Im ARD-Talk am Sonntagabend ging es um die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke in Deutschland. Die Meinungen prallten aufeinander.
„Anne Will“„Unsinn“ – ZDF-Experte Harald Lesch demontiert Argumente von Atomkraft-Befürwortern
Deutschlands Atomausstieg ist mit dem Aus der letzten Kernkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 am Wochenende endgültig vollzogen worden. Die AKWs wurden in der Nacht zu Sonntag vom Netz genommen. Obwohl schon vor langer Zeit politisch beschlossen, ist die Debatte nun unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der Energiekrise neu entbrannt. Eine Verlängerung der Laufzeiten bis ins Jahr 2023 hinein war im vergangenen Jahr beschlossen worden. Insbesondere Politiker aus der Union sprechen sich dafür aus, die Atom-Ära noch nicht gänzlich zu beenden.
So wurde auch bei „Anne Will“ in der ARD am Sonntagabend über die Atomkraft diskutiert. Zu Gast waren Reiner Haseloff (CDU), Johannes Vogel (FDP), Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Harald Lesch (Astrophysiker und Wissenschaftsjournalist) sowie Dorothea Siems (Chefökonomin der „Welt“). Haseloff zeigte sich skeptisch, dass das von Kanzler Scholz ausgegeben Ziel, bis 2030 etwa 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, erreichbar ist. Er sprach sich aber auch in Bezug auf Atomkraft dafür aus, die Debatte zu „entemotionalisieren“. Er selber befürwortete den Ausstieg in dieser Form nicht und würde AKWs in Reserve halten.
„Anne Will“: „Welt“-Journalist Dorothea Siems schießt gegen Bundesregierung
FDP-Politiker Vogel kritisierte CDU-Chef Markus Söder, der in der Vergangenheit in Bezug auf die Kernenergie „seine Positionen wie Unterhosen gewechselt“ habe. Söder hatte zuletzt überlegt, Isar 2 in bayerischer Eigenregie weiterzubetreiben. Dem erteilte Vogel eine klare Absage. Allerdings könne er sich vorstellen, AKWs als Reserve bereitzuhalten, so Vogel.
Damit lag er ganz auf Linie von Dorothea Siems, die in ihren Forderungen und Behauptungen allerdings noch viel weiter ging. „Wir können nicht aus der Kohle und aus der Atomkraft raus – das ist eine Geisterfahrt“, so Siems. „Wir sind so dreckig wie sonst nur Polen oder Tschechien, die auch sehr kohlelastig sind“, redete sie sich in Rage, um ihre Argumente für Atomstrom zu unterstreichen.
„Anne Will“: ZDF-Physiker Harald Lesch redet sich in Rage gegen Kernenergie
Grünen-Politikerin Göring-Eckardt winkte allerdings unter Verweis auf die hohen Kosten und technischen Anforderungen wie neue Brennstäbe und Sicherheitsüberprüfungen ab. Kraftvolle Unterstützung bekam sie von Harald Lesch, der allen Befürwortern von Atomkraft widersprach. Der aus ZDF-Sendungen bekannte Astrophysiker zerlegte die Argumente der Gegenseite: Atomenergie sei eine Sackgassentechnologie, die komplett vom Staat finanziert werde, so Lesch. Die Frage des Endlagers sei zudem immer noch nicht geklärt. Nachfolgenden Generationen habe man damit ein „Geschenk“ gemacht.
Es gehe außerdem um eine „Technologie, die nicht versicherbar ist. Das alleine sollte uns allen sehr zu denken geben“, meint der 62-Jährige. Damit sei die ökonomische Frage eigentlich schon klar. Die Klimaerwärmung der nächsten Jahrzehnte würde auch gegen Atomkraft sprechen, wie man in Frankreich im vergangenen Sommer bereits habe sehen können.
Angesichts des Weiterbetriebs der Kohlekraftwerke seien höhere CO2-Emissionen als geplant der negative Nebeneffekt, allerdings würden die drei deutschen Atomkraftwerke ohnehin nur noch ein paar Prozent des Stromverbrauchs decken, so Lesch.
Über eine Äußerung von CDU-Vize Carsten Linnemann, die Anne Will vortrug, schüttelte Lesch nur den Kopf. Linnemann hatte gesagt, die Forschung sei fast schon so weit, dass neue Kernkraftwerke den Müll, den sie produzieren, mitverarbeiten könnten. „Da hat er einfach Unsinn geredet, der Linnemann, und zwar vollständig“, urteilte der Physiker. Moderatorin Anne Will reagiert mit einem spontanen „Ha!“