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Interview mit Krimiautor Arne DahlBislang keine Chance auf ein Happy End

Lesezeit 5 Minuten
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Der schwedische Krimiautor Arne Dahl

  1. Auch Arne Dahl hätte auf der lit.Cologne sein neues Buch „Vier durch vier“ vorstellen sollen.
  2. Statt bei einem Treffen in Köln spricht der Krimiautor am Telefon mit Axel Hill über die russische Demokratie, Zahlenspiele und die Anforderungen des Buchmarktes.

Wie oft bekommen Sie Mails, in denen Sie beschimpft werden, dass diese Bücher mit solchen Cliffhangern enden? Es ist ja nicht nur inhaltlich brutal, sondern auch für das Lesevergnügen ...

(lacht) Entschuldigung. Die ganze Stimmung in diesem Buch war dunkel und erschreckend. Und ich habe mich gefragt, ob es wirklich ein Happy End haben sollte, damit Sam und Molly wirklich zusammenkommen können. Aber dann wurde es auch doch dieses Ende – und so entstand eine interessante Idee für das nächste Buch.

Es geht also weiter. Könnte dies dann das letzte sein? Oder wird das eine unendliche Geschichte?

Es wird auf jeden Fall mein 20. Krimi. Ich habe es ehrlich gesagt noch nicht entschieden, ich schaue, wie es sich anfühlt, wenn ich mit dem Buch fertig bin – bislang habe ich rund 100 Seiten geschrieben. Ich mag die beiden Charaktere, ihre Geschichte ist sehr intensiv – auch durch ihre derzeitige Rolle als Privatdetektive.

Ist es nur mein Eindruck, dass das Buch im Verlauf immer düsterer und vor allem brutaler wird – mit vielen bisweilen ekligen Details?

Nein, das stimmt. Es beginnt fast ruhig, Sam ist deprimiert, dass Molly ihn verlassen hat, er beginnt eine Therapie, um sein Leben in den Griff zu bekommen. Er bekommt einen recht eindeutigen Auftrag: eine Entführung aufzuklären, die sich als viel mehr entpuppt.

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Aber je mehr ich geschrieben habe, desto mehr hatte ich das Gefühl, mich inmitten einer griechischen Tragödie zu befinden. Schicksal und Bestimmung entschieden darüber, was ich schrieb – es wurde zum Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei. Von außen sieht es aus wie Wirtschaftskriminalität, dahinter verbirgt sich ein Blutbad des Horrors. Und das ist, was letztendlich Geldwäsche bedeutet: Das Blut wird abgewaschen.

Russen kommen nicht gerade gut weg ...

Ich greife hier nicht direkt die Russen an. Aber diese neue Mafia, die in den frühen 90ern auftauchte, kam aus Russland. Und ich habe schon in meinem ersten Buch „Misterioso“ 1999 darüber geschrieben. Damals war die Russenmafia noch neu, jetzt hat sie sich in der Geschäftswelt etabliert – ist viel eleganter, mehr business-like.

An einer Stelle heißt es „Dieser ganze Misthaufen aus Egoismus, Macht, Geld und Gewalt, der die russische Demokratie auszeichnet.“ Inwieweit denken Sie beim Schreiben eines Krimis über Political Correctness nach?

Vielleicht sollte ich das (lacht), aber in diesem Fall war es einfach nötig. Und vielleicht hätte ich das nicht schreiben sollen, aber unglücklicherweise ist die russische Demokratie ein Fehlschlag. Es gab in den frühen 90ern so viel Hoffnung, dass es in die richtige Richtung geht. Und jetzt ist es nur noch ein „porridge of horror“. Ich würde nicht in Russland leben wollen! Es gehört auch nicht zu den Ländern, in die ich gerne reisen würde.

Werden ihre Bücher dort veröffentlicht?

Sie haben mit dieser Serie angefangen, aber dieses Buch wird es schon bei der Übersetzung schwer haben ...

