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„Hairspray“ in BonnMusical-Spaß mit ernster Botschaft

Lesezeit 4 Minuten
Hairspray Bonn 2024

Temperamentvolles Duo: Antonia Tröstl als Tracy und Yannick-Muriel Noah als Motormouth Maybelle.

An der Oper Bonn wird das Musical „Hairspray“ bei seiner Premiere stürmisch gefeiert.

„Ich finde es einfach nur schwachsinnig, dass wir nicht einfach alle zusammen tanzen dürfen!“ macht Teenager Tracy Turnblad ihrem Unmut Luft.

Wir befinden uns im Baltimore des Jahres 1962. Tracy, ihres Zeichens Fan der „Corny Collins Show“, hätte das Zeug dazu, in der TV-Sendung mitzutanzen – aber auch zu viele Pfunde auf den Rippen, um Gnade vor den Augen der Produzentin zu finden.

Das ist der Ausgangspunkt des Musicals „Hairspray“, das jetzt in einer neuen Inszenierung an der Oper Bonn eine bejubelte Premiere feiert.

Verfilmt mit John Travolta

„Hairspray“ – das war 1988 ein Film von John Waters mit Divine. 2002 wurde daraus ein Bühnenmusical, das wiederum 2007 verfilmt wurde (unter anderem mit John Travolta und Christopher Walken). Im Kölner Musicaldome spielte von 2009 bis 2010 Maite Kelly die Tracy, ihre Mutter Edna verkörperte Uwe Ochsenknecht.

Mit der Besetzung dieser beiden Rollen steht und fällt die jeweilige Inszenierung – und in Bonn hat man da alles richtig gemacht: Antonia Tröstl hat eine ausgezeichnete Stimme, den nötigen Schwung für die ausgetüftelten Choreographien (Sabine Arthold), und vor allem versprüht sie einen ungeheuren Charme.

Enrico De Pieris Kunststück

Und Enrico De Pieri gelingt ein echtes Kunststück: Er spielt die nörgelnde, aber herzensgute Matrone Edna mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass man sich keinen Moment lang Gedanken darüber macht, dass hier ein Mann in Frauenkleidern steckt.

Tracy schafft es selbstredend in die Show, ergattert sich dazu einen Platz im Herzen des schönen Link (Fin Holzwart) und setzt damit ein Zeichen für „Body positivity“. Für sie spricht, dass sie ihre leicht nerdige beste Freundin Penny (Friederike Zeidler) nicht im Stich lässt – und sich dafür starkmacht, dass Schwarze und Weiße gemeinsam in der Sendung tanzen dürfen.

Viele Hits und ernste Worte

So wird das Musical, wie schon der Originalfilm von John Waters, zum Statement gegen Rassismus und Diskriminierung. Mit einer Leichtigkeit werden hier exzellente Unterhaltung und eine (gesellschafts-)politische Botschaft kombiniert.

Die Songs von Marc Shaiman (der unter anderem sehr viel mit Bette Midler zusammengearbeitet hat) sind eingängig und orientieren sich an vielen Hits der 1960er Jahre, mehr als nur einmal hat man das Gefühl, dass man die eine oder andere Melodielinie schon einmal irgendwo gehört hat.

Broadway-taugliche Umsetzung

Jede Menge Schubididu, ganz viel Doo-whop und noch mehr Fingerschnipsen tragen von Song zu Song und lassen den ersten Akt im Flug vergehen. Der musikalische Leiter Jürgen Grimm, das ausgezeichnete Orchester und die hervorragenden weiteren Solisten wie Maickel Leijenhorst (Seaweed), Matthias Schlung (Corny Collins), Tara Friesel (Inez), Kerstin Ibald (Velma) oder Kara Kemeny (Amber) setzen die Nummern durchaus Broadway-tauglich um.

Zwei Lieder fallen an diesem Abend aus dem Rahmen: „Du bist zeitlos für mich“ ist ein Nostalgieschieber, in dem Edna und ihr Mann Wilbur (Mark Weigel) ihre Liebe beschwören – und dabei wie in jeder Inszenierung auch in Bonn (Regie: Erik Petersen) so tun dürfen, als würden sie aus der Rolle fallen.

Der dramatische Höhepunkt ist „Ich weiß, wo ich war“, eine Gospelnummer, die von der Unterdrückung durch die Weißen erzählt. Opernensemble-Mitglied Yannick-Muriel Noah holt als Plattenladenbesitzerin Motormouth Maybelle unglaublich viel Soul aus ihrer klassisch geschulten Stimme, um das Ganze mit ein paar Soprannoten zu verzieren. Das Lied an sich erzeugt schon Gänsehaut, Yannick-Muriel Noahs Version lässt einem den Atem stocken.

„Niemand stoppt den Beat“ – lautet der Titel der mitreißenden Schlussnummer, bei der sich Tracys Traum erfüllt und wirklich alle, egal, welches Alter, welche Hautfarbe, welches Körpergewicht, miteinander tanzen.

Was macht David Bowie in Bonn?

Mit dieser Botschaft im Ohr verlässt man gut gelaunt das Theater, in dem Bewusstsein einen Abend erlebt zu haben, an dem wirklich alles stimmte und alle Beteiligten ihr Herzblut über die Rampe in den Zuschauerraum fließen ließen.

Nun gut, dass Seaweed in der Szene im Laden von Motormouth Maybelle eine Schallplatte in den Händen hält, deren Cover wie die Rückseite von David Bowies 1983-Album „Let's Dance“ aussieht, fällt sicher nur Fans des Sängers auf und ist vielleicht ein Insider-Gag von Bühnen- und Kostümbildner Dirk Hofacker.

150 Minuten (inkl. Pause), wieder am 27.10., 1. und 3.11., je 18 Uhr, sowie viele weitere Termine bis April 2025.