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Horst H. Baumann im MAKKDen Fotostar, den niemand kennt

Lesezeit 3 Minuten
Horst H. Baumann Karussell 1957

Diese staunenden Kinder fotografierte Horst H. Baumann 1957.

Horst H. Baumann gehört zu den Fotografen, die es immer noch zu entdecken gilt. Das Museum für Angewandte Kunst Köln widmet ihm jetzt eine Ausstellung.

Horst H. Baumann war einer der ganz großen Fotografen. Wie kann es sein, dass ihn niemand kennt? Zum einen liegt das daran, dass der 1934 in Aachen geborene Baumann sein Werk in den Nachkriegsjahrzehnten schuf, als man noch weit davon entfernt war, einen Fotografen für einen Künstler oder überhaupt einen seriösen Berufstätigen zu halten.

Zumindest in Deutschland war das so. Kurator Hans-Michael Koetzle hat Baumanns Schaffen, noch bevor dieser 2019 starb, aufmerksam verfolgt. Aus seinen Recherchen ist die profunde Ausstellung „Apropos Visionär – Der Fotograf Horst H. Baumann“ entstanden.

Deutsche Tristesse

In Mannheim feierte sie in den Reiss-Engelhorn Museen Premiere, von dort übernahm sie jetzt das Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK). Vielleicht hatte Baumann zu viele Talente.

In den frühen 1950er Jahren zeigte er den Deutschen die Tristesse ihrer prekären Lebensverhältnisse. Vor allem mit atemberaubenden Fotografien der Kinder dokumentierte er den Zustand des Landes. Baumann verstand sich nicht als Künstler und besaß kein Konzept.

Dennoch geht man durch diese Ausstellung und stellt verwundert fest, dass diesen Fotografien die Qualität eines Henri Cartier-Bresson, eines Robert Frank oder eines Herbert List innewohnt.

Bedeutung der Farbfotografie

Vor Stephen Shore oder William Eggleston entdeckte er in den 1960er Jahren die Bedeutung der Farbfotografie. Ein Kinderwagen auf dem Rummel im Ruhrgebiet oder eine Totale mit den Leuchtschriften des amerikanischen Westens. Baumann war schon da, bevor solche Sujets im Museum landeten.

Zum üppigen Konvolut der Ausstellung gehört ein Kapitel zur Kultzeitschrift „TWEN“, die in Köln am Ebertplatz ihre Geburt erlebte und zu deren festem Redaktionsstamm Horst H. Baumann gehörte. So dass er nach einem Kaffee bei Campi auch eben einmal im Studio des WDR unvergleichliche Aufnahmen von Juliette Greco schießen konnte.

Entdeckung der Laser-Kunst

Obwohl Baumann für den Markt der Illustrierten – und dort vor allem für den „STERN“ – arbeitete, setzte er nie auf den bloßen visuellen Effekt hin, sondern komponierte Bilder. In jedem findet sich der Impetus, die Welt verstehen zu wollen.

Nur bis in die 1970er Jahre stellte die Fotografie für Baumann noch ein Erkenntnisinstrument dar. Dann wandte er sich der Laser-Kunst zu.

Für die documenta 6 entwarf er 1977 den grünen Laserstrahl, der heute noch zu den Wahrzeichen Kassels gehört. Auch Düsseldorf erhielt mit Baumanns Konzept des Licht-Zeit-Pegels am Rheinturm 1981 ein ikonisches Erkennungszeichen.

Verarmt gestorben

Dieses Projekt musste er jedoch selbst finanzieren und ging daran zugrunde. Vor vier Jahren starb Baumann verarmt in Düsseldorf.

Die Ausstellung enthält ein Füllhorn fotografischer Meisterwerke. Neben im besten Sinne lyrischer Street Photography findet sich Werbefotografie, die nur so strotzt vor sinnlicher Körperlichkeit — auch wenn auf dem Foto bloß ein Auto zu sehen ist.

In der Arbeitswelt und in Fotoreportagen aus dem Ruhrgebiet zeigt Baumann eine visuelle Sensibilität, die kein politisches Engagement braucht, um zu wirken. Faszinierend auch, wie er die Welt der Formel I vor unseren Augen entfaltet, ihre Energie, ihren Chic und ihre tödliche Realität.

Schlechte Ausstellungsfläche

Die Ausstellungsfläche im oberen Stockwerk des Museums ist geradezu gepflastert mit Material. Durch die schiere Menge verliert das Einzelbild zwangsläufig an Wirkung. Eingezwängt in das enge Korsett dieser Raumsituation, wird Baumanns Fotografie dem Publikum nicht mehr als Kunst präsentiert, sondern als visuelle Sensation. Das ist schade, da Hans-Michael Koetzle hier wunderbar stringent kuratierte.

Bis 28.1.2024, geöffnet Di bis So 10–18 Uhr. An der Rechtschule 7. Die Publikation zur Ausstellung ist im Steidl Verlag (48 Euro) erschienen.