Vom „Arschtritt“ auf Holz bis LegoDiscovery Art Fair Cologne in Kölner XPost eröffnet
Köln – Fouls sind fies. Aber ganz ehrlich –für die Bildkomposition eignen sie sich hervorragend: Der Körper gerät in ungewollte Umwucht, die Perspektive gibt Rätsel auf, und manchmal schleicht sich bei allem Chaos auch ein bisschen Schadenfreude ein.
Freude machen Kai Staudachers Sportler, die er beim „Hosenziehen“, „Ringen“ und dem „Arschtritt“ porträtiert. Die grafischen Arbeiten auf Holz sind für das Auge ein Genuss und mit 1500 Euro nicht einmal überteuert.
Die „discovery art fair“ bleibt der Ursprungsidee, Kunst für Nachwuchssammler anzubieten, in großen Teilen treu. Es gibt Werke unter hundert Euro, und 10.000 Euro für vier Zeichnungen der Serie „Probe“, die der jüngst verstorbenen Skandalmaler Hermann Nitsch Mitte der 1980er Jahre malte, scheinen nicht überzogen. Es gibt ganz aktuelle kritische Positionen, wie die Bilder des libanesischen Künstlers Salah Missi, der in beschämender Direktheit die Not einer verlorenen Generation vermittelt.
Die Galerie no/mad utopia aus Beirut zeigt seinen Kopf in Serie, den er hinter den verschränkten Händen versteckt. Eine Mischung aus Anonymität und allgemeingültigem, persönlichem Schicksal. Gesichtslose Reiter: Das ist der Beitrag der von Serhiy Hai, den die STH Gallery aus Lviv in der Ukraine zeigt. Uwe Tabatt verbindet an seinem Stand zivilisationskritischen Impetus mit fantastischem Realismus – wenn aus dem Profil seiner Reifenskulpturen Skylines von Megacitys wie Geschwüre wachsen.
Wandel zur Entdeckermesse
Seit 2014 gibt es die Kölner Liste der „art fair“, die 2018 in „discovery art fair“ umbenannt wurde, da es immer internationaler wurde. Seither findet die „Entdeckermesse“ im Herbst auch immer in Frankfurt statt. Die siebte Ausgabe der Messe, ist anders als die Art Cologne auf Nachwuchssammler und Kunstliebhaber mit kleinerem Budget ausgerichtet ist, wird heute eröffnet und findet bis Sonntag im, XPost-Gebäude am Gladbacher Wall 5 statt. Am heutigen Freitag ist der Eintritt frei, Samstag und Sonntag kosten die Tickets einschließlich Messekatalog 15, ermäßigt 10 Euro. Fr bis Sa 11 – 20 Uhr, So 11 – 18 Uhr. (jan)
discoveryartfair.com
Messedirektor Jürgen Golz begrüßte nach der Pandemiepause und räumte ein, dass es „Unschärfen“ im Konzept gibt. Denn George Grosz, den die Galerie Wolfram Völcker aus Berlin in ihrer Koje hat, sei nicht unbedingt zeitgenössisch. Aber wie aktuell er ist, zeigt ein Blatt, auf dessen einer Seite eine Militärparade, auf der anderen ein Porno zu sehen ist.
Farbenfrohes und Ausgefallenes kommen in der XPost in Köln zusammen
Die Kuratorinnen und Kuratoren Barbara Fragogna und Susanne Obert, Peter Funken und Stefan Maria Rother bringen 140 Aussteller aus 15 Nationen unter einen Hut. Es macht Spaß durch die Hallen der XPost am Gladbacher Wall zu flanieren. Die Gegenwart wird in ihrer Bedrohlichkeit nicht geschönt. Aber auch für Humorvolles gibt es Raum.
Von umwerfender Farbenfreude sind die Bilder von Gerdine Duijsens (Galerie Reitz, Köln). Verzückte Gesichter beim Sektempfang, dem Streichquartett und der Hochzeit – eine Mischung aus Loriot und Dubuffet.
Frederik Erichsen (Jahrgang 1980) aus Köln vermittelt in seinen „Drip Smileys“ (Kalkman gallery Antwerpen und Maastricht) eine Fröhlichkeit, deren Zuckerguss gerade hinwegätzt. Ganz viel Buddha begegnet dagegen den Besuchern am Stand von Sina Vodjanis Photosymphonie (Hamburg). Die Schweizer CasaGalleria.Art hat Werke von Yuri Catani, der ins virtuelle, die NFT-Kunst übergeht.
Mary O’Connor (Moc Art) aus La Calamine in Belgien krönt ihre Baumbilder mit Blattgold, und Volker W. Hamann aus Filderstadt kreiert mit der Kreissäge aus Plexiglas, Acryl und Pigmenten für 6500 Euro ein Drachenauge, das in seiner farblichen Intensität gefährlich betörend ist.
Neue Entdeckungen hat die Messe zu bieten, viel Nachwuchs, aber auch manches, das an die üppigen Dekotische eines holländischen Gartencenters erinnert – wenn der Schimpanse zum Beispiel die Stehlampe hält. Die Galerie Overhead aus Münster hat Vogelhäuschen mit Sandmännchenfiguren im angekratzten „Shabby-Look“ – wer es mag.
Ein Hingucker wiederum ist Benjamin Burkards „Traumsüchtiger“ (30works-Galerie, Köln): ein Hirsch, den man sich vielleicht übers Sofa hängen will, wenn einem der Sinn nach Surrealem ist. Außergewöhnliches bietet die Fotografie- und Medienkunst.
Fotos von Armin Rohde und Lautsprecher in Duschkopfform
Brillante Fotos des Schauspielers Armin Rohde hat die Galerie Noir blanche, dort sind auch Bilder von Monika Baumgartl. Wie „Cars“ – in New York, havarierte US-Schlitten in Seitenstraßen, ausgeschlachtet, im Nebel oder Pfützen.
Die Messe geht diesmal auch in den alten Gewölbekeller des ehemaligen Postpaketzentrums. Hier sind die Skulpturen. Andreas „Zypper“ Reikowski spielt dort mit Legowelten, für die es keinen Bausatz gibt. Das Institut für Inszenierung lädt in eine begehbare Rauminstallation, in der aus zwei duschkopfartigen Lautsprechern Philosophisches rauscht.
Bildhauer Rainer Jacob aus Leipzig lässt die Besucher nur mit verbundenen Augen in einen fensterlosen Kasten. Dort dürfen sie seine Skulptur „BLINDI I“ ertasten. Auch der Künstler selbst hat sie nie gesehen. Denn wird sie erspäht oder gar fotografiert, ist sie für ihn zerstört.