AboAbonnieren

DivertissementchenIm Traum gehen die Trömmelchen los

Lesezeit 3 Minuten
"Fastelovend Zesamme!" heißte es diesmal im Divertissemenchen.

"Fastelovend Zesamme!" heißt es diesmal im Divertissementchen.

Die Spielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg schenkt den Jubiläumsgesellschaften ein Divertissementchen zum 200. Geburtstag. Darin entfacht sich ein Feuerwerk der guten Laune. Der kritische Blick auf Historie und Gegenwart ist überlegt gesetzt.

Die erste Fahne der Roten Funken von vor 200 Jahren, als der organisierte Kölner Karneval aus dem Ei schlüpfte, sieht tatsächlich sehr ramponiert aus. Aber sie ist ein Original und steht für die bewegte Zeit der Jecken, die schon im Entstehungsprozess mühelos Stoff für einen grandiosen Karnevalskrimi liefert.

Gemeinschaftliches Schunkelpotenzial

Selten bot die Bühnenshow der Bühnenspielgemeinschaft „Cäcilia Wolkenburg“ im Kölner Männergesangverein so viel gemeinschaftliches Schunkel- und Mitsingpotential wie in diesem Jahr: Der Publikums-Doppelwumms ist der herrlichen Produktion „Fastelovend zesamme!“ gewiss.

Brisante Themen

Wenn Text und Regie aus einer Hand kommen, ist Einigkeit und Stringenz der Erzählstruktur gesichert. Der seit Jahren etablierte Lajos Wenzel schlawiniert sich durch historische Fakten und brisante aktuelle Themen und schafft eine Art des neuen rheinischen Volksstücks, eine Synthese aus Ernst und Ironie mit Kölner Schmäh, ohne den von Ideen überbordenden Revue-Charakter aufs Spiel zu setzen.

Zunächst wird der Ausgangspunkt der Zeitreise gezeigt: Vier Ehepaare liegen friedlich im Bett, die zu zählenden Schäfchen tanzen eine erste Balletteinlage, bei der musikalisch nur der liebe Mond zuschaut. Doch bei den Damen, jetzt per Handy verbunden, gingen zuvor im Traum die Trömmelchen los, das Signalinstrument der dräuenden 4. Jahreszeit: Noch mal feiern wie früher, als alles begann.

Ordinäre Stadt

Die bunten Häuschen am Altermarkt entführen in die alte Zeit, als die kölschen Originale durch die Gassen wuselten. Hans Wurst erzählt wie an Speakers Corner einen Witz mit dreifachem Tusch vom Orchester, das Ballett tanzt alla turca über die Szene. Köln ist in den Augen der patrouillierenden preußischen Soldaten die denkbar ordinärste und liederlichste Stadt.

Nur die kölsche Hautevolee benimmt sich edel, sie singt späten sinfonischen Mozart mehrstimmig. Heinrich Heine holt die Wäscherinnen von Beuel, sie tanzen Rock’n´Roll, es wird einiges geboten. Eine Berlinerin trifft ein und zitiert das Klopslied, Mundart aus Schnauze und Art – ein mutig platzierter Ausreißer. Da wirkt Edward Elgars heimliche England-Hymne geradezu angemessen für die Gründungsfeier des Festkomitees.

Anleihen am Regierungsteam

Mit Bagage reisen die initiativen Damen von Köln nach Berlin, wo die Minister des Jahres 1823 verdächtig mit Ampeln und Sondervermögen hantieren und manche historische Fantasiefigur starke Anleihen beim aktuellen Regierungsteam nehmen. Schlüssiger Weise kommen sie in Sachen Karneval am Rhein zu keinem Ergebnis. Der Retter heißt Friedrich III., der den „lecker Mädche“ mal so richtig in die Augen schaut und dabei die visionäre Idee einer Friedens-Parade aufziehen sieht: Dä Zoch kütt!

So wie es für jede Lebenslage in Köln einen weisen Spruch gibt, so existiert für jeden Wimpernschlag am Rhein mittlerweile ein eingängig bekanntes Karnevalslied. Thomas Guthoff hat sie geschickt für die Bergischen Symphoniker verstärkt durch die „Westwood Slickers“ arrangiert und mit barocken bis romantischen Zitaten dezent gemixt - der Schwerpunkt liegt in diesem Jahr eindeutig auf kölschen Evergreens und Hits.

Im Karaoke-Modus

Verstärkend für die Mitsinglaune im Publikum bewähren sich die eingeblendeten Übertitel, sodass sogar veränderte Liedtexte (Johannes Fromm und Manfred Schreier) auf die bekannten Hits im Karaoke-Modus mitgesungen werden können.

Auf der Bühne zeigte sich das Ballett in Hochform, das Orchester thronte optisch hinter der Szene und akustisch sehr präsent ganz vorne, die Dialoge liefen in der Vorpremiere bereits sehr flüssig, das Stück wirkte erfrischend kurzweilig, weil originell und professionell: Bravi für alle Gewerke.

Länge: gut 3 Stunden mit Pause

Vorstellungen eigentlich täglich außer Montag bis zum 21.02.23, Restkarten möglich

Auf einen Blick:

Das Stück: Der historische Exkurs mit imposanten Parallelen zur Neuzeit ist sehr gelungen.

Die Regie: Mal gemütlich, meist mit Tempo: Lajos Wenzel hält seine Herren auf Trab.

Die Musik: Händel, Vivaldi, Mozart, alles kölsche Tön in der aktuellen Partitur.