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Gute Zeilen, schlechte ZeilenImmer mehr Schauspieler schreiben Romane – nicht immer gute

Lesezeit 5 Minuten
Auch „Tatort“-Star Axel Milberg ist unter die Autoren gegangen.

Auch „Tatort“-Star Axel Milberg ist unter die Autoren gegangen. 

Bekannte Schauspieler wie Axel Milberg und Andrea Sawatzki veröffentlichten Romane, oft inspiriert von persönlichen Erlebnissen, jedoch mit gemischten Kritiken.

Axel Milberg tut es, Caroline Peters auch, und Andrea Sawatzki sowieso, „Tatort“-Mimen ebenso wie Hollywoodstars: Romane zu schreiben ist für Schauspieler mittlerweile beinahe so normal wie Texte zu lernen und vor der Kamera zu stehen. Die Zeiten sind vorbei, als Stars höchstens ihre Memoiren zu Papier brachten, womöglich noch mit Hilfe eines Ghostwriters, oder Kochbücher verfassten. Immer mehr Darsteller werden Schriftsteller. Stellt sich natürlich die Frage: Wie gut sind die belletristischen Ergüsse von Menschen, die hauptberuflich Texte von anderen vortragen, eigentlich?

Roman von Axel Milberg: Pointenarm und reizlos?

Folgt man den Kritiken, dann reicht die Spanne von grottig bis genial. Hymnische Besprechungen bis hin zur Aufforderung „Schreiben Sie weiter!“ erhielt die 53-jährige Caroline Peters („Mord mit Aussicht“) für ihr Romandebüt „Ein anderes Leben“ über eine komplizierte Patchworkfamilie. Schlechter erging es „Tatort“-Star Axel Milberg, dessen bisher einzigen Roman „Düsternbrook“ der Deutschlandfunk als pointenarme und reizlose Anekdotensammlung abkanzelte. Milbergs erfolgsverwöhnter Kollege Ulrich Tukur musste für seinen Roman „Der Ursprung der Welt“, dessen Story zwischen Nazizeit und naher Zukunft pendelt, ebenfalls herbe Kritik einstecken: Die FAZ monierte gespreizte Sätze und Charaktere, die bloße Pappfiguren bleiben. Und über den Roman „Vor dem Anfang“ des großartigen Burghart Klaussner („Das weiße Band“) schrieb ein Schweizer Kritiker lapidar: „Große Kunst ist das sicher nicht.“ In solchen Fällen folgt dem Debütroman dann oft kein zweiter. Doch auch wenn Starruhm nicht vor Verrissen schützt: Belletristik von Schauspielern boomt. Oft ist die Handlung autobiographisch grundiert – Autofiktion nennt sich die Mischung aus Bekenntnis und Erfindung. Jörg Hartmann etwa, bekannt als exzentrischer Dortmunder „Tatort“-Kommissar, erzählt in „Der Lärm des Lebens“ von seinen Eltern und Großeltern. Sabin Tambrea („Babylon Berlin“) beleuchtet in „Vaterländer“ die Geschichte seiner rumänisch-ungarischen Familie. „Pastewka“-Star Matthias Matschke, aufgewachsen in der Nähe von Darmstadt, schreibt in „Falschgeld“ über eine Kindheit und Jugend in der hessischen Provinz der 80er-Jahre.

Christian Berkels Romane „Der Apfelbaum“ und „Ada“ beleuchten eindrücklich seine jüdische Familiengeschichte – im Mai will er mit „Sputnik“ den dritten Teil nachlegen, dessen Handlung in die 70er-Jahre führen soll und sich unter anderem ums wilde Theaterleben jener Zeit dreht. Und Berkels Frau, Schauspielerin Andrea Sawatzki, verarbeitete 2022 in „Brunnenstraße“ ihre schwierige Kindheit. Als Autorin ist sie freilich schon viel länger aktiv, ihre launigen Romane über die fiktive Familie Bundschuh wurden schon mehrfach fürs ZDF verfilmt – mit ihr in der Hauptrolle als gestresste Mutter Gundula. Deren Ehemann Gerald wird aber nicht von Christian Berkel gespielt, sondern von Axel Milberg. Als Erklärung dafür sagt Andrea Sawatzki: „Ich hatte Christian zwar für die Rolle des Ehemannes Gerald im Auge, aber er hatte dann die Sorge, dass man uns mit den Bundschuhs zu sehr vergleicht.“

