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Interview mit Heinz Strunk„Ich trinke lieber allein, da kann ich mich besser auf die Wirkung konzentrieren“

Lesezeit 6 Minuten
Heinz Strunk in seiner Wohnung.

Heinz Strunk in seiner Wohnung.

Heinz Strunk spricht im Rundschau-Interview über das Trinken, Schlager am Morgen, Ballermann-Hits und das Altern.

Interviews gibt der Humorist Heinz Strunk in seiner Hamburger Wohnung. Links von ihm steht ein Deko-Globus voller Schnapsflaschen, rechts ein Ständer mit einer enormen Auswahl an Pilotenbrillen. Hier spricht der 62-Jährige über seinen Arbeitsalltag, der morgens mit Schlagerfernsehen beginnt und am Abend mit Alkohol ausklingt. In der Zeit dazwischen schreibt Strunk ein Werk nach dem anderen – zuletzt ein Bilderbuch über Käse („Die Käsis“) und die Amazon-Serie „Last Exit Schinkenstraße“.

Herr Strunk, Alkoholismus spielt in Ihrem Werk eine große Rolle. Sind Sie selbst gefährdet?

Jeder Autor bedient sich in seinem Privatleben, und Alkohol ist seit Jahrzehnten integraler Bestandteil von meinem. Mit 61 Jahren darf ich aber sagen, dass ich es halbwegs im Griff habe. Bei meinen Süchten habe ich immer eine Grenze gefunden, wenn es destruktiv wurde. Ich trinke total gerne, und wahrscheinlich würde auch jeder Arzt sagen: zu viel. Aber das interessiert mich nicht.

Wie trinken Sie?

Abends. Ich trinke lieber allein, weil ich mich dann besser auf die Wirkung konzentrieren kann. Wenn ich am Ende eines arbeitsreichen Schreibtages nüchtern bleiben müsste, fände ich das wirklich langweilig. Also koche ich, oder ich setze mich auf die Dachterrasse oder auf das Sofa, auf dem Sie gerade sitzen. Dann mache ich den Fernseher an, trinke was und löse die gleißende Nüchternheit des Tages mit so einem Glimmer ab.

Für Ihre Kreativität spielt der Rausch der anderen eine Rolle. Im Roman „Ein Sommer in Niendorf“ bestehen ganze Kapitel aus den Schnacks von Stammgästen einer Säuferkneipe.

Da kann ich Ihnen was verraten: In Lübeck gab es in den 90ern die Kneipe Hilmar, in der ich oft mit meiner Freundin saß. Die Gespräche in der Kneipe habe ich aufgezeichnet und eins zu eins in „Niendorf“ verwendet. Das Tonband ist ungefähr 20 Minuten lang, etwa die Hälfte habe ich verwendet. Es ist nichts erfunden. Die Leute hießen sogar so: Hardy, Mike und Frank.

Sie haben mehrere neue Projekte im Angebot. Wieso sind Ihre Helden gerade ein Trüffel-Parmesan und ein Billigkäse – und nicht Würstchen oder Gurken?

Die Wurstis kommen nicht infrage; Wurst ist heute nicht mehr cool. Und seit „Fleisch ist mein Gemüse“ werde ich sowieso schon ständig darauf festgelegt. Bei Gurkis fehlt mir die Vielfalt. Käsis sind einfach süß und lustig.

Sie schildern auch einen Käseschurken mit dem Namen Beef Jezos. Wollten Sie da Ihr Gewissen beruhigen, weil Sie für Ihr anderes aktuelles Projekt mit Jeff Bezos gemeinsame Sachen machen – für die Amazon-Serie „Last Exit Schinkenstraße“?

Da muss ich vorsichtig antworten. Jeff Bezos ist mein Arbeitgeber, und als wir auf Mallorca gedreht haben, kreiste seine Jacht immer in Sichtweite herum. Ich musste mir aber nichts von der Seele schreiben. Im Käsebuch wird Beef Jezos am Ende in seiner eigenen Rakete ins All geschossen. Also brauchte ich für die Anspielung einen Milliardär, der Raketen baut. Es hätte auch Elon Musk sein können.

Für die Serie „Last Exit Schinkenstraße“ haben Sie ganz tolle Party-Schlager geschrieben. Zum Beispiel: „Man soll nicht lecken, bevor es tropft.“ Werden das die nächsten Sommerhits?

