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HaushaltsentwurfStadt Köln plant drastische Streichungen im Kulturbetrieb

Lesezeit 5 Minuten
Beim Festival Acht Brücken spielte auch das Asasello Quartett.

Beim Festival Acht Brücken spielte auch das Asasello Quartett.

Im Zuge der Konsolidierung legte die Verwaltung im Haushaltsplan zahlreiche Kürzungen und Streichungen für die Kultur vor.

Schockstarre machte sich gestern bei zahlreichen Kulturträgern breit, als ihnen klar wurde, wie gravierend sie vom Streichkonzert im Zuge der Haushaltskonsolidierung betroffen sein dürften. Es trifft viele Leuchtturmprojekte – Festivals, Ensembles wie Concerto Köln, den Interessenverband der Kölner Clubs „Klubkomm“ oder Kunstinstitutionen wie die Temporary Gallery.

Hauen und Stechen

Nun hoffen alle darauf, dass in der Politik das Schlimmste abgewendet wird, wenn die Fraktionen beraten und mit einem Veränderungsnachweis womöglich doch das eine oder andere noch retten. Durchweg sehen die Betroffenen Verteilungskämpfe, ein Hauen und Stechen auf sich zukommen.

Acht Brücken soll die städtische Beteiligung mittelfristig nicht mehr erhalten. 2026 sind die Zuschüsse für das Prestigeprojekt in der zeitgenössischen Musikaufführung bereits auf Null gesetzt, nachdem es in diesem Jahr einen Betriebskostenzuschuss von 421 500 Euro gab und für 2025 noch einmal 450 000 Euro veranschlagt sind.

Das ist ein Drittel des Budgets. Nun sondiert die GmbH, wie es sich mit den Förderungen durch das Land NRW und die Kunststiftung NRW verhält, wenn die Stadt ihren Zuschuss streicht. „Acht-Brücken-Musik für Köln spielt eine bedeutende Rolle in der zeitgenössischen Musikaufführung – und -bewahrung und ist in den 14 Jahren seines Bestehens zu einer international bekannten Marke geworden“, sagt Louwrens Langevoort, Gesamtleiter des Festivals. „Wir hoffen, dass alle diese Argumente in der politischen Diskussion aufgegriffen werden.“ In diesem Jahr erreichte das Festival 15 000 Besuchende. 2023 waren es 17 000 Besucher und vor Corona erreichte Acht Brücken mehrfach 24 000 Besuchende mit diversen KölnMusik-Kooperationen mit vollem Haus der Kölner Philharmonie.

Aus für Akademie der Künste der Welt?

Die Akademie der Künste der Welt wird im laufenden Jahr mit 981 000 Euro gefördert, bereits im kommenden Jahr soll auf 380 400 Euro gekürzt und dann gar nichts mehr gezahlt werden. Man befürchtet in der Akademie die Einstellung des Ausstellungsbetriebs und der Residenzprogramme, die jedes Jahr internationale Künstlerinnen und Künstler nach Köln bringen und den interkulturellen Austausch fördern.

„Ebenso wäre der geplante Ausbau der Vermittlungsprogramme, die insbesondere Jugendliche und marginalisierte Gruppen erreichen, nicht mehr realisierbar“, erklärt Sprecherin Janna Dittmeyer. Das gelte auch für das Ziel, die Akademie als inklusiven und diversen Begegnungsort zu etablieren. Die Cologne Jazzweek soll im kommenden Jahr keine Zuschüsse mehr bekommen, 2024 sind es noch 250 000 Euro.

Janning Trumann, der vor fünf Jahren das Cologne Jazz Festival aus der Taufe hob, sagt: „Wir erhalten internationale Aufmerksamkeit“. Zuletzt wurde der Deutsche Jazzpreis in Köln verliehen. Trumann und fragt sich, ob er nun bereits terminierte Konzerte und Künstler wieder absagen soll. „Ich weiß nicht, welche Perspektive ich meinem Team noch geben kann.“

Kulturdezernent Stefan Charles hätte seiner Ansicht nach Prioritäten setzen, kulturelle Visitenkarten für die Stadt würdigen müssen. Nun werde Kahlschlag ohne Unterscheidung betrieben, für eine Musikstadt wie Köln dürften die Konsequenzen seiner Ansicht nach fatal sein. Wie Thomas Gläser von der Initiative Freie Musikszene erklärt, will man innerhalb der Szene Prioritäten setzen und vorschlagen.

Shalom-Musik Köln erhält in diesem Jahr 100 000 Euro, danach soll es nichts mehr geben. Claudia Hessel, Vorstandsvorsitzende des Kölner Forum für Kultur im Dialog, fürchtet, dass es für das alle zwei Jahre stattfindende Festival der Jüdischen Musik schwierig wird und äußert ihr Unverständnis: wurde 2021 unter dem Titel 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland die jüdische Gemeinde in Köln als älteste nördlich der Alpen gefeiert, habe danach vor allem das Shalom-Festival Kontinuität im Dialog bewiesen.

Jüdische Musik als Botschaft

„Es wurden große Feste gefeiert, danach ist alles wie ein Soufflé zusammengesunken“, sagt Hessel. Die Kölner seien offen und liberal, hätten das Festival mit 8000 Besuchern und noch einmal 2000 Besuchern im Rhein-Erft-Kreis wissbegierig aufgenommen. „Wir setzen damit ein Zeichen gegen Antisemitismus.“ Jüngst habe ihr ein jüdischer junger Mann aus Berlin noch gesagt, dass er sich in Köln sicher fühle. Die jüdische Musik sei eine wichtige Botschaft.

Concerto Köln versteht sich auch als Repräsentant für das ausgezeichnete Level in der historischen Aufführungspraxis. Konzerte gab es jüngst in der Schweiz, in Frankreich oder den Niederlanden. „Für 2026 haben wir eine Anfrage für ein Konzert in der Carnegie Hall in New York“, sagt Cellist und künstlerischer Leiter Alexander Scherf. Allerdings müsse man da das Geld quasi mitbringen. Dass der derzeitige Zuschuss von 100 000 Euro bereits im kommenden Jahr entfallen soll, trifft die Musiker. Man müsste Personal entlassen, könnte keine Mindesthonorare wie vorgeschrieben bezahlen und auch keinen Manager.

„Wir würden viele Konzertanfragen nicht mehr annehmen können“, sagt Scherf. Neben den festen Ensemblemitgliedern würden viele Freie Musiker engagiert, man sei in dem Bereich einer der größten Arbeitgeber, was sich 2024 mit 3500 Arbeitstagen für freie Musiker beziffern lasse. Bereits zweimal hat das Ensemble den Opus-Klassik-Preis gewonnen. Ehrendirigent ist Kent Nagano.

Inhaltliche Diskussionen ausgeblieben

Reaktionen der Politik: „Ich finde es schon ein starkes Stück, dass sämtliche inhaltliche Diskussion ausbleibt und die Kämmerei bestimmt, was gekürzt wird“, so Lorenz Deutsch (FDP) „Ich frage mich, ob mit dem Dezernenten gesprochen wird. Da müsste er doch als oberster Lobbyist der Kölner Kultur agieren.“ Für Ralph Elster (CDU) ist klar: „Das kann so nicht bleiben, wir müssen da ziemlich viel korrigieren.“ Brigitta von Bülow (Grüne) will nun sehen, „wo wir Gegensteuermaßnahmen entwickeln sollen“.

Und Maria Helmis (SPD), die auch Aufsichtsratsvorsitzende der Akademie ist, sagt: „Ich halte das für Wortbruch, wenn vorangestellt wird, man wolle nicht in den Strukturabbau gehen.“