Die Musikerin und Aktivistin Annie Lennox wird 70 Jahre alt. In 40 Jahren Karriere blieb ihr Œuvre überschaubar.
Eine Frau, die sich rarmachtAnnie Lennox wird 70 und setzt ihre Stimme für soziale Projekte ein
Karottenrote, ultra-kurze Haare, dazu ein dunkelgrauer Anzug, weißes Hemd, hellgraue Krawatte – streng kam Annie Lennox daher, in dem Video, das sie und ihren Eurythmics-Kollegen Dave Stewart berühmt machte: „Sweet dreams (are made of this)“. Das war Anfang 1983, die gebürtige Schottin war gerade 28 geworden. Nun feiert sie am 25. Dezember ihren 70. Geburtstag.
Aus dem aktiven Musikgeschäft mit Alben und Tournee hat sie sich verabschiedet, nutzt ihre Stimme aber nach wie vor, um sich für die Rechte von Frauen und Mädchen und den Kampf gegen Aids stark zu machen.
Sicherlich ist ein Teil des Erfolges der Eurythmics oder auch der späteren Soloarbeiten von Annie Lennox eng verbunden mit den bewegten Bildern, wie sie in den 1980ern via MTV in die Welt fluteten – und die sie auf besondere Weise für sich nutzte: Als seien die Clips kleine Spielfilme, trat sie immer wieder in anderer Verkleidung auf.
Mal Platinblond im Pelzmantel und schwarzhaarig in Lederkluft („Love is a stranger“), im 60er-Look mit rosa Lippenstift („Who's that girl“) oder als strickende Hausfrau („Beethoven“): Lennox schlüpfte in Rollen, spielte auf der Klaviatur der Identitäten, immer nur agierend statt zu provozieren wie Madonna zur gleichen Zeit.
Zusammengehalten wurde dieses Kaleidoskop an Charakteren von einer Stimme, die einen hundertprozentigen Wiedererkennungseffekt hat: erdig und gleichzeitig in ungeahnte Höhen schießend, schneidend, schillernd, in verschiedenen Farben strahlend. Und versehen mit einer Kraft, dass sie in der Hymne „Sisters are doin' it for themselves“ im Duett mit Aretha Franklin mehr als nur bestehen kann.
Nach der Eurythmics-Trennung 1990 und ihrem ersten Soloalbum „Diva“ (1992), das sich weltweit mehr als sieben Millionen Mal verkaufte, schien sie ein sogar noch größerer Star werden zu können. Doch Lennox entzog sich dem musikalischen Hamsterrad, dessen Lauf der Wechsel zwischen Platten und Tourneen bestimmt.
Erst drei Jahre nach „Diva“ brachte sie mit „Medusa“ ein Album mit Coverversionen heraus. Für die nächste Scheibe „Bare“ ließ sie sich acht Jahre Zeit, schrieb zwar wieder selber Lieder, die sich aber, genau wie die des Nachfolgers „Songs of Mass Destruction“ (2007), weit von Hitparaden-Tauglichkeit entfernten. Es folgten ein sperriges Weihnachtsalbum („A Christmas Cornucopia“, 2010) und noch eine Platte mit Coverversion („Nostalgia“, 2014). Nicht gerade viel für eine Künstlerin ihres Kalibers.
Während der Corona-Lockdowns beglückte sie ihre Fans mit Instagram-Videos: Zu Hause, am Klavier, spielte sie eigene und anderer Leute Lieder, verbreitete mit ihrer sonoren Sprechstimme gute Laune und wohldosierte Portionen von Durchhalte-Ansprachen.
Die sozialen Medien nutzt sie weiterhin, vor allem um ihre Meinung kundzutun, wie sie dies rund um den Konflikt zwischen Israel und Gaza recht lautstark tut. Manchmal fällt es schwer, ihre Meinung zu teilen. Aber zumindest hat sie eine und hat keine Angst, zu sagen, was sie denkt.