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Interview mit Blues-MusikerSüdstadt-Ikone Richard Bargel über sein neues Album

Lesezeit 4 Minuten
Riochard Bargel, Blues-Musiker, mit seiner Gitarre bei den Aufnahmen zu seiner neuen Platte "Dead Slow Stampede".

Richard Bargel bei den Aufnahmen in den Maarwegstudios. 

Richard Bargel ist seit Jahrzehnten Bestandteil der Kölner Musikszene, sein Herz schlägt vor allem für den Blues. Nun bringt der 71-Jährige ein neues Album heraus: „Dead Slow Stampede“, das erst elfte in seiner 50-jährigen Karriere. Mit Axel Hill sprach er über verpasste Chancen, neue Konstellationen und Zöpfe.

Was war der Auslöser für die Platte?

Es stand mein 50-jähriges Bühnenjubiläum an, 2021 mein 70. Geburtstag und seit 2000 bin ich trockener Alkoholiker. Das Alles musste mit einem Album gefeiert werden. Fabio Nettekoven ist auf die Idee gekommen, mit der Band in ihrer jetzigen Form aufzunehmen. Der Drummer Geert Roelofs und der Bassist Jo Didderen sind seit 2014 dabei, Fabio kam ein Jahr später dazu. In dieser Konstellation haben wir aber noch nie eine Aufnahme gemacht. Fabio hat sich dann unheimlich reingeschmissen, das Ganze organisiert und jetzt auch ein eigenes Label gegründet.

Wo ist das Album entstanden?

Letztes Jahr waren wir eine Woche lang im Dezember in den ehemaligen EMI-Studios am Maarweg. Der große Aufnahmeraum ist noch wie früher: Mit Teppichen, Lampen und all so Krimskrams. Da bekam man richtig Nostalgiegefühle.

Es ist Ihre elfte Platte – was war diesmal anders?

Es war zum ersten Mal, dass ich mich so aus der Produktion herausgehalten habe – und das hat mir gut getan. Ich habe sonst immer mitproduziert. Beim Abmischen muss man die Lieder 1000 Mal abhören – und am Schluss konnte ich mein eigenes Album nicht mehr hören. Jetzt brauchte ich nur ins Studio zu kommen, zu singen und meine Gitarre zu spielen. Alles andere hat Fabio gemacht. Ich habe erst die fertigen Songs gehört.

Der Klang auf „Dead Slow Stampede“ ist hinreißend, hat fast Cinemascope-Format.

Ja, gerade bei „Time for Mr. Blues“: das erinnert an die Musik von Morricone zu den alten Western. Es ist alles mit uralten Mikros, zum Teil auch mit alten Verstärkern aufgenommen worden, aber klingt unheimlich modern.

Apropos Blues. In fünf Liedern kommen „Blues“ oder „blue“ vor. Gibt es generell beim Blues Wörter oder Phrasen, die immer wieder auftauchen?

Ja, die gibt es. Ganz bekannt ist „I woke up this morning“. In der Blueslyrik gibt es bestimmte Phrasen – die sind frei, die kann jeder nehmen. Man kann aus Versatzstücken einen Blues zusammenschustern und hat einen fertigen Song.

Tagesaktuell ist ja „Break the chain“, ein Song über Corona. Wie lange, glauben Sie, können Sie ihn singen?

Es gehört zur Blueslyrik, dass auch historische Geschichten oder solche, die nur eine Zeit lang aktuell sind, in den Liedern dokumentiert werden. Etwa das Mississippi-Hochwasser 1927. Und so muss man „Break the chain“ auch sehen. Ich habe es sehr früh in der Pandemie geschrieben. Wo wir alle noch nicht wussten, was da auf uns zukommt.

Ein Lied heißt „Risk and chances“.

Ich bin immer ein Mensch gewesen, der Risiken eingegangen ist. Aber dann besteht auch die Gefahr, dass man unheimlich auf die Nase fällt (grinst).

Gibt es Chancen, die Sie dummerweise nicht ergriffen haben?

Als ich 1977 meine erste LP rausbrachte, habe ich den Fehler gemacht, auszuwandern. Die Platte hatte zwar hier in Deutschland einen unheimlich guten Start, bekam gute Kritiken. Aber weil in Köln nix los war, bin ich mit meiner damaligen Freundin für ein paar Jahre nach Montpellier gegangen. Eigentlich hätte ich hier vor Ort sein müssen, um meine Karriere weiter zu pushen. Irgendwie war ich aber nie so ein Karrierist... Eine Riesen-Karriere will ich bis heute nicht machen, ich bin froh, wenn ich davon leben kann. Dafür braucht man einen gewissen Bekanntheitsgrad. Aber einen Bekanntheitsgrad wie Niedecken zu haben, würde mich schon wieder einengen. Dann könnte ich nicht mehr einfach gemütlich irgendwo sitzen oder durch die Südstadt gehen.

Sie spielen Blues, tragen geflochtene Zöpfe - ist das „kulturelle Aneignung“?

Ich sage immer, das sind Wikinger-Zöpfe – damit habe ich jede Diskussion abgebrochen (lacht schallend). Scherz beiseite: Zöpfe gibt es überall auf der Welt. Meine hat meine Frau Joëlle geflochten, deren Mutter aus Britisch Guayana stammt, der Vater ist astreiner Bretone.

Und in Sachen Musik?

Beim Blues geht es doch nicht darum, ob man auf Baumwollfeldern gearbeitet hat, sondern ob man die Gefühle übertragen kann. Und die Mehrzahl der schwarzen Bluesmusiker stellt das überhaupt nicht infrage, sie arbeiten fast alle mit weißen Musikern zusammen.

„Dead Slow Stampede“ erscheint auf CD und Vinyl (Clementine Music). Am 4. Februar 2023 findet in der Comedia das Release-Konzert statt (20 Uhr,. Vondelstr. 4−8, Karten-Tel.: 0221/ 888 77 222.