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Große Schau in DüsseldorfClaudia Schiffer inszeniert Modefotografie der Neunziger

Lesezeit 5 Minuten
Ausstellung in Düsseldorf

Die von Chlaudia Schiffer kuratierte Ausstellung in Düsseldorf ist noch bis zum 9. Januar 2022 in Düsseldorf zu sehen.

Düsseldorf – Pisa, Viareggio, Nashville: Als Ellen von Unwerth 1989 die damals gerade entdeckte Claudia Schiffer für Guess Jeans fotografiert, macht sie mehr als Modeaufnahmen. Die Fotografin definiert, was nicht planbar ist: eine Ikone ihrer Zeit, ja der Mode überhaupt. Die blonden Haarsträhnen, die ständig zu tanzen scheinen, die sinnliche Lippenkurve, der entwaffnende Blick – Claudia Schiffers Faszination explodiert im Sekundenbruchteil, die 1,80 Meter der damals Neunzehnjährigen wirken wie eine einzige Vertikale des Selbstbewusstseins. Mit ihr hat ein Jahrzehnt seine visuelle Marke, die Mode ein Gesicht, das bis heute jeder sofort erkennt – weltweit.

Rückblick auf die 90er-Jahre

Rund drei Jahrzehnte und einige zeitgeschichtliche Zäsuren weiter schaut Claudia Schiffer auf die Modefotografie der neunziger Jahre zurück, auf jene Dekade, die mit dem Aufstieg der Supermodels auch ihre Karriere als steilen Raketenstart sah. 150 Fotos von Könnern der Modefotografie wie Peter Lindbergh, Karl Lagerfeld, Herb Ritts, Helmut Newton und vielen anderen fügen sich zu einer Parade des Lifestyles, der im Düsseldorfer Museum Kunstpalast mit Glitzer, Glanz und Glamour inszeniert ist. „Captivate!“: Der Titel passt für eine Branche zwischen Kultur und Business, die in Ausrufezeichen denkt.

Versace Werbung

Eine Besucherin der Schau in Düsseldorf steht vor einem Bild für eine Gianni Versace-Werbung aus den 90er Jahren. 

Museumsdirektor Felix Krämer weiß nur zu gut, dass er mit der Schau die Flanke für Kritiker weit öffnet, denn Claudia Schiffer ist nicht allein Hauptfigur der Schau, das ehemalige Supermodel kuratiert auch selbst. Ein unerlaubter Zirkelschluss? Nur für Puristen, die einem Model keine Reflexion zutrauen und Mode als Kultur nicht ernst genug nehmen. Ja, Claudia Schiffer bekommt mit der Ausstellung ein glanzvolles Heimspiel in der Stadt, in der sie als Siebzehnjährige in einem Club an der Königsallee entdeckt wurde. Zugleich zeigt sie, dass sie nicht nur apart lächeln kann, sondern auch einen genauen Blick für die Bildwelten der Mode hat. Sie unterteilt die Schau in Kapitel, die mit den Themen Kampagne, Cover, Polaroid, Backstage und anderen Mode als mediales Phänomen gut in den Griff bekommen.

Klassentreffen der Supermodels

Sicher, Schiffer inszeniert sich selbst als Darling im großen Klassentreffen jener Ich-Marken, die auf den Fotos aussehen, als feierten sie als beste Freundinnen eine Party, die niemals endet. Naomi Campbell, Nadja Auermann, Kate Moss, Carla Bruni, Linda Evangelista und viele andere verleihen diesem Bilderfest den milden Glanz einer inzwischen nostalgisch verklärten Ära. Jedes Model ein unverwechselbares Gesicht, jeder Körper ein Gardemaß offensiver Weiblichkeit, jede Pose eine Lust am Leben: In Düsseldorf macht die Mode mit dieser Schau die große Welle. Konsumkritik, Magermodels, Billigtrash aus Bangladesch?

Ausstellung Modefotografie

Mit einer Schau über die Modefotografie der 1990er-Jahre hat die von Claudia Schiffer kuratierte Ausstellung nicht nur der Supermodel-Ära und sich selbst ein Denkmal gesetzt. 

Alles, was die Klamotte, wie sich die Branche bisweilen selbst gespielt raubeinig nennt, in den letzten Jahren in Verruf gebracht hat, ist hier ausgeklammert.

Kein Wunder. Mit den Neunzigern ist genau jene Dekade anvisiert, die in der Rückschau wirkt, als läge sie im Windschatten der Weltgeschichte. Zwischen Mauerfall und den Attentaten vom 9. September spannt sich eine Zeit auf, die zumindest in der Modefotografie selbstvergessen und schwerelos wirkt. Man probiert sich aus, hat Lust daran, Grenzen zu überschreiten und neue Rollen zu erkunden. Kate Moss 1993 nackt bäuchlings auf dem Sofa, Claudia Schiffer 1995 auf dem Cabrioheck in Rom, Amber Valletta 1997 im Bikini vor dem Zuckerhut von Rio – die Welt kann für so viel Lebensmut gar nicht weit und bunt genug sein. Konsum wird noch ohne Flugscham genossen und wenn Mario Testino 1999 für seinen Garten der Lüste Jungs und Mädels knutschend inszeniert, dann geht es hübsch hetero zu.

Analoge Fotos auf Print

Kein Terrorismus wirft Schatten auf so viel Lebenslust. Facebook gibt es noch nicht. Print dominiert die Medienwelt. Die Fotografie ist noch analog. Mit Wehmut schaut man auf Fotos, die verblüffende Unschärfen aufweisen oder jene roten Punkte in den Augen der Models, die das Blitzlicht ihnen eingezeichnet hat. Heute würde das alles am PC wegbearbeitet. Claudia Schiffer und ihr Team haben Räume inszeniert, die wie Champagner prickeln: als glitzernde Catwalkbühne oder als Kabine mit einer Tapete aus lauter Polaroids. In dieser Ausstellung geht es zu wie in der Welt von Claudia Schiffers Lehrmeister Karl Lagerfeld. Alles ist clean und clever, geschlossene Oberfläche eines schönen Lebens, das nur jene Abgründe zulässt, die sich als nächster Thrill auf dem Laufsteg der Eitelkeiten ausstellen lassen.

Claudia Schiffer hat klug und wirkungssicher inszeniert. Eine peinlich genaue Befragung all der Widersprüche der Modewelt wird man von ihr nicht erwarten dürfen. Die gibt es eher in Herford, wo die Kuratoren unter dem Titel „Look!“ im Museum Marta einen eher analytischen Blick auf die Modewelt seit der Jahrtausendwende werfen. In Düsseldorf darf geschwelgt werden, auch in Erinnerungen an eine Zeit, in der Evangelista, Moss oder eben Schiffer kosmische Gestalten waren. Hübscher Sidekick der Schau: Heidi Klum ist hier Nebenfigur. Es gibt sie nur auf ein, zwei Bildchen. Das ist nicht schade, denn diese Gouvernante der Castingwelt ist in etwa so glamourös wie der Eiswürfel im Grand Cru.

Düsseldorf, Museum Kunstpalast: Captivate! Modefotografie der Neunziger. Kuratiert von Claudia Schiffer. 15. September 2021 bis 9. Januar 2022. Di., Mi., Fr. – So., 11-18 Uhr, Do., 11-21 Uhr.