Hendrik Streeck präsentiert mit „Das Institut“ seinen Debüt-Thriller, der in der Welt der Virologie spielt und Spannung verspricht. Aber hält er das auch?
„Das Institut“Was der Thriller von Virologe Hendrik Streeck bietet

In Laboren kennt sich Hendrik Streeck selbstredend richtig gut aus.
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Läuft doch für Hendrik Streeck. Gerade ist der Virologe in den Bundestag gewählt worden, nun erscheint ein neues Buch. Und im Gegensatz zu den bisherigen Veröffentlichungen ist es ein Thriller. Und er hat beherzt, was man Debütautoren oft ans Herz legt: Schreib über das, was du kennst. Und so spielt „Das Institut“, das der Bonner auch auf der lit.Cologne vorstellen wird, in der Welt der Viren und ihrer Erforscher, angesiedelt in Boston, wo Streeck für einige Zeit studiert und gearbeitet hat. Sach- und Ortskenntnis sind also garantiert.
Die Wissenschaftlerin Donna wird tot vor einem Hochhaus gefunden. Alles deutet auf Selbstmord hin, nur der gerade von Chicago nach Boston gewechselte Detective Vince Bickle hat seine Zweifel. Gegen den Willen seines Kollegen, der kurz vor dem Ruhestand steht, und seines Vorgesetzten, der von den Einflussreichen in der Stadtgesellschaft in Schach gehalten wird, ermittelt Vince auf eigene Faust.
Komplott um ein tödliches Virus
Gemeinsam mit dem deutschen Postdoktoranden Frank, der wie Donna am Virologischen Institut gearbeitet hat, deckt er ein Komplott auf. Dessen Eckpunkte: ein tödliches Virus, die gerade erst entdeckte Möglichkeit, dies mit einem Ein- und Ausschalter unauffällig einzusetzen sowie die widerstreitenden Interessen chinesischer Pharmafirmen und des US-Militärs, Stichwort Biowaffen. So weit, so spannend. Allein in der Ausführung hakt es gewaltig.
Da wäre zunächst mal das Agieren des Polizisten Vince. Klar, Detectives, die es mit dem Gesetz nicht so genau nehmen, gehören zur DNA des Genres. Nur brav den Regeln zu folgen erzeugt keine Reibung. Aber was Streecks Held so alles anstellt, ist schlicht hanebüchen.
Da wird sich mit möglichen Zeugen einfach mal auf ein Kaltgetränk in einer Kneipe getroffen. Oder sie werden im Dunkin’ Donuts angesprochen: „Nenn mich Vince. Also, ich habe gehört, dass du im Virologischen Institut arbeitest?“
Als er auf der Straße von zwei Schlägern verprügelt wird, meldet Vince dies nicht seinen Vorgesetzten. Er will lieber erst einmal allein herausbekommen, wer die beiden waren. Einfach nur unseriös ist sein Vorschlag, Frank solle ins Büro seines Chefs einbrechen, um ein Beweisstück zu organisieren. Und nach dem großen Showdown im Labor wollen die beiden sich durch die Hintertür verdrücken, „um am Ende keine Fragen beantworten zu müssen“. Dabei haben sie wohl vergessen, dass zumindest Frank sich am Eingang mit seiner Karte angemeldet hat...
Auch das Verhalten einiger potenziell Verdächtiger dem Ordnungshüter gegenüber gerät arg salopp: Auf sein „Danke, Dr. Wurcel, dass Sie kurz Zeit haben.“ ist die Antwort „Boah, wie bist du denn drauf?“ Und wenn Vince diese Zeugin auf die Frau anspricht, die gerade ums Leben gekommen ist und eine enge Kollegin war, wird dies „mit einem kurzen, aber hörbaren Würgegeräusch“ kommentiert.
Sprachlich gerät einiges recht grob
Insgesamt würde man sich sprachlich manchmal mehr, um im Labor-Jargon zu bleiben, den vorsichtigen Einsatz einer Pipette wünschen, das bereits genannt „Boah“ ist hier Stellvertreter für verbale Grobheiten beim Versuch, die Protagonisten natürlich klingen zu lassen. Und dass der italienische Wissenschaftler und seine spanische Kollegin ihre wörtliche Rede mit Phrasen in ihren Muttersprachen verzieren, ist wenig originell.
Selbstredend spielen die wissenschaftlichen Inhalte eine große Rolle. Und was man über das Forschungsgebiet der toten Donna und ihrer Widersacherin Alice erfährt, ist wirklich spannend egal, ob das alles der Fantasie Streecks entsprungen ist oder auf Tatsachen basiert. Nun gehen ihm manchmal die virologischen Pferde so sehr durch, dass alle, die im Biologieunterricht bisweilen ihre Schwierigkeiten hatten, zwischen DNA, RNA, Aminosäuren, Proteinen, crispen und codieren ins Straucheln geraten.
Mit großer Leidenschaft hingegen klärt Streeck seinen Leserinnen und Leser über Machtkämpfe und Machtmissbrauch in der Forschung auf. Da geht es um wissenschaftliche Ergebnisse und Fördermittel, aber auch um Veröffentlichungen: Wer hat wie viele Aufsätze in welchen Publikationen vorzuweisen? Vor allem letzter Punkt wird immer wieder als die „Währung“ bezeichnet. Wer viel in den Fachzeitschriften unterbringen kann, gewinnt an Ansehen, und eine größere Reputation erleichtert den Zugang zu finanziellen Ressourcen.
Dies zu vermitteln, liegt Streeck so sehr am Herzen, dass es in gefühlt jedem Gespräch, das Ermittler Vince mit einer Wissenschaftlerin oder einem Wissenschaftler führt, thematisiert wird – und der Autor selber es in seinem ausführlichen Nachwort noch einmal aufgreift.
Unterm Strich hätte ein strengeres Lektorat aus der guten Idee ein gutes Buch machen können. Dabei wäre sicherlich auch ein Satz wie dieser dem Strich zum Opfer gefallen: „Wie Magma drückt sich das venöse Blut zähflüssig zu einer immer breiter werdenden Lache unter ihrem Kopf hervor und wurde längst von dem Regenwasser auf der Straße verdünnt.“