Deutsche SpracheWarum das Gendersternchen durchaus männerfeindlich ist
Endlich sagt’s mal einer: Gender-Stern und Binnen-I sind männerfeindlich. Für diese Erkenntnis braucht es einen kühlen Kopf aus dem Norden. Der Braunschweiger Sprachwissenschaftler Martin Neef hält das Gendern für problematisch. Die Verwendung des sogenannten Binnen-I für die weibliche Form eines Wortes oder des Gender-Sterns für alle Geschlechter sei politisch motiviert. „Es wird von gewissen Kreisen sehr erfolgreich gefördert. Und wenn man nicht gendert, kann man so verstanden werden, dass man nicht für Gleichberechtigung ist.“
Das Wort „Teilnehmerin“ zum Beispiel bezeichne eine Frau, erläuterte Neef: „Und wenn ich einen Stern einbaue oder einen Buchstaben großschreibe, bleibt es immer noch ,Teilnehmer*in“ oder ,TeilnehmerIn“, also eine Frau. Damit sind also strukturell nur Frauen gemeint, weder Männer noch Diverse.“
Geschlechtergerechtigkeit war schon da
Früher war die deutsche Sprache Neef zufolge geschlechtergerecht, auch ohne zu gendern. Heute aber lerne jeder in der Schule, dass Geschlecht und die grammatische Kategorie Genus dasselbe seien. „Das ist mitnichten so. Jedes Substantiv hat ein Genus, ist also maskulinum, femininum oder neutrum, etwa der Mund, die Nase oder das Auge. Mit dem menschlichen Geschlecht, das nur konkreten Personen zu eigen sein kann, hat das aber nichts zu tun. Die Genera der Sprache sind grammatische Kategorien, abstrakte Größen.“
So spräche nichts dagegen, Wörter wie „Teilnehmer“, aber auch „Arzt“, „Student“ und „Lehrer“ für alle Geschlechter zu benutzen, also auch für Menschen des Geschlechts divers, betonte der Experte: „Dann bräuchte niemand den Genderstern.“ Weil sich aber in der Vergangenheit die „-in-Formen“ durchgesetzt hätten, habe sich daraus die Notwendigkeit ergeben, für das dritte Geschlecht eine neue Form zu erfinden.
Neef selbst lehnt das Gendern aber nicht kategorisch ab: Wenn er Vorträge übers Gendern halte, sage er schon mal „Liebe Anwesende“. „Ich möchte ja als respektvoll wahrgenommen werden und alle Menschen respektvoll ansprechen. Eine Form wie ,Teilnehmer*in“ ist für mein Empfinden aber nicht respektvoll.“
Die Behörden preschen vor
Stimmen der Vernunft haben Mühe, gegen eine Entwicklung Position zu beziehen, die im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Radio, aber auch in Stadtverwaltungen phonetische und semantische Verbiegungen programmiert. Die Stadt Bonn lebt Geschlechtergerechtigkeit. Will sagen: „Geschlechtergerechtigkeit (Gender Mainstreaming) ist ein integrierender Prozess, der hinterfragt, inwieweit politische Entscheidungen und Verwaltungshandeln eine echte Chancengleichheit der Geschlechter erreichen.“
Sprachlich hat das bis dato noch nicht zu nennenswerten Verwerfungen geführt. Eine Meldung der Stadt Bonn zum Landeswettbewerb „Jugend musiziert“ spricht ganz klassisch von Schülerinnen und Schülern, die sich beteiligt haben. In Köln sind sie schon weiter. Die Angestellten und Beamten der Stadtverwaltung bekommen einen Leitfaden, in dem sie unterrichtet werden, wie sie „wertschätzend“ sprechen sollen.
Der Leitfaden, man ahnt es, ist von einer Qualität, die den Spott vonseiten kritischer Beobachter wie ein Magnet anzieht. Jürgen Kaube, der fürs Feuilleton verantwortliche Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, informierte die Öffentlichkeit, dass die Verwaltung in Köln statt „jeder“ künftig „alle“ sagen muss, „weil jeder – Bürger, Kölner, Jeck – ja nur Männer anspreche“. Aus Fußgängern und Fußgängerinnen würden demnächst Zufußgehende. „Ob daraus dann auch Zufußgehendenzonen und -ampeln folgen, dürfte vom Bedürfnis der entsprechenden Beauftragten abhängen, sich weiter wichtig zu machen“, stellte Kaube fest.
„Die Gestrandeten“ als Gender-Roman
Nun ist es ja unbestreitbar, dass Sprache sich verändert. Allerdings verweigert sich das Volk gern einem weltfremden Regelwerk, das die Obrigkeit ihm aufzwingen will. Ob die Zufußgehenden eine Zukunft im Alltag der Menschen haben, erscheint mehr als ungewiss.
Wer sich eine entspannte Distanz zu der leidenschaftlich geführten Debatte um genderkonformen Neusprech bewahrt hat, entdeckt in dem Vorgang Züge einer etwas albernen Komödie. Dazu passt eine Pressemitteilung des Ronin Hörverlags aus Erlangen. Der lobt sich für das Erscheinen des ersten Hörbuchs, in dem gegendert wird: Dinko Skopljaks „Die Gestrandeten“.
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In dessen Romanvorlage spielen Zombies eine tragende Rolle. Der Verlag ordnet das wie folgt ein: „Es heißt Zombiejagende – nicht Zombiejäger. Es heißt Messerwerfende – nicht Messerwerfer. Jedenfalls in unserem Hörbuch ,Die Gestrandeten“! Denn Autor Dinko Skopljak gendert in seinem Roman konsequent – etwas, was der Ronin Hörverlag auch in Zukunft unterstützen wird.
Skopljak steht auf gegen eine aus seiner Sicht diskriminierende Sprache: „Ich rechtfertige mich nicht für gendergerechte Formulierungen und ob sich Ewiggestrige davon gestört fühlen. Vielmehr sollten sich diejenigen erklären, die veraltete und diskriminierende Sprachformen gutheißen, fördern und verteidigen.“
In seinem Roman existiert die uns bekannte Zivilisation nicht mehr. Durch eine hoch ansteckende Seuche kehren Infizierte als blutrünstige Bestien von den Toten zurück. Derweil verschlägt es einige Flüchtlinge auf eine Mittelmeerinsel. Angesichts der Apokalypse bündeln sie Ressourcen, um ihre Überlebenschancen zu steigern. Denn auch auf der Insel sind sie nicht sicher – weder vor der Epidemie noch vor anderen Überlebenden.
Und schon gar nicht vor einer gendergerechten Sprache.