In einer Szene beobachtet Ivan, wie eine Ameise in Vogelscheiße von ihren Artgenossen mit einer Kette gerettet wird – davon hatte ich noch nie gehört.

Ich habe es im Fernsehen gesehen (lacht). Und sie formieren sich wirklich zu einer Rettungskette – das steckt in ihren Genen. Im TV war das allerdings ein Kuhfladen. Aber ich fand, es war ein großartiges Bild für seinen Charakter.

Obwohl Sie schon so lange erfolgreich sind, gibt es noch die Angst, dass niemand das nächste Buch kauft?

Nicht in Bezug auf mein eigenes Schreiben, dem vertraue ich. Aber man weiß nie, was mit dem Buchmarkt passiert. Werden Menschen noch Bücher lesen? Werden Bücher zu so etwas wie Vinylschallplatten, die nur noch von einer Minderheit konsumiert werden? In Schweden sind Hörbücher gerade der Trend – und ich denke, hören ist etwas ganz anderes als lesen. Es gab schon Hinweise von den Verlagen, dass ich doch bitte etwas mehr so schreiben solle, dass man es leichter als Hörbuch konsumieren kann. Dass die Geschichten nicht so komplex sein sollen. Quasi Easy Listening! Das finde ich verstörend. Aber wenn ich nach Deutschland komme, bin ich beruhigt, hier wird ja noch gelesen.

Die deutschen Titel der Serie unterscheiden sich extrem von den schwedischen, die übersetzt etwa „Die Freiheit“ oder „Landesinnere“ heißen. Die Zahlenspiele der hiesigen Ausgaben tauchen aber auch im Buch auf. Schreiben Sie mittlerweile mit den Zahlenspielen im Kopf?

Weil der erste Titel, „Utmarker“, nicht richtig übersetzt werden konnte, suchte man nach einer anderen Möglichkeit – und wollte Titel haben, die klar zeigen, dass die Bücher zusammengehören. Für das erste Buch war es logisch: Sieben entführte Mädchen und eines kann entkommen. Und bei den Ziffern ist es zum einen ein Herunterzählen (sieben, sechs, fünf, vier) und zum anderen ein Aufzählen (eins, zwei, drei, vier). Und jetzt schaue ich ganz gezielt, wie ich das Zahlenspiel in der Geschichte unterbringen kann. Manchmal wird es zu einem essenziellen Teil der Geschichte, im neuen Buch ist es vielleicht nicht ganz so wichtig.

Da Sie einmal damit angefangen haben, müssen Sie es nun auch durchziehen ...

Ja, genau ! (lacht)

Neuer Termin für die Lesung aus dem vierten Serienteil

Sam Berger und Molly Blom gehen in die nächste Runde, auch wenn sie diesmal ihren Kampf zunächst aus der Distanz ausfechten. Denn die hochschwangere Molly hat sich aus dem Staub gemacht, lässt einen deprimierten Sam zurück. Das Geschäft als Privatdetektiv läuft auch nicht allzu doll – bis seine neue Therapeutin ihn bittet, eine entführte Patientin zu finden. Und ehe er sich versieht, ist Sam mittendrin in einem von der russischen Mafia perfide gestrickten Netzwerk aus Prostitution, Drogen und Geldwäsche. Bald ist aber Molly wieder an seiner Seite ...

„Vier durch vier“ ist wieder einer dieser Schmöker auf dem gewohnten Arne-Dahl-Niveau. Und wenn man mal darüber hinwegsieht, dass der Schwede bisweilen zum Überkonstruieren neigt (Stichwort Reinigungsfirmen!), lotst der 57−Jährige seine Leser geschickt durch einen Irrgarten, an dessen Endpunkt ein Bett steht ... (HLL)

Arne Dahl: Vier durch vier. Krimi, aus dem Schwedischen von Wibke Kuhn. Piper, 444 S., 16,99 Euro

Die lit.Cologne-Lesung zusammen mit Niklas Natt och Dag soll nun am 17.9., 18 Uhr in der Stadthalle Mülheim stattfinden.