft?

Hier wird Hass auf Frauen öffentlich und unzensiert manifestiert — und dabei noch haarsträubend begründet. Das hat alles weder Hand noch Fuß, sondern setzt sich nur aus Idiotie und Dummheit und Verachtung und Hass zusammen.

Wie bringen Sie das nun auf die Bühne?

Das ist schwierig. Man will den Tätern keine Bühne bieten – und schon gar kein Verständnis erzeugen, in dem man erklärt, warum sie vielleicht so geworden sind, wie sie sind. Sich nur über sie lustig zu machen, wäre zu einfach, obwohl sie so viel Fläche dafür bieten. Also schmeißen wir uns von allen Seiten auf das Thema, manchmal mit Karacho, manchmal auch ganz leise.

Sie arbeiten mit einem gemischten Ensemble, Yvon Jansen etwa spielt Tobias Ginsburg. War es eine Option, mit einem rein männlichen Ensemble zu arbeiten?

Zu Beginn haben wir kurz darüber nachgedacht. Ich kam aber zu dem Schluss, dass es vielleicht ganz guttut, sich von diesem Realismus zu distanzieren und dem eine weibliche Präsenz entgegenzusetzen. Wenn Birgit Walter einen Vortag hält, wie Frauen Männer durch Karate verstümmeln, tut das der Sache ganz gut – also wenn sich eine Frau in diese absurde Welt einmischt.

Also läuft man nicht Gefahr, dass, wenn Frauen diese männerhassenden Typen spielen, es zur Karikatur werden kann? Tobias Ginsburg warnt am Ende explizit davor, diese Gruppen und ihren Einfluss nicht ernst zu nehmen.

Das könnte genauso passieren, wenn es ein Mann spielt. Es ist eine Gratwanderung. Man kann es nicht ernst nehmen, aber man muss es, weil diese Leute gefährlich sind. Und auch wenn man vielleicht privat mit dem Nachbarn, der AfD-Wähler ist, reden muss, mit der Partei oder auch diesen Gruppierungen darf es kein Pardon geben.

Wie könnte das aussehen?

Wir bringen diesen Strömungen eine sehr höfliche, zurückhaltende Haltung entgegen, wohl auch aus Angst. Soll man das Parteiverbot nur nicht weiter anstrengen, weil sie laut Umfragen 30 Prozent der Wählerschaft haben? Das ist kein Argument. Denn diese Gruppierung versteckt nichts mehr, sondern legt ihren ganzen Antisemitismus, Antifeminismus und Rassismus offen dar, und sie haben die Motorsäge angesetzt. Es gibt ein Plädoyer am Schluss des Buches, dass die Metapher von der Brandmauer entlarvt: „Hier die Guten, da die Brandmauer, da die Bösen – da brennt's, aber hier ist alles tutti. Was für ein Quatsch!“ Das finde ich super.

Nicht so super: die erneute Verschiebung der Wiedereröffnung der Bühnen. Dazu fällt einem nichts mehr ein, oder?

Ich bin so dankbar, dass wir sowohl einen Plan A als auch Plan B parallel entwickelt haben. Am Offenbachplatz stünden uns drei Bühnen zur Verfügung: großes und kleines Haus sowie das Depot 2 als Außenspielstätte. Wir wollten am ersten Wochenende gleich drei Premieren machen, denn es gibt im Schauspielhaus auch eine Art Vorbühne, die man schnell umbauen kann ...

Im Carlswerk stehen ja nur zwei Bühnen zur Verfügung, trotzdem mussten wir durch das geschickte Disponieren unserer Chefdisponentin keinem der Regieteams, mit denen wir Verträge haben, absagen.

Im Programm liest man häufig „letzte Vorstellung“, nicht zuletzt, weil Stefan Bachmann eine ganze Reihe von Ensemblemitgliedern mit nach Wien nimmt. Bleiben noch genug Stücke, die sich für Wiederaufnahmen am Offenbachplatz eignen?

Auf jeden Fall, wir werden unter anderem „Katharina Blum“ weiterspielen – und könnten auch „Die letzten Männer des Westens“ mitnehmen – wenn es denn gut ankommt.

Sie müssen das Ensemble aufstocken. War es schwierig, Menschen für eine Spielzeit nach Köln zu holen?

Überhaupt nicht. Wir hatten 300 Bewerbungen, praktisch ab dem Zeitpunkt, als bekannt wurde, dass Stefan Bachmann nach Wien geht. 40 haben wir zu Vorsprechen eingeladen, einige davon konnten wir fest verpflichten. Ein Interim bietet Schauspielerinnen und Schauspielern, die vielleicht Berührungsängste mit den Pflichten eines Festengagements haben, auch Chancen. In Übergangszeiten liegt eine große Freiheit, sich auszuprobieren und gemeinsam zu wachsen.


Das Stück

Die Premiere von „Die letzten Männer des Westens“ findet am Freitag, 22. März, 20 Uhr, im Depot 2 statt. Auf der Bühne stehen Yvon Jansen, Birgit Walter und Nicola Gründel sowie Nikolaus Benda, Yuri Englert, Andreas Grötzinger, Benjamin Höppner und Kei Muramato. Autor Tobias Ginsburg taucht in Videoeinspielungen auf, die Live-Musik steuert Clemens Borgholte bei.