Traumpaar der Nachkriegsliteratur? Der Briefwechsel von Max Frisch und Ingeborg Bachmann gibt Einblicke in eine schwierige Liebesbeziehung.
BriefwechselMax Frisch und Ingeborg Bachmann in Trümmern ihrer Liebe
Sie waren Stars des Literaturbetriebs in einer Zeit, in der man in Deutschland die Vergangenheit abstreifen wollte und nach Vorbildern gierte. Eine junge Lyrikerin, die auf dem Titelbild des Nachrichtenmagazins Spiegel erscheint, und ein Romancier, der den Mythos des Ödipus in unserer technisierten Welt freilegt. Die Österreicherin Ingeborg Bachmann und der Schweizer Max Frisch waren 1958, als sie sich begegneten, das Traumpaar der deutschen Nachkriegsliteratur.
Mit dem Zerbrechen der Beziehung beginnt ein Stellvertreterkrieg
Ihre Fangemeinde verklärt die beiden zu Idolen, und so entspann sich über dem Zerbrechen der Beziehung ein Stellvertreterkrieg, der bis in unsere Gegenwart reicht. Wer war schuld? Diese Frage stand nur zu offensichtlich im Raum. Dass der Briefwechsel der beiden nicht zugänglich war, ließ die Mutmaßungen in alle Richtungen schießen.
Entsprechend skeptisch wurde auf die nun veröffentlichte Ausgabe der Briefdokumente reagiert, die Hans Höller, Renate Langer und Thomas Strässle in einer über 1000-seitigen Ausgabe vorlegen. „Aber welches Geheimnis soll hier geschützt werden, Legenden und Mythen?“, fragt Barbara Wiedemann, die die Herausgabe koordinierte.
Im privaten Briefwechsel versteckt sich großartige Literatur
Sie stellte jetzt im bis auf den letzten Platz belegten Literaturhaus den Briefwechsel in Köln vor. Christiane Nothofer und Robert Christott lasen die Textpassagen in ihrer ganzen Vielstimmigkeit, die noch einmal zeigte, dass hier im Privaten großartige Literatur geschrieben wurde. Nach dem Ende der Beziehung zerstörte Ingeborg Bachmann alle Briefe und Fotografien von Max Frisch. „Ich will alle Briefe zurück haben“, forderte sie von ihm. Er war aber nicht zur Rückgabe bereit und behauptet: „Die Briefe gehören mir“.
Klappernde Schreibmaschinen
Deshalb stehen 165 Briefen von Ingeborg Bachmann etwa 80 von Max Frisch gegenüber, da von einigen seiner Briefe noch Durchschläge existierten. Man erinnert sich, damals wurde noch mit der Schreibmaschine geschrieben, die Kopie bestand im Durchschlag.
Die Post brauchte Tage und das Geklapper der Maschinen – und wahrscheinlich noch mehr das Schweigen der Maschinen – ging den beiden Schreibenden in jenen Zeiten, in denen sie in der gleichen Wohnung lebten – mächtig auf die Nerven.
Barbara Wiedemann bot im Literaturhaus den knochentrockenen Auftritt einer Literaturwissenschaftlerin, und damit genau die passende Haltung zum Sujet. Denn Distanz ist zum Zerwürfnis ist geboten. Wiedemann erklärt, dass zwar der erste Kontakt durch eine Notiz von Frisch ausging, aber Bachmann alle Hebel in Bewegung setzte, um mit Frisch eine Beziehung zu knüpfen.
Ingeborg Bachmann macht sich zum Opfer der Liebe
Gleich in den ersten Briefen stilisierte sie sich zum Opfer der Liebe. Wie sie die Opfer-Karte überhaupt stets im Ärmel behält und virtuos auszuspielen bereit ist, als sie mehrere Liebschaften unterhält. Gegen Ende der Beziehung, als sie sich innerlich von Frisch schon getrennt hat, und bemerkt, dass er sich nun auch von ihr löst, scheinen Trauer und Zorn dann zu verschmelzen.
Versöhnung kommt für Bachmann nicht infrage. Frisch ist seinerseits viel zu selbstbewusst, um in Zerknirschung zu verfallen. Die Frage, was Liebe denn nun eigentlich ausmacht, bleibt der Faden einer Korrespondenz, die voller hellsichtiger psychologischer Selbstbeobachtungen und gesellschaftlicher Diagnosen ist.
Einfluss auf die Prosa
Abschriften oder Durchschläge fertigte Max Frisch von seinen Briefen an Ingeborg Bachmann auch deswegen an, weil er die Korrespondenz als Material für seinen Roman „Mein Name sei Gantenbein“ brauchte. Darin trägt die Figur „Lila“ Züge Bachmanns. Protagonist Gantenbein spielt einen Blinden, der scharf beobachtet. Der Erzähler erfindet für sich wechselnde Identitäten. (eb)
Ingeborg Bachmann/Max Frisch: „Wir haben es nicht gut gemacht“. Der Briefwechsel. Herausgegeben von Hans Höller, Renate Lange, Thomas Strässle, Barbara Wiedemann. Suhrkamp Verlag. 1040 S., 40 Euro