Bücher sind und bleiben ein tolles Geschenk zu Weihnachten. Unsere Redaktion hat einmal zusammengetragen, über welche Bücher sich Romatiker, Neugierige, Kenner, Nervenstarke und Leichtsinnige freuen.
Literatur unterm WeihnachtsbaumDie Bücher-Tipps der Redaktion zum Fest
Für Romantiker
„Endlich Ferien“ heißt das Bilderbuch, in dem der im Sommer verstorbene Zeichner Jean-Jacques Sempé federleicht die Freuden und Frustrationen von sonnigen oder verregneten Stränden oder Expeditionen ins Unterholz festgehalten hat. Sein scharfer Blick für komische Situationen ist entwaffnend, stellt dabei aber nie bloß (Diogenes, 88 S., 36 Euro).
„Verbrenn all meine Briefe“: Karin (24) verliebt sich stürmisch, die Geschichte bewegt noch Jahrzehnte später den Enkel. Alex Schulmann schreibt wieder um ein großes Geheimnis (dtv, 272 S., 23 Euro).
„Sisi“ ist nicht nur die Zuckerguss-Hoheit aus den 50er-Jahre-Filmen. Karen Duve zeigt in ihrem mit akribischen Recherchen untermauerten Roman eine andere Kaiserin: Draufgängerisch, launisch und kleinen Affären nicht abgeneigt. Ein eindrucksvoller Blick in das Innere der höfischen Welt und das Leben einer Jahrhundertfrau (Galiani, 416 S., 26 Euro).
„Silver Marilyn“ ist ein Protest gegen die Vergänglichkeit: Vor 60 Jahren starb Marilyn Monroe – in Fotos ist sie, Megastar der Nachkriegsjahre, präsent. Eines der allerschönsten ist das erste, 1945 von einem Armeefotografen auf Geheiß eines gewissen Ronald Reagan aufgenommen. Mit dem großen Interview von George Belmont (Schirmer/Mosel, 271 S., 29,80 Euro).
„Weiter atmen“ sagt sich Michael. Mitten in einer Depression steckend hebt der Lehrer all sein Geld ab, reist von London in die USA, um dort seinem Leben ein Ende zu setzen, wenn der Kontostand die Null erreicht hat. Aber man verrät nicht zu viel: Als der letzte Hunderter in die Hand eines Bettlers wandert, lässt Autor J J Bola ihn über Alternativen nachdenken (Kampa, 336 S., 24 Euro).
In „Lincoln Highway“ schickt Autor Amor Towles vier jugendliche Delinquenten auf einen Roadtrip: Im Amerika der 50er-Jahre begeben sich Billy, Emmett, Duchess und Wooly in einem alten Studebaker auf eine Reise quer durch das Land und werden zu Helden einer bittersüßen Geschichte voller unerwarteter Wendungen (Hanser, 576 S., 26 Euro).
Für Neugierige
„Mutabor“ von Norbert Scheuer lehnt sich an das Zauberwort zur Verwandlung von Wilhelm Hauffs Kalif Storch an. Seine Protagonistin Nina Plisson gerät ihm ähnlich märchenhaft (C.H. Beck, 192 S., 22 Euro).
„Im dunklen Zimmer“: Eine Gruppe von Freunden teilt sich Räume zum Arbeiten und Studieren, ein Stromausfall führt dazu, dass sie sich näher kommen als geplant. Jahre später wird der Raum zu einem Zufluchtsort in der Wirtschaftskrise. Issac Rosa schreibt eine kleinräumig angelegte große Parabel – über die Liebe und das Leben (Liebeskind, 296 S., 24 Euro).
„Wir haben es nicht gut gemacht“ – mit diesem nüchternen Fazit ist der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch eher harmlos betitelt. Tatsächlich aber enthüllen die Texte eine Beziehung, die an Dramatik, Gefühlstiefe, Sehnsucht und Abgründen kaum zu überbieten ist. Eine Liebe mit größter Verletzungsgefahr (Piper Suhrkamp, 1039 S., 40 Euro).
„Krieg in Europa“ nennt Norbert Mappes-Niedik sein Buch über den Zerfall Jugoslawiens und die Reaktion der Nachbarn. Drei Jahrzehnte vor dem russischen Überfall auf die Ukraine begann 1991 eine Serie extrem grausam geführter Kriege, die auch einen Keil zwischen Russland und seine westlichen Partner trieb. Geschichte, aber hochaktuell (Rowohlt Berlin, 399 S., 32 Euro).
