„Eine Liebe in Pjöngjang“Liebesroman erzählt die Romanze zweier Frauen in Nordkorea

Andreas Stichmann vor einem Denkmal für die sozialistische Revolution und die Kims in Pjöngjang.
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Braucht ein Schriftsteller einen Schauplatz für einen Liebesroman, könnte man meinen dass Paris, Venedig und New York oder auch eine idyllische Südseeinsel ganz oben auf der Liste stehen. Nicht so bei Andreas Stichmann: Für „Eine Liebe in Pjöngjang“ wählt er als Kulisse seiner Romanze einen vom Rest der Welt abgeschotteten Unrechtsstaat, der außer tristen Plattenbauten und verwanzten Hotelräumen scheinbar wenig zu bieten hat: Nordkorea, genauer gesagt dessen Hauptstadt Pjöngjang. Dort hin reist die 50-jährige Claudia Aebischer, die an der Spitze einer deutschen Delegation eine Bibliothek eröffnen soll. Kaum angekommen, trifft sie auf die Übersetzerin Sunmi: diese ist klug, hübsch, charmant – und eine Agentin der nordkoreanischen Regierung, die auf den Gast aus dem Westen angesetzt worden ist.
Sunmi hadert jedoch bald mit ihrer Mission, denn sie und Claudia fühlen sich sowohl intellektuell als auch körperlich zu einander hingezogen. Die junge Koreanerin, die in einer lieblosen Ehe mit einem viel älteren Mann feststeckt, sehnt sich nach dem Ausbruch aus den Repressionen, mit denen sie in ihrer Heimat konfrontiert ist. So wird eine Sauna zum Ort konspirativer Treffen zwischen den beiden Frauen, die beginnen, gemeinsame Pläne zu schmieden.
Große Gefühlsausbrüche haben kaum Platz in Stichmanns Roman – was auch der Tatsache geschuldet ist, dass selbst bloßes Händchenhalten von Claudia und Sunmi nach Rebellion riecht. Der Autor reiste 2017 selbst nach Nordkorea: In seinem Buch entwirft er ein beklemmendes Bild dieses Staates, das von ständiger Überwachung der Menschen und skurril anmutendem Führerkult um die Diktatorendynastie Kim geprägt ist. Dabei zieht Stichmann durch die Perspektive Claudias, die in Jena aufgewachsen ist, immer wieder Vergleiche zum Leben in der DDR der 80er Jahre.
Bis auf das tragische Protagonistinnenpaar kommt kein Mitglied des Figurenensembles über das Statistendasein hinaus. Einzig Sunmis greiser Ehemann Wi darf in den finalen Kapiteln doch so etwas wie Dreidimensionalität zeigen – seine Charakterentwicklung kommt jedoch zu spät, um etwas an dem überraschend abrupten Ausgang des Romans zu verändern. Hier liegt das kleine Manko von „Eine Liebe in Pjöngjang“ – die bis dahin kurzweilige Lovestory vor ungewöhnlicher Kulisse hätte ein schöneres Ende verdient.
Andreas Stichmann: Eine Liebe in Pjöngjang. Rowohlt, 156 Seiten, 20 Euro.