„Großer Quatsch“FDP-Politiker fordert Rheinvertiefung und erntet Shitstorm
Köln – Der Rhein ist die wichtigste Wasserstraße in Deutschland. Bei niedrigem Wasserpegel führt das zu logistischen Problemen, denn je nach Pegelstand muss dann die Schiffsfahrt eingeschränkt werden.
Aktuell fließt aufgrund der enormen Hitze und Trockenheit im Juli erneut verhältnismäßig wenig Wasser durch den Rhein. In Köln stand der Pegel am Mittwoch bei 114 Zentimetern. Für FDP-Politiker Frank Schäffler Grund Alarm zu schlagen.
Auf Twitter teilte der, vor allem für seine Kritik am „Euro-Rettungsschirm“ der schwarz-gelben Regierung Merkel bekannt gewordene, Bundestagsabgeordnete einen Beitrag des „Spiegel“, in dem es um den sinkenden Rheinpegel und die daraus resultierenden Probleme geht. Dazu schrieb er: „Die Rheinvertiefung muss kommen“.
Shitstorm nach Twitter-Post von Frank Schäffler zur Rheinvertiefung
Die Antworten der Twitter-Gemeinde ließen nicht lange auf sich warten – und waren voller Kritik ob der Aussagen des Wirtschaftsexperten der FDP. „Ein gutes Beispiel für die Wichtigkeit eines praxisnahen Faches Sachunterricht in der Grundschule. Es fließt nicht mehr Wasser in einem Fluss, wenn man den Fluss tiefer ausbaggert“, schreibt ein Nutzer.
Ihm pflichten zahlreiche weitere Nutzerinnen und Nutzer bei. „Aus einem Liter Wasser werden keine zwei, nur weil ich das Wasser in einen größeren Eimer kippe“ oder „Klar. Wenn man tiefer gräbt mit gleich viel Wasser, ist hinterher mehr drin. Drum hab ich ja auch mehr Geld, wenn ich ein größeres Portemonnaie habe“, lauten nur zwei der unzähligen Tweets.
Viele Twitter-User kritisieren Schäffler für seinen Post, sie werfen ihm vor, dass seine Partei sich nicht um die eigentliche Ursache des Niedrigwassers kümmern wolle, sondern nur die Symptome im Auge habe.
„Wie tief Richtung Erdinneres wollen sie vertiefen, anstatt die Erderwärmung versuchen schnell ernsthaft und grundsätzlich zu bekämpfen“, heißt es in einem Kommentar.
Grünen-Politiker Till Steffen verhöhnt Frank Schäffler
Auch Till Steffen, Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der Grünen, schaltet sich in die Debatte ein: „Regentänze würden mehr bringen“, schreibt Steffen und macht damit deutlich, dass er von Schäfflers Vorschlag nicht allzu viel hält.
Während sich die überwiegende Mehrheit der Kommentare unter die Kategorie „Shitstorm“ fallen, gibt es vereinzelt auch positives Feedback für Frank Schäffler. „Er twittert ja in der Regel großen Quatsch, aber hier hat er einfach Recht: Es gibt keine Klimawende ohne Verkehrswende. Und das bedeutet, dass Güter vom LKW aufs Binnenschiff verlagert werden müssen.“
Klimawandel wird Pegelschwankungen im Rhein verstärken
Tatsächlich ist zu erwarten, dass der Klimawandel das Problem extremer Pegelschwankungen perspektivisch verstärken wird. Bis zum Jahr 2030 sollte deswegen unter anderem die Fahrrinne zwischen Wiesbaden und St. Goar von mindestens 1,90 Metern auf durchgängig 2,10 Meter vertieft werden.
Das Projekt war von Beginn an umstritten und sehr komplex. Das Problem: Zwar kann eine Vertiefung der Fahrrinne an gezielten Stellen die Bedingungen für große und voll beladene Schiffe verbessern, weil das wenige Wasser sich dann in der Fahrrinne sammelt und dort mehr Tiefgang für die Schiffe erlaubt. Das wiederum kann jedoch zu anderen Problemen führen, warnen Naturschutzbünde und Forscher.
Grundwasserpegel in Flussnähe kann sinken
Denn durch die Vertiefung der Fahrrinne bleibt außerhalb der Rinne weniger Wasser übrig, zudem erhöht sich mit einer tieferen Fahrrinne auch die Fließgeschwindigkeit des Wassers – so könnten Auen und Flussadern Schaden nehmen und der Grundwasserpegel in manchen Regionen sinken.
Bereits 2016 hatte der BUND gemeinsam mit anderen Naturschutzvereinen eine Expertise zum Thema erarbeiten lassen – damals ging es um eine Rheinvertiefung zwischen Duisburg und Stürzelberg. Das Ergebnis: „Eine Vertiefung der Fahrrinne führt zwangsläufig zu einem Absinken des Wasserspiegels und beeinflusst den Grundwasserstand in benachbarten Auen und Feuchtgebieten.“
Biologe warnt vor Rheinvertiefung
Auch der Biologe Andreas Scharbert wies in der „Welt“ auf die Problematik hin: „Schon eine Vertiefung um 20 oder 30 Zentimeter kann bedeuten, dass viele Nebengewässer und Auen noch seltener mit dem Rhein in Verbindung stehen, als es wegen der häufigeren Niedrigwasserphasen ohnehin schon der Fall ist“.
Schäfflers Forderung würde demnach also bei Niederwasser kurzfristig tatsächlich für eine Verbesserung der Lage für Binnenschiffer mit großen Schiffen mit viel Tiefgang führen – könnte allerdings mittel- und langfristig für erhebliche Folgeprobleme an anderer Stelle sorgen.
Dann könnte dem Rhein ein ähnliches Schicksal wie dem Po in Italien drohen, das Po-Delta ist nach mehr als drei Monaten Dürre in Norditalien fast ausgetrocknet. Die Europäischen Union hat sich inzwischen zum Ziel gesetzt, im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie einen möglichst naturnahen Zustand mit höherer Gewässergüte wiederherzustellen. Dies kann im Einzelfall sogar zu einem Rückbau vorangegangener Flussbegradigungen führen.