Bye, bye Bio!Ein Rückblick auf unvergessene Momente mit Alfred Biolek
- Er bescherte Deutschland unvergessliche Fernsehmomente.
- Nun ist Alfred Biolek im Alter von 87 Jahren „friedlich eingeschlafen“, wie sein Adoptivsohn Scott der Deutschen Presseagentur mitteilte.
- Axel Hill blickt zurück auf ein pralles Leben – vor, hinter und abseits der Kamera.
Der Quereinsteiger
Obwohl promovierter Jurist hatte Alfred Biolek immer schon einen Hang zur Kultur. Und so wechselte er beim ZDF schnell von der Rechtsabteilung in die Redaktion und landete schließlich vor der Kamera, unter anderem als Moderator der „Drehscheibe“. Für den WDR holte er die britsche Comedytruppe Monty Python ins Programm und produzierte Rudi Carrells Dauerbrenner „Am laufenden Band“.
Der Innovator
Als man in Deutschland noch nicht so richtig wusste, was eine Talkshow ist, brachte er zusammen mit Dieter Thoma „Wer kommt, der kommt“ auf die Bühne des Kölner Senftöpfchens (dem Haus blieb er jahrzehntelang als Vorsitzender des Fördervereins treu). Aus dem Live-Experiment entstand für den WDR der „Kölner Treff“ (ab 1976), „Boulevard Bio“ (1991−2003) wurde zum Inbegriff der gepflegten Gesprächskultur.
Auch wenn ihm häufig vorgeworfen wurde, zu brav zu fragen, versetzte gerade sein einnehmendes Wesen selbst jemanden wie Helmut Kohl in Plauderlaune.
Der Entdecker
Die ersten TV-Auftritte von Kate Bush oder The Police in Deutschland, Helen Schneider, die das „Heideröslein“ sang, Nana Mouskouri und Udo Lindenberg, die gemeinsam „Alles klar, auf der Andrea Doria“ schmetterten – praktisch jede Ausgabe von „Bio’s Bahnhof“ (1978−1982) sorgte für Gesprächsstoff! Hier traten große Stars auf wie Sammy Davis Jr., Ray Charles oder Charles Aznavour oder auch angesagte Bands wie Kid Creole and The Coconuts oder D.A.F. – und alle mussten live singen.
Wie auch in seinen Talkshows galt: Bioleks gediegene Optik wirkte so beruhigend auf konservative Zuschauer, dass auch schräge Vögel oder unbequeme Gesprächspartner zur Kenntnis und vielleicht sogar ernst genommen wurden.
Der TV-Koch
Er war nicht der erste, der auf dem Bildschirm den Kochlöffel schwang, aber er hat dem Genre mit „Alfredissimo“ (1994−2006) zu ungeahnter Popularität verholfen. Das Konzept: Zwei Menschen stehen in der Küche, kochen das eine oder andere, trinken etwas – und plaudern. Lukrativer Nebeneffekt: Biolek veröffentlichte eine ganze Reihe Kochbücher, die sich millionenfach verkauften.
Legendär: Der Auftritt von Dirk Bach, der den Feinschmecker und erklärten Anhänger von „guten Produkten“ Biolek das Fürchten lehrte: Bach (zu diesem Zeitpunkt noch nicht Vegetarier!), briet Hack an, öffnete einfach ein paar Dosen, die er in nur 15 Minuten im Supermarkt gekauft hatte und zauberte mit einem Mix aus der Tüte „Chilli con carne“.
Der Freund
Seine Produktionsfirma „Pro GmbH“ war so etwas wie eine große Familie – und eröffneten Freunden wie Dirk Bach oder Ralph Morgenstern ebenfalls TV-Karrieren.
Der schwule Mann
Der 1934 in Schlesien Geborene stammt aus einem konservativen Elternhaus, war selber als Student Mitglied mehrerer Verbindungen. Über Sexualität wurde nicht gesprochen – und über Homosexualität schon gar nicht, sie war in Deutschland bis 1969 komplett verboten.
Wie viele seiner Generation machte Bio sein Schwulsein nicht publik, im Gegensatz zu anderen versteckte er sich aber auch nicht. In Köln bewegte er sich offen in der Szene, war regelmäßig in verschiedenen Lokalen zu sehen. Im Dezember 1991 wurde er zusammen mit Hape Kerkeling von Rosa von Praunheim in der Sendung „Der heiße Stuhl“ unfreiwillig geoutet.
„Ich habe einen Schlag bekommen, der sehr weh getan hat, aber irgendwo hat dieser Schlag eine Verspanntheit gelöst, die danach weg war“, schrieb er dazu später in seiner Autobiografie. Seiner Karriere hat es auf jeden Fall nie geschadet. Und Praunheim verziehen hat er ebenfalls.
Der „Pensionär“
Nach seinem Abschied vom Fernsehen zog es ihn hier und da noch einmal auf die Bühne, unter anderem mit der Show „Mein Theater mit dem Fernsehen“. Von einem schweren Sturz 2010 und dem anschließenden Koma erholte er sich nicht mehr richtig. Was ihn aber keinesfalls davon abhielt, weiterhin Theaterpremieren oder Konzerte zu besuchen.
Und immer wenn man ihn traf, vergaß er nie, seinen Charme spielen und die Augen blitzen zu lassen. Ganz Gentleman, ganz zugewandt, ganz Entertainer.
„Gute Reise!“
WDR-Intendant Tom Buhrow würdigte Biolek als ein „Allroundtalent des deutschen Fernsehens“. „Er war nicht nur ein begnadeter Talkmaster, sondern auch Ideengeber, Entdecker, Förderer und äußerst kreativ.“
Für Kölns OB Henriette Reker suchte er „immer und überall nach dem Verbindenden. Die Art und Weise seiner Kommunikation, mit der er dem Gesprächspartner ein hohes Maß an Wertschätzung vermittelte, war eine außergewöhnliche und wunderbare Gabe.“
Bei Twitter erinnern Kollegen an ihn . „Monitor“-Moderator Georg Restle: „Ein Mann, der uns wie kaum ein anderer zeigte, wozu intelligente Unterhaltung fähig ist. Harald Schmidt wünscht ihm „Gute Reise!“ (dpa/Twitter)