Patti Smith’ „Buch der Tage“ ist eine gebundene, aber gelungene Zweitverwertung der täglichen Fotos, die sie 2018 auf Instagram postete: Kunstwerke, weit entfernt von Selfie-Wahn (KiWi, 400 S., 36 Euro).
„Was ich euch verschweige“ versucht Detective Chief Inspector Jonah Sheens in diesem spannenden Thriller der britischen Autorin Gytha Lodge herauszufinden. Eine von zwei Schwestern ist spurlos verschwunden, die andere weiß mehr darüber, als sie zugeben will. Wird ein falsches Spiel mit den Ermittlern gespielt? (Hoffmann und Campe, 416 S., 18 Euro).
Für Kenner
„Totes Laub“ eines getarnten Waffendepots durchstreift Inspector Gamache. Louise Penny hatte ihn eigentlich in den Ruhestand verabschiedet. Aber was im beschaulichen Örtchen Three Pines geschieht, lässt ihn wieder ermitteln: Die Rüstungslobby und ein Serienmörder beschäftigen, doch wird das kanadische Dörfchen nie ungemütlich (Kampa,528 S., 19,90 Euro) .
„Lektionen“: Alles, was ihn ausmache, sei in diesem Buch, hat Ian McEwan gesagt. Er erzählt die Geschichte von Roland Baines, der Kindheit, den unsittlichen Berührungen der Klavierlehrerin, der Frau, die geht. Die Figuren wandeln durch ein Nachkriegspanorama, durch politische unruhige Dekaden und die Giftwolken von Tschernobyl (Diogenes, 720 Seiten, 32 Euro).
„La Vagabonde“ heißt der hinreißende Roman von Colette auch in der deutschen Ausgabe. Er taucht in ihr wildes Leben ein und in die Pariser Bohème der 20er Jahre (Ebersbach/Simon, 270 S., 22 E.).
„Zeit Zuflucht“: Der bulgarische Autor Georgi Gospodinov spinnt seine Geschichte um den Zeitreisenden Gaustín, der eine „Klinik für Vergangenheit“ betreibt. Ein Roman übers Vergessen und Erinnern und über historische Traumata, gipfelnd in der Idee eines „Vergangenheitsreferendums“, durch das Länder in ihre besten Jahre zurückkehren (Aufbau, 342 S., 24 Euro).
„Dieser Beitrag wurde entfernt“ – ein Satz, der in Socialmedia-Kanälen immer wieder auftaucht. Die Niederländerin Hanna Vervoets erzählt in ihrer Novelle von Menschen, die sich tagtäglich im Schichtdienst durch zweifelhafte und perverse Posts arbeiten. Unter extremem Druck, der sich auf das kollegiale Miteinander und private Liebschaften aus wirkt (Hanser, 110 S., 20 Euro).
„Lügen über meine Mutter“ nennt Daniela Dröscher ihren autofiktionalen Roman, der Generationen-Traumata und den langen Weg der bundesdeutschen Frauen zur Emanzipation thematisiert. Aus der Perspektive ihres erwachsenen Ichs wird die Kindheit der Erzählerin mit gnadenloser Ehrlichkeit unter die Lupe genommen (Kiepenheuer & Witsch, 443 S., 24 Euro).
Für Nervenstarke
„Auf der Lauer liegen“ lässt Liz Nugent den neugierigen Leser. Dabei erhält er böse Einblicke in das Leben der vornehmen Soziopathin Lydia Fitzsimons – und staunt immer wieder, wie überraschend perfide das Morden bei ihr von Anfang an ausbaldowert ist. Alles spielt im grünen Umland Dublins. Genüssliche Lesestunden sind garantiert (Steidl, 368 S., 28 Euro).
„Was geschieht in der Nacht“ ist ein kafkaeskes Schauermärchen von Peter Cameron. Ein New Yorker Paar reist in eine Kleinstadt im Norden Europas, um ein Kind zu adoptieren. Doch das Grand Hotel, in dem sie wohnen, beheimatet Geheimnisse und skurrile Gäste, deren Anwesenheit den Zweck der Reise in den Hintergrund rücken lassen (Liebeskind, 272 S., 24 Euro).
