Chordirektor Rustam Samedov spricht im Interview über die Premiere von George Bizets „Die Perlenfischer“ in konzertanter Aufführung.
Premiere der „Perlenfischer“ in Köln„Es gibt Zungenbrecher und Mordstempi – aber wir freuen uns darauf“
Ende des 19. Jahrhunderts beschrieb George Bizet ein Naturvolk in Ceylon. Dem Chor kommt eine zentrale Rolle zu, da er die Gefühlswelt der Protagonisten spiegelt. Jan Sting sprach mit Chordirektor Rustam Samedov (43) über Wassergeister und Wetterphänomene.
In George Bizets Perlenfischern ist der Chor ständig präsent. Wie ist das für die Sängerinnen und Sänger? Ich kenne nicht viele Opern dieser Art.
Für den Chor ist das eine schöne, große Aufgabe und mit vielen Gefühlen verbunden. Wir alle kannten das Stück nicht, und es macht uns sehr großen Spaß. Gesanglich ist das zwar keine Erholung, es gibt Zungenbrecher und Mordstempi. Aber wir freuen uns darauf.
Französisch ist das Original, singt der Chor das auch?
Ja. Und es sind Sachen dabei, bei denen wir schon im Deutschen sagen würden, dass das jetzt aber sehr schnell ist. Natürlich müssen wir an der Sprache arbeiten. Das hält uns aber alle wach. Und wir haben ja Muttersprachler im Chor. Ich bin denen sehr dankbar.
Gleichzeitig laufen gerade die Proben für die neue Oper von Ondřej Adámek. Schon eine Woche nach der Premiere der „Perlenfischer“ ist die Uraufführung von „INES“.
Moderne und Romantik laufen derzeit bei uns parallel. Da sind in der Probe zu „INES“ alle Synapsen mit dem Rhythmus beschäftigt und bei den „Perlenfischern“ gibt es diese Arien und das berühmte Freundschafts-Duett „Au fond du temple saint“. Das ist schon ein echter Hit. Mit dem Gürzenich-Orchester und dem Dirigenten Nicholas Carter kam von der ersten Probe so ein Schwung rein.
Der Chor begleitet emotional die Entwicklung von Nadir und Zurga, die sich beide in Leïla verlieben, dieser Liebe aber aufgrund ihrer Freundschaft zuerst abschwören. Welche Rolle spielt der Chor in dieser Dreiecksgeschichte?
Also, wir stehen nicht nur an der Seite und kommentieren das. Wir spiegeln die Gefühlswelt der Sänger, sind immer dabei. Wir fühlen mit dem, was die Protagonisten gerade erfahren.
Leïla soll als Priesterin die Wassergeister beschwören, Meeresstürme durch ihren Gesang verhindern. Wie lässt sich das in die heutige Zeit transportieren, in der wir wissen, dass das Wetter ganz anderen Gesetzen folgt?
Ich glaube eben noch an Märchen.
Bizet beschrieb 1886 musikalisch ein Naturvolk in Ceylon, dem heutigen Sri Lanka. Der Job der Perlenfischer ist aber sicher nicht immer schön...
Da muss man schon eine große Lunge haben. Ja. Ich hoffe, dass meine Tenöre, meine Soprane und mein Bass und mein Alt, dass wirklich alle an diesem Opernabend eine wirklich große Lunge haben, um die musikalischen Perlen nach oben zu holen (lacht).
Die Aufführung ist konzertant, was bedeutet das für den Chor, der dann immer auf der Bühne steht und nicht in einer der zwanzig Szene eigens auftreten kann?
Es gibt eine Stelle, die muss von weit weg klingen. Wir haben aber unsere Tricks und Geheimnisse, die ich nicht verraten will. Knifflig wird es, wenn der Chor erst nach dem Rufen auftritt. Wir werden das auf der Bühne vokaltechnisch präsentieren. Manches müssen wir eben aus dem Off singen.
Für einen Opernchor ist es aber trotzdem schade, auf der Bühne so wenig in Aktion zu sein.
Ich muss sagen, der Konzentration auf die Musik tut das gut. Wenn sich ein Chor den Aufgaben widmet, die sich die Regisseure manchmal ausdenken, ein Rad dreht, im Liegen oder hinter dem Vorhang singen muss, kommen diese Effekte eher dem Theater zugute.
Für seine musikalische Leistung wurde Ihr Chor 2020 mit dem „Oper!Award“ geehrt.
Ich durfte auch in anderen Häusern gastieren. Aber als ich wieder nach Köln zurückkam, haben meine Leute es mir schon an den Augen angesehen, wie glücklich ich bin, wieder da zu sein. Ich bin fasziniert, mit welcher Leidenschaft die das machen.
Seine musikalische Ausbildung hat Rustam Samedov im Alter von sechs Jahren in den Hauptfächern Klavier und Gesang an der Chorschule der Staatlichen Akademischen Kapella in St. Petersburg begonnen. Nach dem Abitur in Berlin folgte das Studium an der dortigen Hochschule für Musik „Hanns Eisler“. Danach war er mehrfach für Dirigate von Opern, Operetten und Sinfoniekonzerten engagiert und betreute zahlreiche Einstudierungen als Studienleiter und Chordirektor, unter anderen bei den Stuttgarter Philharmonikern und beim Philharmonischen Chor Berlin. Mit Beginn der Spielzeit 2018/19 übernahm er die Funktion des Chordirektors der Oper Köln.
Die Premiere der Oper „Perlenfischer“ von George Bizet ist am nächten Sonntag, 18 Uhr, in Saal 2 des Staatenhauses. Die Rolle der Leïla singt Sara Blanch, den Nadir singt Anthony Leon, Insik Choi den Zurga und Nourabad Chrisoph Seidl/Lucas Singer. Weitere Aufführungen sind 11. und 20. Juni, jeweils um 19.30. (jan)