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Unvergessene Hits1984 – Das Jahr, als der Pop explodierte

Lesezeit 5 Minuten
Tina Turner

Tina Turner

Vor 40 Jahren brachten Stars wie Madonna, Tina Turner, Bruce Springsteen oder Prince wegweisende Platten heraus. Axel Hill über den Soundtrack seiner Sturm-und-Drang-Zeit

1984 war im Rückblick das Jahr, in dem die Popmusik ein wahres Feuerwerk abfackelte: Eine Vielzahl von Songs, die heute Evergreens sind, erblickte das Licht der Welt. Axel Hill, seinerzeit frisch gebackener Abiturient und Neu-Kölner, schreibt über den Soundtrack seiner Sturm-und-Drang-Zeit und die Lieder langer Nächte.

„Relax“ – Frankie Goes To Hollywood

Ein höchst anzüglicher Text, ein wüstes Video — kein Wunder, dass die BBC den Bann über die erste Single der Band aus Liverpool verhängte, und somit nicht zum ersten Mal ein Lied auf diesem Weg auf Platz 1 beförderte. Aber die Platte ist unglaublich gut gemacht: Die Beats treiben, Holly Johnsons durchdringende Stimme erreicht auch die letzten Winkel jenseits der Tanzfläche. Es war das Jahr der Frankies, drei Nummer-eins-Hits, die dritte Single „The power of love“ ist bis heute ein Weihnachtsklassiker. Aber nichts geht über „Relax“.

„What's love got to do with it“ – Tina Turner

Ende 1983 machte sich Tina Turner daran, ihrer Karriere zu neuem Schwung zu verhelfen, unterstützt von vornehmlich englischen Produzenten. „What's love got to do with it“ mit seinem leichten Reggae-Rhythmus wird die erfolgreichste Single ihres Albums „Private Dancer“, das Video zur Ikone, die Accessoires, die sie darin trägt zum Markenzeichen: High Heels, kurzer Rock, wilde Löwenmähne. Das sicherlich größte Comeback der Pop-Geschichte.

„Like a virgin“ – Madonna

Natürlich hatte Madonna mit „Holiday“ im Jahr zuvor ihren ersten Hit, doch zum Pop-Superstar wurde sie mit ihrem Auftritt bei der ersten Ausgabe der MTV Video Music Awards: Sie eröffnete die Show auf einer Hochzeitstorte, trug ein zerfetztes Brautkleid, ihren Boy-Toy-Gürtel und spielte mit Rosenkränzen – Provokation, die seinerzeit aber noch leichtfüßiger und verspielter daherkam.

„When doves cry“- Prince

„Vielleicht bist du wie meine Mutter — sie ist niemals zufrieden“ heißt es in „When doves cry“ und Prince sang damit vielen jungen Menschen aus dem Herzen. Das Lied mit dem vertrackten Rhythmus ist eine der fünf Singles aus dem Album „Purple Rain“, auf dem der Mann aus Minneapolis seine große musikalische Bandbreite auf zwei Plattenseiten kondensierte: poppiger Soul, Blues-Rock mit kreischenden E-Gitarren und betörend Sinnliches.

„Wake me up before you go-go“, „Careless Whisper“ und „Last Christmas“ – Wham

Zuvor waren George Michael und Andrew Ridgeley ob ihrer Unbedarftheit belächelt worden, 1984 knackten sie den Erfolgscode: mit dem mitreißenden Jive von „Wake me up before you go-go“, dem Saxofon-verzierten Herzschmerz von „Careless whisper“ (das uns Erkenntnis bescherte, dass „schuldige Füße keinen Rhythmus fühlen“) und last, but not least, „Last Christmas“, dem unverwüstlichsten aller Weihnachtslieder. Mehr und mehr wurde klar, was für ein exzellenter Songschreiber George Michael war, seine Solokarriere sollte dies bestätigen.

