Fotos aus SizilienKölner Fotograf präsentiert beeindruckende Bilder
Köln – „Am Anfang war mir ein bisschen mulmig zumute, aber dann habe ich mich an die dunklen Gassen gewöhnt“, erinnert sich Martin Classen. Zwanzig Jahre ist es her, dass er mit einem Assistenten und einem kleinen Handwagen, auf dem die Plattenkamera transportiert wurde, durch die Straßen von Palermo zog.
Das Goethe Institut hatte den Kölner Fotografen eingeladen, seine Fotografien aus Sizilien zu zeigen. Eine gute Gelegenheit, um in der Stadt fotografische Streifzüge zu unternehmen.
Die Armut der Straße und der Reichtum der Paläste
Eine Auswahl dieser Arbeiten ist derzeit im Rahmen der Präsentationen des Deutschen Fotobuchpreises 2021/22 im Forum für Fotografie unter dem Titel „Ritratto della cittá di Palermo“ zu sehen. Die Armut der Straße hat Martin Classen ebenso eingefangen, wie den Reichtum der Adelspaläste. In der barocken Kulisse der Stadt begegnen ihm die Männer mit offenen Armen.
Er zeigt aber auch Mädchen in Umarmung mit der besten Freundin, oder Jungen noch trunken vor Glück vom Fußballspiel auf der Straße. Immer wieder sieht man Menschen mit Pferden zwischen den Häusern und klaffende Ruinen an Plätzen und Straßenecken.
Classen von archaischer Seite der Stadt fasziniert
„Es hat mich wirklich erstaunt, wie präsent die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs im Stadtbild noch zu erkennen sind“, erklärt der Fotograf. „Fasziniert hat mich die archaische Seite dieser Stadt, in der es praktisch keine Touristen und erst Recht keine Fußgängerzonen gab. Zu keinem Moment wusste ich, was mich hinter der nächsten Straßenecke erwarten würde.“
Dass er die eindrucksvollen Kinderbilder machen konnte, war ein Glücksfall. Solche Aufnahmen wären heute angesichts der streng praktizierten Bildtabus nicht mehr möglich.Die schwarz-weißen Aufnahmen erzählen von einer Dunkelheit, in der die Verwesung vergangener Epochen zu erahnen ist.
„Akt des Fotografierens ist wichtig "
Und dennoch ist neben der Melancholie viel gute Laune zu sehen, sobald einige Passanten beieinander stehen. Für jedes Sujet – sei es Porträt, Landschaft oder Architektur – führte Martin Classen die entsprechende analoge Kamera mit sich. Digitale Fotografie entspricht nicht seinem Temperament.
„Für mich ist der Akt des Fotografierens wichtig. Ich brauche den Klick“, gesteht er. Die Spuren der Zeit haben den Kölner Fotografen, der über Jahrzehnte hinweg seiner eigenen Ästhetik gefolgt ist, stets interessiert. Dabei blieb seine Fotografie unberührt von der prätentiösen Nüchternheit eines modischen Dokumentarismus, wie er seit der Jahrtausendwende in Deutschland gepflegt wird.
Fotografien vom Rheinauhafen und Hambacher Forst aus früheren Tagen
Mit den Jahren kommt die Wucht in den Bildkompositionen von Martin Classen immer deutlicher zum Ausdruck. So etwa in jenen Fotografien, die den Zustand des Rheinauhafens vor seiner Umgestaltung zeigen und die Classen heute mit den Worten kommentiert: „Wo vorher Kraft, Schweiß und Maschinenöl war, ist nun Bildschirm.“
Als im Hambacher Forst noch nicht die Zeit der Demonstrationen angebrochen war, fotografierte Martin Classen die dortigen Baumriesen. „Diese Bäume haben mich so ergriffen, dass mir das Wasser in den Augen stand“, erinnert er sich. Die Serie, in der die Bäume wie menschliche Persönlichkeiten wirken, trägt den Titel „Die Todgeweihten“.
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Italien hat den heute 63-Jährigen immer wieder gelockt. Als Stipendiat der Villa Massimo fotografierte er in Rom. Eine eigene Serie mit dem Titel „Verlorene Stätten“ zeigt Ruinen als geheimnisvolle Orte der Imagination. Die komplette „Via Appia: SS7“ fotografierte Classen in einer Serie atemberaubender Landschaftsaufnahmen. Im Porträt Palermos jedoch verschmelzen Melancholie und Lebensfreude als zwei Aromen, die dem Werk Classens schon immer seinen Zauber verliehen.
Bis 25. Juni, Mi bis Fr 14 – 18 Uhr, Sa 12–18 Uhr. Schönhauser Str. 8.