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ESC-Siegerin Loreen im Interview„Erfolg ist, keine Kompromisse zu machen“

Lesezeit 4 Minuten
Loreen sitzt in einem Hotelzimmer auf einem Stuhl.

Bringt ein Leuchten in jeden Raum: Loreen, die neben der tollen Stimme, auch ein ansteckendes Lachen hat.

Mit ihrem zweiten Sieg beim Eurovision Song Contest hat Loreen Pop-Geschichte geschrieben. Mit Axel Hill und Miriam Hafki sprach die 39-Jährige über schwedische Traditionen und neue Musik.

Ihre Eltern kamen aus Marokko nach Schweden, wo Sie und Ihre Geschwister geboren wurden. Hat ihre Familie wie alle schwedischen Familien ein geheimes Rezept für Köttbullar?

Die Fleischklößchen bei uns zu Hause – sie waren mutiert. Meine Mutter ist eine extravagante Frau, alles musste immer doppelt so groß sein. Und unsere Köttbullar waren so groß (zeigt die Größe von Apfelsinen und lacht schallend).

Welche anderen schwedischen Traditionen hat ihre Familie übernommen?

Weihnachten und Ostern, aber das waren kulturelle Mashups – im wahrsten Sinne des Wortes: Am Weihnachtsbaum hingen auch immer glitzernde Dinge aus Marokko.

Schweden hat in den letzten Jahren sehr viele people of colour zum ESC geschickt. Sagt das etwas über das Land aus oder ist das Showbusiness?

Ich denke beides. Dadurch, dass das Publikum im Vorentscheid über den Teilnehmer abstimmt sagt das sehr viel über das Land. Und Diversität ist unvermeidlich, auch wenn es konservative Menschen gibt, die Dinge so belassen wollen, wie sie sind. Wir gehen vielleicht manchmal einen Schritt zurück, aber immer auch sehr viele vorwärts. Das kann man nicht stoppen, denn es steckt in unseren Genen, dass wir für unsere Freiheit kämpfen und für unser Recht zu existieren.

Ist „Tattoo“, Ihr Siegerlied, eigentlich ein trauriges Lied?

Liebe würde nicht existieren, wenn es keine Probleme gäbe. Was wäre eine große Liebesbeziehung so ganz ohne Drama? (lacht) Und am Ende ist „Tattoo“ ein Liebeslied. Denn wenn man wirkliche, tiefe Liebe erleben will, muss schon ein bisschen dran bleiben und etwas aushalten.

Wie hat Ihre Mutter, die Sie und Ihre Geschwister allein großgezogen hat, auf den Sieg reagiert?

(imitiert die Stimme der Mutter) „Loreen, ich bin der Baum, ihr Kinder seit die Äste!“ Sie ist wie eine Kriegerin, sagt höchstens „Gut gemacht!“. Aber man sieht den Stolz in ihrem Gesicht. „Behalte deine Würde, verkaufe deine Seele nicht!“   Wenn ich manchmal sehr hart arbeite und gesundheitlich angeschlagen bin, sagt sie, „Habe ich Dir gar nichts beigebracht? Ohne Gesundheit läuft nichts.“

Wie hat es sich für Sie angefühlt, als viele sagten, Sie hätten den Sieg nicht verdient, Sie hätten ja nur die meisten Jurypunkte bekommen und nicht wie der Finne Käärijä die meisten Zuschauerstimmen? Es wirkte, als wollte man Ihnen den Erfolg vermiesen.

Es kommt darauf an, wie man Erfolg definiert. Menschen müssen ihre Meinung haben dürfen, wir haben Redefreiheit. Ich denke, Dinge passieren aus einem tieferen Grund. Wenn Käärijä hätte gewinnen sollen, hätte er auch gewonnen. Mein Mantra, als ich auf das Ergebnis gewartet habe war, „was auch immer passiert, passiert“. Aber es sollte bitte schnell passieren, damit ich mit meinem Leben weitermachen kann (lacht schallend). Ernsthaft: Nicht zu gewinnen, wäre nicht das Ende der Welt gewesen. Denn Erfolg bedeutet für mich, dass ich etwas gemacht habe, vom dem ich überzeugt war und für das ich keine Kompromisse eingegangen bin.

Wie war eigentlich ihre erste Reaktion auf die Idee, dass Sie in einer Art Sandwichtoaster auftreten sollen?

So ist es nicht gelaufen (lacht). Ich habe gesagt, Leute, ich singe in einem Sandwichtoaster! Die Idee kam mir bei den Aufnahmen, denn ich hatte plötzlich Bilder von Sonnenauf- und Sonnenuntergängen im Kopf.

Hatte Sie Angst, als Sie zum allerersten Mal zwischen den schweren Platten lagen?

Nur einen Moment lang, als es technische Probleme gab.

Unsere Lord of the Lost saßen bei der Punktevergabe direkt vor ihnen. Haben Sie gefühlt, wie es ihnen ging?

Oh ja – und von allen anderen. Ich wäre gerne zu jedem gegangen und hätte gesagt: Dass hast Du nicht verdient, Du bist toll – Fuck this! Aber dieser Schmerz gehört zum Leben dazu, ich habe ihn natürlich auch erlebt.

Wie fanden Sie den deutschen Beitrag?

Der Sound ist sehr speziell, aber der Auftritt war explosiv und kreativ. Man konnte sehen, dass sie Ahnung davon haben, wie man eine gute Show macht.

Aber vielleicht war ein Problem, dass sie keine Geschichte erzählt und nicht miteinander agiert haben.

Ich dachte zunächst, dass das Lied vielleicht zu düster war. Doch ich stimme Ihnen zu, das ist ein guter Punkt. Aber: Das deutsche Publikum hat sie geschickt.

Nun, die Auswahl war nicht sonderlich groß...

Am Ende des Tages geht es immer darum, authentische Künstler zu finden. Aber leider fürchten viele Kreative solche Wettbewerbe.

Sie kommen im Herbst auf Tour – leider nicht nach Köln. Haben Sie dann auch neue Songs dabei?

Bis dahin bringe ich einige neue Lieder heraus, nächstes Jahr dann ein ganzes Album. Und dann komme ich auch nach Köln. Die Herbsttour war ein Schnellschuss, ich sollte mein Management feuern, weil so viele Städte fehlen (lacht).