Beim Verkehrs-Talk bekamen die CDU- und FDP-Vertreter kräftigen Gegenwind – auch von einer Mobilitätsexpertin.
ARD-Talk bei Anne WillVerkehrsexpertin hält FDP-Plan für absurd und zieht skurrilen Vergleich
Bei „Anne Will“ ging es am Sonntagabend um die Verkehrswende – ein Thema, das auch in der Ampel-Koalition derzeit wieder für Streit sorgt. „Auto oder Bahn, Tempo oder Limit - Steckt die Verkehrswende im Stau?“, wollte die ARD-Moderatorin wissen. Während die FDP und Verkehrsminister Volker Wissing den Ausbau der Autobahnen intensivieren möchte, sprechen sich die Grünen vehement dagegen aus und wollen ein Tempolimit durchsetzen.
Insbesondere neuere Untersuchungen des Umweltbundesamtes hatten ergeben, dass die CO2-Ersparnis bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 km/h auf Autobahnen deutlich höher ist als bislang angenommen.
Talk bei Anne Will: Ricarda Lang fordert Ausbau des Schienenverkehrs
Bei Anne Will waren Christian Dürr (FDP), Ricarda Lang (Grüne), Thorsten Frei (CDU), Robin Alexander („Welt“) und Katja Diehl (Autorin mit Schwerpunkt Mobilität). Während die Grünen-Chefin betonte, dass statt des Ausbaus von Autobahnen viel mehr Verkehr auf die Schiene verlegt werden müsse, gaben sich Frei und Dürr als Verteidiger der Wirtschaft und der individuellen Bürgerfreiheit durch das Auto. „Autobahnen sind auch heute noch die Lebensadern der Wirtschaft, viele Menschen sind in unserem Land darauf angewiesen“, so Frei. Es werde auch unnötigerweise viel CO2 ausgestoßen durch Staus und Umleitungen.
Dass insbesondere Menschen auf dem Land auf das Auto angewiesen, bestritt auch Lang nicht. „Ich bin selbst auf dem Land aufgewachsen“, sagte sie. „Die Verkehrswende wird am Ende in Upfingen auf der Schwäbischen Alb anders aussehen als in Berlin Mitte“, so Lang. „Das sind aber keine moralischen Debatten‚ bin ich für oder gegen Autos‘, das sind reale CO2-Einsparungen, die wir auf den Weg bringen müssen“, sagte die Grünen-Politikerin.
Tempolimit: Anne Will korrigiert Thorsten Frei
Beim Thema Tempolimit behauptet Frei, dies würde maximal ein Prozent CO2-Ersparnis bringen. Dann folgt die Argumentation, die auch die FDP vertritt: Man müsse eben mehr auf Anreize als auf Verbote und Bevormundung setzen. Daraufhin unterbricht die Moderatorin Frei und präsentiert ihm den Wert von 4,5 bis zu 6,7 Millionen Tonnen eingespartes CO2 pro Jahr. Damit wäre schon viel gewonnen, denn „Kleinvieh macht auch Mist“, so Will. Frei spielt die Bedeutung des Wertes herunter, indem er den Vergleich mit einem einzigen Kohlekraftwerk anbringt.
Dürr verteidigt die FDP-Linie, den Autobahn-Ausbau zu beschleunigen. Man müsse „überall schneller werden“, so Dürr. Es sei ja niemandem zu erklären, wenn man sage „Autobahnen bauen wir ganz besonders langsam, und das sei dann gut für die Umwelt“. „Grünes Licht für alle Verkehrsprojekte, die wir brauchen“, dann sei auch weniger Stau. „Planungsbeschleunigung = weniger Staus“, so ist Dürrs Rechnung.
Das Emissionsproblem lasse sich im Übrigen lösen, indem mehr Elektroautos fahren, außerdem müsse man auf synthetische Kraftstoffe bei Verbrennern setzen. Er verweist auf die Festschreibung dieser E-Fuels auch im Koalitionsvertrag, auf die die FDP gedrungen hatte.
Ricarca Lang widerspricht Christian Dürr beim Thema E-Fuels
Grünen-Chefin Lang widerspricht hier vehement: Dies sei eine Technologie, die „vielleicht ein kleiner Teil der Lösung“ sein könne. Sie sei nicht gegen E-Fuels, aber das Herumreiten auf diesem Thema würde den Weg versperren beim Voranbringen von E-Mobilität. Dies sei einfach der Antrieb der Zukunft, zu dem sich auch die Automobilindustrie klar bekennen würde. Dies hatte auch FDP-Chef Christian Lindner beim Autogipfel im Kanzleramt feststellen müssen, wo er mit seinem Vorstoß für E-Fuels beim VW-Chef abgeperlt war.
Unterstützung bekommt Lang von Mobilitätsexpertin Katja Diehl. Sie findet die Pläne der FDP absurd und sagt. „Autobahnen bauen gegen Stau ist wie den Gürtel zu lockern an der Hose, wenn man abnehmen will“. Eine solche Politik sei rückwärtsgewandt. Es gehe zunächst darum, Verkehre zu vermeiden und zu verlagern, erst danach „geht es in die Technologie“.
Viele Autofahrer würden außerdem nicht aus Leidenschaft Auto fahren, sondern weil die Alternativen einfach so schlecht seien. „Was ist dann mit 13 Millionen Erwachsenen ohne Führerschein? Was ist mit Menschen in Armut?“, fragt Diehl. Diese könnten sich gar kein Auto leisten. Eine große Gruppe von Menschen sei überhaupt nicht im Fokus. „Was wollen die mit einer Autobahn?“ so Diehl. (cme)