Verlockende Chancen für die Verlage

Für die Verlage sind die namhaften Autoren verlockend, denn die Vermarktung von Büchern bekannter TV-Gesichter fällt leichter als die von unbekannten Schreibern. „Wenn ich Buchhalter wäre, wäre es mir wahrscheinlich schwerer gefallen, als über 50-jähriger Debütant einen Verlag zu finden“, weiß Schauspielstar Matthias Brandt, dessen tragikomischer Roman „Blackbird“ viel Anerkennung fand. Aktuell stehen weitere Schauspieler-Dichtungen in den Startlöchern: Andrea Sawatzki legt demnächst mit „Biarritz“ nach, und „Tatort“-Star Jasna Fritzi Bauer plant für Mai die Veröffentlichung ihres ersten Romans. „Else“ soll die Emanzipationsgeschichte einer Frau in der Bundesrepublik der 60er schildern, die heimlich den Taxischein macht. Mit einem Problem haben fast alle schreibenden Mimen zu kämpfen: Die Skepsis von Kritik und Leserschaft, die ihnen entgegenschlägt, der Vorbehalt, dass da literarisch nur leichte Kost zu erwarten sei. Aber überraschend vielen aus der Schauspielzunft gelingt es, derlei Vorurteile zu entkräften. „Hubert ohne Staller“-Star Michael Brandner etwa überzeugte mit seinem Buch „Kerl aus Koks“ viele Leser, und die Story des Schickeria-Romans „Bavarese“ von Leo Reisinger („Toni, männlich, Hebamme“) wird von einem Rezensenten bei Amazon sogar in eine Reihe mit „Monaco Franze“ und „Kir Royal“ gestellt.

Warum wollen Schauspieler Bücher schreiben?

Aber warum greifen Schauspieler zur Feder, statt bei ihren Leisten zu bleiben? „Einen Text zu verfassen, eine ganze Welt zu kreieren, ist ein viel persönlicherer Vorgang“, sagt Johann von Bülow, dessen Roman „Roxy“ von einer Männerfreundschaft handelt. Er glaube zudem, dass das Schreiben für viele aus seiner Zunft eine Art Selbstermächtigung sei, nach dem Motto: „Jetzt habe ich jahrzehntelang als Schauspieler gemacht, was die Regisseure gesagt haben, jetzt will ich endlich auf die andere Seite und selber Regie führen.“ Vielleicht ist es ein Stück weit auch die Hoffnung auf bleibenden literarischen Nachruhm – in Anlehnung an Hölderlins Zitat „Was bleibet aber, stiften die Dichter“. In einer Sache sind sich Branchenkenner einig: In Deutschland war es der sensationelle literarische Erfolg von Joachim Meyerhoff, der den Boom schreibender Schauspieler auslöste. Der Saarländer war Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater, in Zürich spielte er den Hamlet. Richtig berühmt wurde er aber mit seiner Romanreihe „Alle Toten fliegen hoch“, die seit 2011 in loser Folge erscheint und sich schon an die drei Millionen Mal verkauft hat. Kürzlich hat Meyerhoff mit „Man kann auch in die Höhe fallen“ Teil sechs vorgelegt – er wurde sofort zum Erfolg. In den USA ist es schon länger üblich, dass Schauspieler Romane schreiben, sogar Hollywoodstars greifen zum Griffel. So erzählt Steve Martin in „Shopgirl“ von einer Handschuhverkäuferin in Beverly Hills. Oscar-Preisträgerin Reese Witherspoon will 2025 einen Thriller veröffentlichen, den sie gemeinsam mit Bestseller-Autor Harlan Coben verfasst hat – eine Verfilmung ist in Vorbereitung.