Dann würde ein Jugendtraum wahr werden. Aber abwarten. Für einen Hit reicht es nicht, dass mein Publikum den Song mag. Das muss auch vom Ballermann-Publikum angenommen werden; und vor solchen Fans haben wir es noch nicht ausprobiert. In der Serie spielen wir die Songs nur vor spanischen Statisten. Die verstehen kein Wort und jubeln bloß, weil sie müssen.

Als Gaststar taucht in der Serie der echte Mickie Krause auf und klaut Ihre Songs. Nimmt er den „Liebesdöner“ auch im wirklichen Leben ins Repertoire auf?

Da sträubt er sich. Meine Texte sind ihm zu kompliziert; er findet das alles ganz untypisch und sagt, da sind viel zu viel Worte drin. Mickie Krause sieht meine Songs nicht als potenziellen Hit.

Was stimmt denn nicht? Die Songs sind lustig, zotig und so erbarmungslos gereimt, dass man auch betrunken textsicher mitsingt.

Versucht hatten wir etwas, das allen gefällt. Den Ballermann-Leuten, weil sie ihre Fäkalsprache darin wiederfinden. Und dem Feuilleton, weil es trotzdem witzig ist. Natürlich hätte ich das auch von echten Ballermann-Produzenten schreiben lassen können. Aber es soll ja gut sein. Die Serie ist mein ureigenstes Projekt, das Resultat von 30 Jahren an der Humorfront. Und echte Ballermann-Hits sind sprachlich beschämend schlicht. So was wie „Layla“ oder „Bumsbar“ hat bei uns keinen Platz.

Schlager werden neuerdings ernst genommen. Wenn Politiker bei „Layla“ mitschunkeln, folgt die Sexismus-Debatte.

Als älterer weißer Mann sollte man sich dazu möglichst nicht äußern. Aber diese Debatte um „Layla“ fand ich schon einigermaßen albern. Wenn man die frühen Mickie-Krause-Songs daneben hält … Die Diskussion ist so was von öde. Aber wenn die Leute sonst nichts haben, womit sie sich beschäftigen können. Und der „Mohrenkopf“ – ach, was weiß ich. Es gibt ja auch die Debatte, ob man die Bücher von Astrid Lindgren auf Stand der Political Correctness bringen soll. Ich finde das nicht richtig. Und weil Sie gerade die ARD erwähnt haben: Unsere schöne „Schinkenstraße“ wäre bei ARD und ZDF in 1000 Jahren nicht produziert worden.

Schlager werden gern als zynisches Geschäft belächelt; gleichzeitig haben Schlagerstars für viele Fans eine wichtige soziale Funktion.

Stimmt. Wenn DJ Bobo auftritt, hat man das Gefühl, Jesus Christus ruft die Notleidenden und Gebrochenen zusammen. Ich war mal auf einem Konzert von Howard Carpendale. Da treffen sich – ganz wertfrei gesprochen – die Armen und Geplagten. Für zwei Stunden tauchen sie in die heile Welt des Schlagers ein. Ich glaube auch, dass das wichtig ist. Und je schlichter, desto besser.

Die zynische Seite sehen Sie also nicht?

Nicht beim Schlager, aber bei allem, was man allgemein als Neue Deutsche Songpoeten bezeichnet: Musiker, die so tun, als sei ihre Musik was Besseres als Schlager. Das löst bei mir richtigen Ekel aus. In dem Zusammenhang: Kennen Sie die Schlagersender, die es jetzt im Angebot von MagentaTV gibt?

Ist das etwa Ihr Programm, wenn Sie abends eine gute Flasche öffnen? Kenne ich nicht, was ist das?

Das sind so sechs, sieben neue Sender – wie VIVA, nur für Schlager. Da laufen die alle rauf und runter: Duo Fantasy, Fernando Express, die Amigos – und sogar die Tochter von einem der Amigos: Daniela Alfinito – ein klangvoller Name. Das gucke ich aber nicht abends. Das mache ich mir morgens an. Zum Kaffee.

Gibt es einen Punkt in Ihrem Leben, ab dem Sie sich selbst alt gefühlt haben?

Eigentlich nicht. Natürlich ertappe ich mich immer wieder mal bei unangenehmen Spießigkeiten. Bei den wichtigen Sachen wähne ich mich aber auf der richtigen Seite. Walter Kempowski hat das so auf den Punkt gebracht: „Ich kann nicht fassen, dass jemand anderer Meinung ist als ich.“ So geht es mir auch. Was cool ist und was uncool, weiß ich schon deshalb, weil ich Humor mache. Da muss man genau sein. Eine falsche Vokabel, und alles kippt. Bei mir passiert das nie. Deshalb vertrete ich die These: Wo ich bin, ist modern.