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Désirée Nick in KölnKlare Ansagen einer „alten weißen Frau“

Lesezeit 5 Minuten
Lesung von Desiree Nick im Senftöpfchen-Theater.

Desiree Nick liest im Kölner Senftöpfchen-Theater aus ihrem neuen Buch "Alte weisse Frau".

Die Komödiantin und Performancekünstlerin Désirée Nick präsentierte vor dem Jahreswechsel ihr neues Buch im Senftöpfchen in Köln.

„Wäre Gott eine Frau, hätte er das Schlamassel auf der Welt nicht so weit kommen lassen!“ Nicht weniger als das höchste Wesen dient der Komödiantin, Schauspielerin und Provokateurin Désirée Nick als Maßstab für ihr neues Buch „Alte weisse Frau“. Es ist eine Ansage à la Nick: Gleichberechtigung im Beruf, im Privatleben und beim Sex, zudem endlich die Anerkennung, die vor allem den „alten“ Frauen zusteht. Die Nick verlangt alles auf einmal und das wohl auch zurecht.

Bei ihrer Lesung im Kölner Senftöpfchen am Freitag vor dem Jahreswechsel nahm die Performance-Künstlerin kein Blatt vor den Mund. Zum Vergnügen ihres Publikums im hübsch dekorierten Theatersaal an der Großen Neugasse. Ein Verehrer im Oberrang war an diesem Abend besonders angetan von den verbalen Obszönitäten und provokanten Sprüchen der Nick. Sein lautes, theatralischen Lachen prägte den Abend mit. Aber dazu später.

Parforceritt durch die weiblichen Krisen

„Ich lade Sie heute Abend zu einer Oper in mehreren Akten ein“, eröffnet die Nick ihr Feuerwerk der verbalen Attacken auf die Männer, junge Beauty-Frauen, Social-Media-Sternchen und sich selbst. Dass die 67-jährige Ex-RTL-Dschungelkönigin ihre Brille in der Garderobe vergessen hatte und nochmals beginnen musste, nahm ihr in „ihrem“ Publikum niemand übel. Désirée Nick überspielt solche kleinen Fauxpas' mit Leichtigkeit. Sie kann ihre Fans im Saal als faltige Selbsthilfegruppe, Tupper-Party-Teilnehmerinnen oder gealterte Boy Group bezeichnen und sie dann in einem Atemzug als das beste Publikum der Welt umarmen mit ihrer ganz speziellen divenhaften Nonchalance.

„Was ist eine Cis-Frau?“, fragt die Nick zu Beginn ihrer Lesung. Und gibt dann spitz zum Besten, dass diejenigen, die nicht wissen, was eine Cis-Frau ist, wohl auch den Rest nicht verstehen und somit auch nicht mehr gebraucht werden. Das Kapitel sei ein Plädoyer, wie Frauen, die als Frauen geboren sind, sich auch als Frauen fühlen können eben cis-geschlechtlich seien. Cis aus dem Lateinischen für „diesseits“ bezeichnet Personen, deren Geschlechtsidentität mit dem anhand äußerer Merkmale vor oder unmittelbar nach der Geburt bestimmten Geschlecht übereinstimmt. Mit allen Rechten, die ihnen zustehen.

Es folgt ein tempogeladener Parforceritt durch die Krisen und blutigen Leiden des weiblichen Geschlechts, im Job, bei Geburtsschmerzen, der Doppelbelastung in Partnerschaften mit Kind, durch Menstruationsleiden sowie frauenfeindliche Werbung und die Aussortierung durch die Männer spätestens ab dem 50. Lebensjahr.

Um diese weiblichen Traumata zu überwinden, seien die Cis-Männer wenig hilfreich. Nick: „Es sind nicht alle Männer Schweine, manche sind auch A...löcher!“ Rums! So ist die Nick. Daher gebe es nur einen Weg für Frauen wie sie: „Gefallt nicht den Männern, sondern kümmert euch um euch selbst!“

Ihren größten Fan zum Höhepunkt gebracht

Dass die Komödiantin permanent zwischen Sprüchen zum Fremdschämen und Beschreibungen von erfrischend heiteren Obszönitäten jongliert und dabei nicht immer den unterhaltsamen Ton trifft, stört an diesem Abend gefühlt niemanden. Es sind ja auch ihre Fans, überwiegend fast im gleichen Alter, die sich über ihre Scherze, häppchengerecht serviert für „ältere weiße Menschen“, hörbar amüsieren.

Als die Nick darüber plaudert, wie wunderschön sie ihre „immer noch jugendliche Mumu“ findet, und sich ihr Gesicht davon durchaus etwas abschneiden könnte, bricht es abermals aus dem Verehrer im Oberrang in Form eines nicht aufhörenden, lauten Lachens heraus. „Es freut mich, dass ich Sie wieder zum Höhepunkt gebracht habe“, wirft sie ihm spontan und leicht genervt, aber voller gespielter Bewunderung entgegen.

In diesen Situationen macht der Berlinerin mit angeborener „Schnauze“ so schnell keiner was vor. „Ich habe das beste Publikum der Welt und das schon seit Jahrzehnten. Die Nick teilt eben nicht nur aus, sondern kann auch über sich selbst lachen.

"Die Zeit arbeitet gegen euch"

Im Kapitel „Home, smart home“ folgen Geschichten über Künstliche Intelligenz (KI) im Alltag, die natürlich meist von Männern entwickelt wurde und so „geniale Chancen“ für die alte weiße Frau von heute bereit hält, wie die Bedienung des Staubsaug-Roboters oder der Jalousien zu Hause, wenn sie im Urlaub ist.

Nein, die Nick kennt an diesem Abend kein Pardon: Ihr Lieblingsspielplatz Reality-TV hat für sie längst seinen Reiz verloren, weil dort nur noch Amateure und Social-Media-Sternchen unterwegs seien, die sich für einen Euro Gage ein paar Likes erhoffen. Sie wisse, wovon sie rede, so die Nick. Auch die jungen Frauen bekommen ihr Fett weg: „Gemachte Brüste, Schönheitseingriffe und gefakte Social-Media-Profile die Zeit arbeitet gegen euch“, lächelt die Nick diabolisch in ihr Publikum. Doppel-Rums an die jungen Cis-Frauen oder Männer, „die noch im Umbau sind“.

Durchatmen. Nach der Lesung folgt ein Dialog mit ihrem Publikum. Es dürfen Fragen gestellt werden. Ihr Mega-Fan aus dem Oberrang darf sogar zwei stellen. Es sollte sich für ihn lohnen: Er kann auf ein Treffen zum Kaffee mit der Diva in Berlin hoffen. Die Nick lässt sich gebührend feiern von ihrem Publikum – selbstredend „dem besten der Welt“.

„Alte weisse Frau: Warum Falten kein Knick im Lebenslauf sind“, Penguin Verlag, 288 S., 18 Euro.


Désirée Nick spielt Theater in Köln

Die Allround-Künstlerin Désirée Nick tritt am 24. Februar im Köln-Porzer Rathaussaal in der Komödie „Bette und Joan“ zusammen mit Anouschka Renzi auf. Für das Stück über die Rivalität der Hollywood-Diven Bette Davis und Joan Crawford bei den Dreharbeiten zum Film „Was geschah wirklich mit mit Baby Jane“ von 1962 gibt es noch Karten.