„High energy“ – Evelyn Thomas

Henne oder Ei? Was war zuerst da: die Musikrichtung oder das Lied von Evelyn Thomas. So oder so demonstriert die Single dieses One-Hit-Wonders exemplarisch das ekstatisch pulsierende Gewummer, über das sich der Gesang einer starken Frauenstimme legt und auf das DJs in diesem Sommer und darüber hinaus setzen.

„Born in the U.S.A.“ – Bruce Springsteen

Der Boss veröffentlichte im Juni 1984 sein Überalbum (es wird das meist verkaufteste seiner Karriere) und die gleichnamige Single, eine Abrechnung mit dem amerikanischen Traum, die aber von vielen missverstanden wird.

„Männer“ – Herbert Grönemeyer

Noch einer, der 1984 schon ein paar Geschäftsjahre auf dem Buckel hatte und nun richtig durchstartete: Mit der Single „Männer“ und dem alles überragenden Album „4630 Bochum“ (damals, als die Postleitzahlen noch vierstellig waren). Spätestens ab diesem Jahr konnte man sich der Klugheit seiner Texte und seiner musikalischen Vielfältigkeit nicht mehr verschließen.

„Smooth operator“ – Sade

Vor allem in England versucht man sich daran, Jazzeinflüsse popkompatibel zu gestalten – und keinem gelang das so elegant wie Sade. Förmlich in sich selber ruhend, ohne groß die Stimme erheben zu müssen, rechnet sie in „Smooth operator“, der ersten Single ihres Albums „Diamond Life“ mit einem Liebes-Halunken ab, der „die Augen eines Engels, aber ein kaltes Herz“ hat, ein Typ von der Sorte, wie sie einem immer wieder über den Weg liefen. Musikalisch hat sich Sade faszinierenderweise über die Jahre nie groß gewandelt. Musste sie auch nie.

„Girls just wanna have fun“ – Cyndi Lauper

Quietschbunter Secondhand-Look, eine nasal quäkende Stimme – Cyndi Lauper fielt optisch und akustisch auf mit dieser „Ich bin ein emanzipierter Teenager“-Nummer, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt selbst die 30 schon hinter sich gelassen hatte. Aber die Ausgelassenheit, das Rotzig-Aufmüpfige ist bis heute ansteckend.

„Small town boy“ – Bronski Beat

Parallel zum Ausbruch der AIDS-Epidemie wird die Sichtbarkeit von Schwulen und Lesben größer, Musikerinnen und Musiker tragen erheblich dazu bei, etwa Bronski Beat und ihr „Small town boy“: Die Geschichte eines Jungen, der in der Kleinstadt aufgrund seiner Sexualität gemobbt und drangsaliert wird, um dann in einer Metropole sein Glück zu finden. Elektro-Pop mit einer Botschaft, die Hoffnung verspricht.

„I just called to say I love you“ – Stevie Wonder

Er ist einer der großartigsten Musiker, hat im Laufe seiner Karriere viele fantastische Platten gemacht. Aber zu diesem klebrig-süßen Synthie-Schmachtfetzen schieben sich nach wie vor verliebte Paare über die Tanzflächen. Warum auch immer.

„Big in Japan“ – Alphaville

Warum das mit der ganz großen Karriere bei Alphaville nicht geklappt hat – ein Rätsel. 1984 hauten sie mit „Big in Japan“, „Sounds like a melody“ und „Forever young“ drei Singles von internationalem Format raus.

„Do they know it's Christmas?“ – Band Aid

Die Mutter aller Benefiz-Singles. Kurz vor Weihnachten kam die britische Pop-Elite zusammen: Paul Young, Simon Le Bon, Bono, Phil Collins, Sting, Boy George, Tony Hadley und viele mehr wollen mit diesem Lied Geld für die Hungernden in Äthiopien sammeln. Ein lobenswertes Anliegen, von überwältigendem Erfolg gekrönt – und dabei nach wie vor ein exzellentes Stück Popmusik.