AboAbonnieren

Interview

Daniel Brühl zum neuen Film
„Allein die Idee, Lagerfeld zu spielen, hat mich total beseelt“

Lesezeit 4 Minuten
Daniel Brühl in Becoming Karl Lagerfeld (Disney+)

Daniel Brühl in „Becoming Karl Lagerfeld“.

Für seine neueste Rolle hat sich Daniel Brühl einen extrem bekannten Zeitgenossen vorgenommen: In der Disney+-Serie „Becoming Karl Lagerfeld“ spielt er den Modezaren.

Wie sind Sie zur Rolle der Mode-Ikone gekommen?

Als ich den Anruf mit dem Rollenangebot bekam, war meine erste Reaktion vor allem Schock und Verwirrung. Doch gleich eine Sekunde später folgte ein ganz starkes, elektrisierendes Gefühl: Lagerfeld, das muss ich machen! Allein die Idee, diesen Mann zu spielen, hat mich total eingenommen und beseelt. Dazu noch in solch eine Liebesgeschichte einzutauchen, hat mich ganz besonders gefreut.

Wie lief es mit der Lovestory, die Liaison von Lagerfeld zum jungen Dandy?

Ich hatte das wahnsinnige Glück, mit diesem begnadeten jungen kanadischen Kollegen Théodore Pellerin meinen Traummann zu finden. Irgendwann mitten im Dreh habe ich meine Frau angerufen und ihr gesagt: „Ich bin jetzt in den Mann verknallt für ein paar Monate. Ich hoffe, du verzeihst mir das.“ Worauf sie meinte: „Oh, den finde ich auch so cool, ich habe kein Problem damit.“ (Lacht)

Es gibt Momente in der Serie, die zählen zu dem Schönsten, was ich überhaupt gemacht habe. Manchmal dauern diese Momente nur Sekunden oder Minuten, aber ich erkenne da eine totale Wahrhaftigkeit und eine wirklich große Liebe.

Wie war Ihr Gefühl damals, als Sie Lagerfeld kennengelernt haben?

Ich habe die spätere Version kennengelernt. Das war diese Figur, die er sich zurechtgelegt hat. Die war total charmant und lustig, aber auch distanziert. Für mich war es spannend, im Film zurückzugehen und zu ergründen, wer dieser Lagerfeld war, bevor er berühmt wurde.

Es gibt eine Schlüsselszene, in der Lagerfeld vor dem Spiegel steht und vergeblich versucht, zu tanzen. Derweil gleichzeitig sein Lover in der Disco auf der Tanzfläche steht. Unterlegt ist die Montage mit dem Song „Take on Me“ von a-ha. Woran haben Sie in diesem Moment gedacht?

Die Szene stand nicht im Drehbuch, das war meine spontane Idee. Dieser intime Moment soll zeigen, wie viel Schmerz es für Lagerfeld bedeutet, sich körperlich nicht öffnen zu können. Er stellt sich in diesem Tanz vor, wie er von Jacques berührt wird. Im Kontrast sieht man parallel dazu seinen jungen Liebhaber, der sich im Drogennebel ekstatisch in einer Disco bewegt.

Dass es das Lied zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gab, ist künstlerische Freiheit?

Absolut. Dieser ikonische Song, zumal in der Unplugged-Version, passt einfach großartig zu der Szene. Es passt auch zu einer Figur, die bisweilen ein kreatives Verhältnis zur Wahrheit hatte. Wenn man verschiedene Bücher über ihn liest, finden sich viele Widersprüche, die zum Teil von ihm selbst gestreut waren.

Wie viel kreative Freiheit haben Sie sich genommen für Ihre Karl-Kreation?

Diese Figur ist meine eigene Interpretation. Ich will ja gar nicht so tun, als wäre ich Karl. Vielmehr ist es immer eine Begegnung mit ihm, bei der man Dinge von ihm übernimmt und eben auch eigene Sachen hinzufügt. Es wird bestimmt irgendwelche Streber geben, die mir vorwerfen, dass ich Lagerfeld als Linkshänder spiele, obwohl er doch Rechtshänder war.

Was antworten Sie den Strebern?

Ich habe als Jugendlicher gerne und ganz gut gezeichnet. Aber ich bin eben Linkshänder und mit rechts stimmt die Haltung einfach nicht. Deswegen habe ich diese gut 700 Modeentwürfe in der Pariser Wohnung mit der linken Hand da hingekritzelt. Das war ein bewusster Schritt, schließlich handelt es sich hier um keine Doku.

Das gilt ähnlich für die intimeren Seiten des Karl Lagerfeld. Ob die jetzt genau so stimmen oder nicht, weiß nicht. Entscheidend für mich ist die Haltung, diese Figur zu schätzen, zu respektieren und zu verteidigen.

Hat sich Ihr Verhältnis zu Jogginghosen durch den Film geändert?

Ich bin da irgendwie schon bei Karl Lagerfeld. Meine Jogginghosen trage ich, wenn es zum Sport geht, ansonsten bin ich da tatsächlich eher konservativ. Mir fiel das gerade bei unserer Premiere in Paris auf, wo wir im altehrwürdigen Hotel Bristol untergebracht waren. Wenn mir dort dann Amerikaner in ihren Jogginghosen begegnen, habe ich schon ein kleines Problem damit.

Wäre ein Phänomen wie Lagerfeld heute noch möglich in Zeiten der sozialen Medien?

Lagerfeld hat ja nie den Puls zum Jetzt verloren und hat sich immer mit der Jugend umgeben, um den Zeitgeist einzufangen. Auf der anderen Seite ist er ein intellektueller Mensch gewesen, der viel Zeit in der Vergangenheit verbracht hat. Es ist schon beeindruckend, wie dieser Mensch bis zuletzt nie die Neugierde verloren hat und nie zum Nostalgiker wurde. Davon würde ich mir gerne im Alter ein Scheibchen abschneiden.

Was würden Sie Lagerfeld fragen, wenn er jetzt zur Tür hereinkäme?

Es tut mir wahnsinnig leid, aber ich habe dich gespielt. Würdest du mich anschauen wollen? Dann würde er wahrscheinlich sagen: Nein. Wenn er es sich doch angeschaut hätte, würde ich fragen: Kannst du damit leben? Und dann hätte er bestimmt einen ironischen Kommentar gemacht. (Lacht)