Bestseller-Autor Martin Suter über neue Bücher, Gentlemen-Gauner und das Schreiben mit der Hand.
Interview mit Martin SuterWarum „Melody“ für ihn ein ganz besonderes Buch ist
Eigentlich wollte Martin Suter schon vor einem Jahr in Köln seinen Roman „Melody“ vorstellen. Als dann seine Frau Margrith Nay Suter starb, sagte der Schweizer Autor die komplette Lesereise ab. Nun ist er wieder da – und hat mit „Allmen und Herr Weynfeldt“ ein zweites Buch dabei.
Vor einem Jahr mussten Sie die Lesereise aus persönlichen Gründen absagen. War es schwierig, wieder in den Literaturbetrieb einzusteigen?
Nein, aus dem Literaturbetrieb bin ich gar nie ausgestiegen. Das ist ja mein Beruf. Ich schreibe immer.
Wie entstand die Idee, in „Allmen und Herr Weynfeldt“ Charaktere aus verschiedenen Büchern aufeinandertreffen zu lassen?
Ich will mit meinen Büchern immer eine Art Verneigung vor einer literarischen Gattung machen. Der Serienkrimi fehlte noch. Ich habe mir überlegt , mit wem von meinen bisherigen Helden ich am liebsten viel Zeit verbringen würde, und das war Weynfeldt. Als sich dann die Frage stellte, wie der nächste Allmen-Krimi aussehen könnte, dachte ich: Warum begegnet der nicht mal seinem unbewussten Vorbild – also Weynfeldt?
Weynfeldt als ein Mann, der sehr viel Geld hat und einen Lebensstandard pflegen kann, den Allmen nur vorgibt – weshalb er bekanntermaßen als Privatdetektiv arbeiten muss. Neben der Krimihandlung um ein verschwundenes Bild scheint es aber auch um das aufkeimende Pflänzchen einer Männerfreundschaft zu gehen.
Nein, ich wollte wirklich nur thematisieren, wie die beiden aufeinander reagieren. Beide sind ja Gentlemen. Und der Allmen ist ja eher einer, von dem man weiß, dass er es mit der Ehrlichkeit nicht ganz so ernst meint. Bei Weynfeldt wusste man das nie. Aber sie haben beide ein Geheimnis.
Wenn die beiden nicht so überzeugend heterosexuell gezeichnet wären, könnte man fast auf den Gedanken kommen, dass da vielleicht doch noch ein bisschen mehr gehen könnte. Vor allem Allmen scheint völlig fasziniert und angetan, schaut bisweilen fast ein wenig zu bewundernd zu Herrn Weynfeldt auf.
Da trifft er jetzt mal einen, der wirklich das ist, was er sein will. Schon bei der ersten Begegnung ist er beeindruckt: Dass Weynfeldt seinen Drink nicht trinkt, sondern nur die Olive isst.
Die Sache mit der Olive klingt, als hätten Sie das mal in einer Bar beobachtet.
Nein. Weynfeldt ist ein gemäßigter Trinker, und als ich 2008 „Der letzte Weynfeldt“ geschrieben habe, habe ich mich gefragt, was macht einer, der nicht trinkt, an der Bar? Und dachte, nur die Olive zu essen, wäre doch eine nette Idee. Es gibt viele solcher A-ha-Momente für die, die „Der letzte Weynfeldt“ kennen.
Zu denen ich zugegebenermaßen nicht gehöre, ich habe Weynfeldt jetzt erst kennengelernt – was aber dem Lesevergnügen keinen Abbruch tat.
Das freut mich natürlich. Ich habe es gehofft, dass es für beide Lesergruppen funktioniert – und dass der eine oder andere denkt, ach „Der letzten Weynfeldt“ möchte ich jetzt auch lesen. (lächelt)
Da spricht der gute Geschäftsmann! Jetzt haben Sie praktisch zwei Bücher auf dem Markt, auch wenn „Melody“ schon vor einem Jahr erschienen ist. War es schwierig, sich nach so langer Zeit wieder mit dem Buch, wie jetzt auf der Lesereise, zu beschäftigen?
Es war nie ganz weit weg. Ich habe eine ganze Reihe von Interviews dazu gegeben. Zuletzt wieder, als es auf Französisch erschienen ist. Aber „Melody“ ist auch ein sehr besonderes Buch für mich.
Warum?
Es ist ja in einer sehr schwierigen Zeit entstanden. Und ich habe es mit der Hand geschrieben.
Mit Papier und Bleistift?
Nein, auf einem Remarkable Tablet. Das ist fast noch besser als auf Papier – und mit einem Knopfdruck kann man das Geschriebene umwandeln.
Was war das für ein Gefühl, eine Geschichte wieder durch die Hand fließen zu lassen und nicht über eine Tastatur?
Ich habe es mal „unplugged“ genannt wie in der Musik. Und ich habe überall geschrieben: in der Bahn, in Wartezimmern, sogar zwei, drei Mal in Caféhäusern. Ich hatte vorher immer über Caféhaus-Autoren gelächelt.
Hatte diese „neue“ Art zu schreiben auch Auswirkungen auf Stil und Geschichte?
Viele Leute sagen, es läse sich auch anders. Es ist weniger Plot-getrieben, mehr plaudernd. Und ich glaube, das ist auch beim neuen Allmen so.
Den Sie auch auf diese Weise geschrieben haben?
Ja, ich mache das jetzt nur noch so.
Das Ende von „Melody ist sehr überraschend....
...aber Sie dürfen es auf keinen Fall verraten!
Dann nur so viel: Könnte es eine Fortsetzung geben?
Nein, mit dem letzten Satz hören meine Romane auf. Nur bei Allmen wird es weitergehen.
Die Bücher
In „Allmen und Herr Weynfeldt“ lernen sich Martin Suters Gentlemen-Detektiv und der kunstaffine Protagonist aus „Der letzte Weynfeldt“ durch Zufall in einer Bar kennen – und schätzen. Weynfeldt beauftragt Allmen schließlich, einen gestohlenen Picasso wiederzufinden – und trifft dabei auf eine ganze Reihe von Figuren, die auch schon im Roman von 2008 vorkamen. (Diogenes, 224. S., 26 Euro – erhältlich ab 20. März).
„Melody“ (Diogenes, 336 S. 26 Euro) heißt die große, unerfüllte Liebe von Peter Stotz, seines Zeichens ein hoch angesehenes Mitglied der Schweizer Gesellschaft. Kurz vor seinem Tod bittet er den jungen Tom Elmer, seine Unterlagen zu sichten und von unliebsamen Details zu säubern. Doch die Geschichte von Melody, die Stotz ohne Erklärung für ihn völlig überraschend verließ, fasziniert Tom so sehr, dass sich er auf ihre Spur begibt.