AboAbonnieren

Mozarts „Entführung aus dem Serail“Buh-Orkan nach Opernpremiere in Bonn

Lesezeit 4 Minuten
Die Entführung aus dem Serail Oper Bonn Premiere September 2023
Alina Wunderlin als Blonde

Die Entführung aus dem Serail Oper Bonn Premiere September 2023 Alina Wunderlin als Blonde

Die radikale Neuinterpretation von Mozarts „Entführung aus dem Serail“ versetzte das Premierenpublikum in der Bonner Oper in Rage.

Das Bonner Opernpublikum ist eigentlich nicht dafür bekannt, Künstler auszubuhen. Doch was sich am Sonntagabend (17.September) nach der Premiere von Wolfgang Amadé Mozarts Singspiel „Die Entführung aus dem Serail“ im Saal ereignete, hat das Zeug, in die Annalen des Hauses einzugehen. Regisseurin Katja Czellnik musste sich einen Buh-Orkan gefallen lassen, nachdem zuvor Darsteller und Musiker ausgiebig bejubelt worden waren.

Gründe für die heftige Publikumsreaktion gibt es sicher mehrere. Einer davon ist Czellniks zugleich schriller wie belehrender Stil, mit dem sie das ganze Stück umkrempelt. Natürlich muss man die Texte des Librettisten Johann Gottlieb Stephanie nicht besonders toll finden, die gesprochenen Dialoge deshalb gleich zu eliminieren, ist keine besonders gute Lösung. Das funktioniert in der „Entführung“ genauso wenig wie in der „Zauberflöte“ oder in Beethovens „Fidelio“. Es bleibt immer nur ein Rumpf übrig.

Rolle des Bassa Selim gestrichen

Dass in ihrer Inszenierung der Bassa Selim, bei dem es sich um die einzige reine Sprechrolle im Stück handelt, gleich mit geopfert wurde, ist in der Sache zwar konsequent, im Ergebnis aber wenig überzeugend. Schließlich kommt ihm in Mozarts Singspiel als moralische Instanz eine Schlüsselrolle zu. Am Ende preisen Chor und Solisten die Huld und Milde des Bassa, ohne dass diese Figur je in Erscheinung getreten wäre. Dass Osmin andeutungsweise dessen Part vertritt, ist ein schwacher Ersatz.

Czellniks Anliegen ist es, das Stück in seinem wahren historischen Kontext zu beleuchten. Zu zeigen, dass die Gefangenen Konstanze, Blonde und Pedrillo sowie Belmonte, der sie aus dem Serail des Bassa befreien will, keineswegs aus einer Kultur lauter guter Christenmenschen stammen. Da wird auf der von Hank Irwin Kittel gestalteten Bühne zu Beginn unter aufgespießten Köpfen diniert, die unzweifelhaft von Menschen aus dem Osmanischen Reich stammen. Statt der Dialoge kommen Texte von Michel de Montaigne, Jean Jacques Rousseau und anderen ins Spiel, in denen es unter anderem um den westlichen Blick auf andere Kulturen oder auch um die beklagenswerte Rolle der Frau in dieser Zeit geht.

Überfülle an Bildern

Dass Czellnik ihr Anliegen dann mit einer Überfülle von Bildern, Anspielungen – ernsten wie albernen – anreichert, macht die Sache nicht besser. So viele männliche Genitalien wie in dieser Produktion von den Kostümen der Statisterie baumeln, hat man auf der Bonner Opernbühne sonst sicher noch nie gesehen. Wenn die mit pinker Perücke ausgestattete Blonde ihre hübsche Arie „Welche Wonne, welche Lust“ singt, lässt sie Männer mit angehefteten Gemächten und Pudelköpfen durch einen Feuerreifen aus Pappmaché springen. Und ihr gekränkter Aufseher Osmin schneidet in Vorfreude auf die erwartende Hinrichtung der Christen einem Schweinskopf Rüssel und Ohren ab. Nicht sehr appetitlich.

Exzellenter Gesang

Dass sie Szenenapplaus erhalten, liegt an der durchweg ausgezeichneten sängerischen und musikalischen Qualität der Produktion. Vor allem die beiden Frauenrollen sind grandios besetzt. Die junge belgische Sopranistin Lisa Mostin berührt mit einer schön geführten, ausdrucksstarken Sopranstimme. Ihr gelingt es, die abgrundtiefe Trauer, die Mozart ihr in diese Partie hineinkomponiert hat, zum Ausdruck zu bringen und in der Arie „Marten aller Arten“ das Aufbegehren gegen ihr Schicksal zu artikulieren. Ihre Koloraturen sind da mehr als nur virtuose Schau, sondern ein Ausdruck des Selbstbewusstseins.

Davon besitzt auch Alina Wunderlins Blonde eine Menge. Ihrem leicht ansprechenden, lyrischen Sopran zuzuhören, ist ein Vergnügen. Der Tenor Manuel Günther singt den Belmonte mit schönem Schmelz und Ausdruck, und Tae Hwan Yun gestaltet als Pedrillo die zauberhaften Mozart-Melodien ganz grandios. In der Rolle des Osmin wirft sich Tobias Schabel einen typgerechten Fettbauch über. Gesanglich sind seine Wutausbrüche eine Wucht.

Orchester umschmeichelt das Ensemble

Das Beethoven Orchester begleitet das Bühnengeschehen unter der Leitung von Hermes Helfricht ausgesprochen lebendig. Der Streicherklang besitzt Wärme, und immer wieder leuchten innige Holzbläserfarben auf. Die Sängerinnen und Sänger dürfen sich da bestens aufgehoben fühlen. Und in der Janitscharen-Musik darf es dann im Orchester auch schon mal richtig zur Sache gehen. Da hat dann auch der von Marco Medved einstudierte Chor mitreißende Auftritte.

Termine:  21., 23., 29. September, 3., 8., 22. Oktober, 5., 25. November, 20., 25., 28. Dezember.