„Samson und Nadjeschda“ lernen sich 1919 in Kiew kennen. Samson ist Ermittler bei der Miliz und verliebt sich in die Statistikerin. Einen mysteriösen Fall versuchen sie im Team zu lösen. Dabei scheut der Autor Andrej Kurkow vor Skurrilitäten nicht zurück. Ein höchst unterhaltsamer historischer Krimi, der außerdem viel über die Ukraine erzählt (Diogenes, 368 S., 24 Euro).
„So forsch, so furchtlos“ ist ein rotzfreches, obszönes und tieftrauriges Buch. Andrea Abreus sehr explizit erzählte Geschichte zweier Mädchen auf Teneriffa könnte zarte Gemüter aus der Fassung bringen: abergläubische Frömmigkeit, Putzen von Ferienhäusern und Sehnsucht nach dem Meer, das so nah ist und für arme Jugendliche doch so schwer erreichbar (KiWi, 185 S., 20 Euro).
Mit dieser „Autopsie“, die Patricia Cornwalls Dauer-Pathologin durchführen muss, dringt Kay Scarpetta wortwörtlich in andere Dimensionen vor: Per Videoschalte leitet sie zwei Astronauten in einer Raumkapsel an, um die Todesursache eines Mordopfers im All herauszufinden. Auch auf der Erde geht es für Kay und ihren Clan nicht gerade gemütlich zu (Kampa, 400 S., 21,90 Euro).
„Die Wut, die bleibt“ erfüllt die Tochter und die beste Freundin einer Frau, die sich das Leben nimmt. In Mareike Fallwickls Roman müssen sie die Familie zusammenhalten (Rowohlt, 384 S., 22 Euro).
Für Leichtsinnige
„Das Dämmern der Welt“ leuchtet Werner Herzog anhand der wahren Geschichte des japanischen Soldaten Hiroo Onoda aus. Auf einer Pazifikinsel verpasst er das Ende des Zweiten Weltkriegs und verteidigt sein Land noch bis 1974 in einem sinnlosen Kampf. Dschungel-Atmosphäre mit zeitloser Reflektion über Aggression und Rückzug (Hanser, 127 S., 19 Euro).
Mit „Monstern auf der Couch“ muss sich eine Stockholmer Psychologin in ihrer Praxis herumschlagen: Jenny Jägerfeld und Mats Strandberg gehen der Frage nach, was passiert wäre, wenn die Ikonen der viktorianischen Schauerliteratur wie Dr. Jekyll, Dorian Gray oder auch Viktor Frankenstein eine Therapie gemacht hätten (Penhaligon, 464 S., 20 Euro).
„Insel der Seligen“: „War das eine Zeit, um jung und verliebt zu sein?“, fragt Anselm Weyer in einem seiner Beiträge über das Köln der 20er Jahre. Kriminalität und Armut prägten das Leben, aber auch all das menschliche Verlangen, und auch Abgründe taten sich auf. Die Fortführung der Rundschau-Serie „Babylon Köln“ als Buch – kriminell schön (Greven-Verlag, 172 S., 16 Euro).
„Test Kitchen“ ist die Werkstatt des Kult-Kochs Yotam Ottolenghi. Seine Versuchsanordnung: Zutaten aus der Speisekammer oder Kühlschrank-Reste werden zu neuen kreativen Gerichten verarbeitet. Eine geniale Idee, die meisten der 80 Rezepte sind einfach, alle sind raffiniert und mit orientalischer Note. Kalorienangaben fehlen – zum Glück (dk, 250 S., 24,95 Euro).
„Zum rosa Hahn“ , in diesem Gasthaus quartiert Erik Fosnes Hansen zwei Goldmacher ein. Ein aus Biedermeier und Moderne gemixtes Phantasiereich mit bedrohlichen Zügen (KiWi, 496 S., 24 Euro).
Nur „Die Lüge“, die Mikita aufrecht erhalten muss, erlaubt es dem russischen Jungen, nach dem Tod der Mutter bei deren Bruder zu leben: Das Jugendamt darf nicht erfahren, dass der dritte Mann im Haushalt der Freund des Onkels ist. Aus eindringlicher Ich-Perspektive schildert Mikita Franko die Nöte des Kindes, verursacht durch ein ungerechtes System (HoCa, 384 S., 24 Euro).