Der schottische Romancier und Lyriker John Burnside erzählt in "So etwas wie Glück. Geschichten über die Liebe" von Menschen, die auf der Suche nach Harmonie gleichsam auf Schmerz und Gewalt stoßen.
ErzählbandJohn Burnside beleuchtet die Liebe und das Grauen
Der Titel klingt beinahe höhnisch, denn „So etwas wie Glück“ bleibt in diesem Erzählband Mangelware. Der schottische Lyriker und Romancier John Burnside spürt vielmehr jenen Verhängnissen nach, die sich in harmlosen Alltagskulissen für ihren Auftritt bereithalten.
Tröstliche Schicksalsgemeinschaft
So wie der Krebs, der den Melasse-Fahrer Bill Harley wohl sehr bald töten wird. Hinter dem Steuer sinniert er über seine erkaltete Ehe („Was uns geschehen war, war jedem von uns allein geschehen“) und macht kein Drama aus seinem nahen Ende.
Dann aber sieht er im Schneetreiben eine Gestalt am Straßenrand, einen jungen Mann in Frauenkleidern, offensichtlich schwer verprügelt. Bill nimmt ihn mit. Große Geständnisse bleiben aus, beide deuten ihr Unglück nur an, und doch gibt es für Momente eine tröstliche Schicksalsgemeinschaft.
„Geschichten über die Liebe“ lautet der Untertitel dieser Sammlung, die indessen nie jene Szenen bietet, die das Kino gern in Streichersoße tunkt. Meist haben sich die großen Gefühle schon davongemacht – wie bei Janice und Rob. Denn in nur drei Jahren ist aus dem linkischen Charmeur ein roher Säufer geworden. Als seine Frau über Zahnschmerzen klagt, spart er kurzerhand die Arztrechnung und greift selbst zur Elektrikerzange. Widerstand zwecklos.
Sterbende Bergarbeiterstadt
Mit Schmerz und Gewalt kennt sich der heute 67-jährige Schriftsteller aus, wie vor den autobiografischen „Lügen über meinen Vater“ schon sein apokalyptisch irrlichternder Roman „Glister“ zeigte.
Auch im Story-Band gibt es so eine „Geschichte vom Ende der Kindheit“. Der namenlose Erzähler beobachtet die Affäre zwischen dem sanften Metzger George Taylor und der gerade noch minderjährigen Carol Poole – eine verbotene Liebe mit blutigem Ende. Immer wieder tastet Burnside diesen schmalen Saum ab, der das magische Denken der Halbwüchsigen von der Härte der Erwachsenen trennt.
„Wir wollten die Welt – und wir bekamen eine sterbende Bergarbeiterstadt, in der sich nichts änderte außer dem Wetter“, sagt eine der enttäuschten Figuren.
Also allenthalben nur die kalte Asche glühender Träume? Nicht ganz. In „Sonnenbrand“ erinnert sich ein Vierzehnjähriger, wie ihn die verheiratete Nachbarin so zart mit kühlender Lotion verarztete, dass er fast vor Lust verging. Ein anderer Junge bekommt von der schönen Eiscafébesitzerin den besten Pfirsich Melba seines Lebens serviert. Nur ist es hier wie in vielen dieser dramaturgisch makellosen Geschichten: Dem raren Glück folgt das Grauen.
John Burnside: So etwas wie Glück. Geschichten über die Liebe. Aus dem Englischen von Bernhard Robben. Penguin, 252 S., 24 Euro.