Das Gürzenich-Orchester wirbt weiter mit Roth. Programmvorschau und Online-Auftritt nennen den Generalmusikdirektor als Dirigenten für acht Konzerte der kommenden Saison.
Fragen beim Gürzenich-OrchesterWarum taucht François-Xavier Roth in der Programmvorschau auf?
Vor genau drei Wochen veröffentlichte die französische Zeitung „Le Canard echainé“ ihren Artikel über die bisweilen anzüglichen SMS, die François-Xavier Roth verschiedenen Orchestermusikerinnen geschickt habe. Kölns Generalmusikdirektor wurde mit dem Satz zitiert „Wenn ich zu weit gegangen bin, möchte ich mich jetzt bei denjenigen entschuldigen, die ich verletzt haben könnte.“
Der Artikel schlug hohe Wellen, in Köln, aber auch in der gesamten Klassikwelt. In der Folge ließ Roth alle weiteren Dirigate bis zum Ende der Spielzeit ruhen. Eine externe Kanzlei überprüft für die Stadt Köln das weitere Vorgehen. Des Weiteren prüft der SWR, wohin Roth zur Spielzeit 25/26 wechseln sollte, ob eine zukünftige Zusammenarbeit infrage kommt.
Informationen zum Programm veröffentlicht
Pikanterweise erschien der Artikel genau einen Tag, bevor der Kartenverkauf für die kommende Saison des Gürzenich-Orchesters begann — was in dieser Situation natürlich zunächst einmal kein Thema mehr war.
Nun gab es einen erneuten Anlauf, in dem eine Pressemappe verschickt wurde, der unter anderem eine Liste mit allen Konzerten der Spielzeit 24/25 beiliegt. Vorangestellt wurde die Information, dass beim Eröffnungskonzert am 7. und 8. September Lorenzo Viotti am Pult stehen wird. Und dass für ein Abo-Konzert Ende Februar 2025 Sakari Oramo gewonnen werden konnte. Beide werden als „Vertraute des Orchesters“ beworben.
Bei acht weiteren Programmpunkten – darunter einige Abo-Konzerte, die bekannterweise mehrfach aufgeführt werden – wird François-Xavier Roth als Dirigent genannt. Darunter sind Konzerte mit dem Bürgerorchester und dem Jugendsinfonieorchester sowie ein Familienkonzert. Dieselben Informationen finden sich auf der Homepage des Gürzenich-Orchesters.
„Wir gehen davon aus, dass Herr Roth nicht dirigieren wird, so lange die Untersuchung nicht abgeschlossen ist“, sagt Stefan Englert, Geschäftsführer des Gürzenich-Orchesters auf Nachfrage der Rundschau.
Stadt-Sprecher Alexander Vogel ergänzt: „Die künstlerischen Sparten sind grundsätzlich frei in ihrer Programmgestaltung und der Öffentlichkeitsarbeit dazu, diese wird von Seiten der Verwaltung grundsätzlich nicht kommentiert.“ Im Übrigen, so Alexander Vogel, stünden die Aussagen von Herrn Roth mit Blick auf seine Dirigate für sich.
Aber senden Stadt und Klangkörper damit das richtige Signal an die Bevölkerung und vor allem auch an die Orchester-Mitglieder, betroffen oder nicht? Die kulturpolitischen Sprecher von SPD, FDP, CDU und Grünen sind sich bei dieser Frage im Wesentlichen einig: Nein.
„In der Außenwirkung ist das in der derzeitigen Phase unglücklich“, findet Lorenz Deutsch (FDP) und vermutet rechtliche Bedenken, zu denen sich Stadt oder Orchester jedoch nicht äußern.
Brigitta von Bülow (Grüne) denkt, dass „so lange, bis alles geklärt ist, man tatsächlich besser ein bisschen Zurückhaltung“ geübt hätte. „Wenn Herr Roth sagt, er lässt die Dirigate ruhen, und nun steht er wieder auf dem Programmzettel: Das ist auf jeden Fall schon eine Diskrepanz. Das ist ein Signal, das mehr als merkwürdig ist.“
Klare Worte wählt Ralph Elster (CDU): „Die Wahrscheinlichkeit, dass Herr Roth hier noch einmal dirigiert, ist gegen Null. Da verstehe ich nicht, warum das jetzt irgendwie anders insinuiert wird.“
Er sei darüber hinaus „erstaunt, dass es jetzt in dieser Art und Weise erfolgt, weil wir im Augenblick noch gar nicht wissen, zu welchen Ergebnissen die Untersuchung kommt. Das muss natürlich erst mal abgewartet werden, bevor wir uns Gedanken machen über September, Oktober, November und die weiteren Monate.“
Maria Helmis-Arend (SPD) hatte sich direkt nach Bekanntwerden des SMS-Skandals vehement dafür ausgesprochen, dass die Stadt sich umgehend von François-Xavier Roth trennen müsse. „Er ist einfach nicht mehr tragbar, denn er hat in seinem Statement auch eingestanden, dass er Grenzen überschritten hat. Und ich stehe weiter dahinter, dass eine Zusammenarbeit mit ihm beendet werden muss“, macht sie klar. „Dass das jetzt natürlich formal sich auf dem Weg befindet“ sei aus ihrer Sicht kein Grund, ihn weiter als Dirigent aufzuführen. Dies trotzdem zu tun, „ist ein falsches Signal an all diejenigen, die sich vielleicht im Moment noch nicht trauen, die offizielle Beschwerde einzureichen“.
„Ich denke, wenn die Stadt Köln – also die Stadtspitze und das Dezernat – die Aufarbeitung von strukturellem Machtmissbrauch in unseren Kultureinrichtungen wirklich ernst nimmt, setzt sie jetzt eine bewusste Zäsur und tut nicht so, als ob nichts passiert wäre.“