Straßen blockieren für den Klimaschutz? Aktivistin Carla Hinrichs von der „Letzten Generation“ erklärt bei „Anne Will“ ihren Protest – und löst eine hitzige Debatte aus.
„Anne Will“Klimaaktivistin legt sich mit Buschmann an – CSU-Politiker irritiert mit „Krieg“-Aussage
Die Debatte um die Klimaproteste von Organisationen wie der „Letzten Generation“ haben die ARD-Talkshow „Anne Will“ erreicht. Am Sonntag (20. November) geht es in der Debatte um die Straßenblockaden der Klimaschutzbewegung hitzig zu. Vor allem Justizminister Marco Buschmann (FDP) und CSU-Politiker Joachim Herrmann legen sich dabei mit Klimaschutzaktivistin Carla Hinrichs von der „Letzten Generation“ an.
„Anne Will“ zu Straßenblockaden für den Klimaschutz: die Gäste am 20. November
- Marco Buschmann (FDP), Bundesjustizminister
- Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Bundestagsvizepräsidentin
- Carla Hinrichs, Aktivistin der Klimaschutzbewegung „Letzte Generation“
- Joachim Herrmann (CSU), Minister des Inneren, für Sport und Integration in Bayern
- Petra Pinzler, Korrespondentin im Hauptstadtbüro der „Zeit“
„Anne Will“: Hitziger Schlagabtausch zwischen Marco Buschmann und Aktivistin Carla Hinrichs
Wie eine dunkle Wolke wabert die Frage über der Sendung, wie legitim die Straßenblockaden und das Beschädigen von Kunstwerken zum Wohl des Klimaschutzes sind. Justizminister Marco Buschmann hat eine klare Meinung, verteidigt diese fast mantraartig im Laufe der Sendung: „Jeder hat das Recht zu demonstrieren. Aber in einem demokratischen Rechtsstaat geht man nicht los und setzt seine Anliegen gegen Recht und Gesetz durch“, so Buschmann.
Sachbeschädigung und Nötigung blieben Straftaten, die entsprechend verfolgt würden. „Das können wir nicht akzeptieren, auch wenn ich das Anliegen hinter den Protesten natürlich absolut verstehe“, holt Buschmann weiter aus.
Klimaschutzaktivistin Carla Hinrichs, die sich für Aktionen der „Letzten Generation“ bereits auf der Straße festgeklebt hat, sieht das natürlich anders: „Wir sprechen von einer unfassbaren Ungerechtigkeit. Die Regierung hat ein verfassungsfeindliches Klimapaket beschlossen. Das Fenster schließt sich, in dem wir das Überleben vieler Menschen sichern können.“
„Anne Will“: „Letzte Generation“-Aktivistin Carla Hinrichs gerät bei Nachfragen ins Wanken
Moderatorin Anne Will hakt an vielen Stellen immer wieder ein, betont, dass Hinrichs in einigen Fällen von Extremszenarien spricht, die die Wissenschaft modelliert hat. Und sie stellt eine Frage, bei der Hinrichs ein wenig ins Wanken gerät: „Würden Sie mit den Protesten aufhören, wenn deswegen im Straßenverkehr jemand verletzt würde?“
Hinrichs überlegt nur kurz, antwortet dann ausweichend: „Es werden tagtäglich Menschen im Straßenverkehr verletzt. Die Politik sollte dafür sorgen, dass der Straßenverkehr sicherer ist.“ Buschmann sieht einen Punkt und mischt sich sofort in die Diskussion ein: „Sie begehen Straftaten. Auch wenn sie ein noch so nobles Motiv haben, werden dadurch die Straftaten nicht gerechtfertigt. Sie können jetzt nicht behaupten, wir hätten lauter Rechtsbrecher auf den Straßen.“
Hinrichs bleibt stur, will nichts davon wissen, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung die Art der Proteste der „Letzten Generation“ nicht befürwortet: „Haben Sie eine bessere Idee? Dann bin ich dabei. Aber derzeit gibt es keinen anderen Weg. Die Regierung bricht das Grundgesetz“, poltert die Klimaschutzaktivistin.
Buschmann kann das nicht auf sich sitzen lassen. Niemand breche das Grundgesetz, die aktuelle Bundesregierung sei die „engagierteste in der deutschen Geschichte“, wenn es um den Klimaschutz gehe.
„Anne Will“: CSU-Minister Joachim Herrmann kritisiert Aktionen gegen Kunstwerke scharf
Katrin Göring-Eckardt sieht es ähnlich wie Buschmann, mahnt zur „Verhältnismäßigkeit“. Die Proteste würden dem Anliegen mehr Schaden als sie nützen. Die Grünen-Politikerin kritisiert aber auch die schwache Abschlusserklärung der Weltklimakonferenz und fordert: „Wir müssen die Realität akzeptieren und extrem radikal bei unseren politischen Entscheidungen zum Klimaschutz sein.“
Göring-Eckardt hat dabei besonders den bayerischen CSU-Innenminister Joachim Herrmann im Blick. Zehn Windräder wurden in Bayern seit Anfang 2022 gebaut. Herrmann nimmt das mit einem lässigen Grinsen hin, verspricht, dass Bayern „schneller vorankommen und das Tempo erhöhen“ werde. Göring-Eckhardt: „Aber nur, weil sie die Bundesregierung jetzt dazu zwingt.“
Der CSU-Politiker hat wenig für die Klimaschutz-Proteste übrig, fragt in Richtung Hinrichs: „Was hilft es beim Thema Klimaschutz, Kartoffelbrei auf Gemälde zu werfen?“ Die Aktivistin der „Letzten Generation“ holt kurz darauf einen Zettel aus ihrer Tasche. Darauf sind 13 Personen, die derzeit in Bayern präventiv festgehalten werden, da sie mit weiteren Straßenblockaden gedroht haben.
Herrmann antwortet forsch: „Alle diese Personen haben einen Rechtsanwalt, sie haben keinerlei Beschwerde gegen die Maßnahmen eingelegt. Und alle haben am Freitag nochmal bei einer Befragung betont, dass sie, sobald sie freigelassen würden, sofort wieder Straßen blockieren würden.“
Die Kritik am bayrischen Polizeigesetz ist neu, auch Justizminister Buschmann hinterfragt die Verhältnismäßigkeit. „Ist es angemessen, Menschen 30 Tage festzuhalten für eine Tat, für die sie in anderen Bundesländern teilweise nur geringe Tagessätze an Geldstrafen zahlen müssen?“
„Anne Will“: Joachim Herrmann irritiert Gäste mit „Krieg“-Aussage
Der CSU-Politiker verliert im Anschluss ein wenig die Fassung, sorgt für Irritation in der Runde, als er in Richtung Hinrichs sagt: „Den Krieg hat jemand anders angefangen, nicht wir.“ Die Aussage klingt im ersten Augenblick so, als ob Herrmann der „Letzten Generation“ einen Krieg vorwerfen würde, selbst Moderatorin Anne Will hakt deswegen nochmal nach.
Herrmann muss seine Aussage präzisieren, er habe den Ukraine-Krieg gemeint. Und poltert direkt weiter: „Natürlich dürfen wir den Klimaschutz nicht aus den Augen verlieren. Wir müssen uns weiter um Klimaschutz kümmern, aber wir dürfen den Ukraine-Krieg nicht ausklammern. Natürlich ist es klimaschädlich, Panzer zu liefern. Aber es ist das Richtige in der Situation.“
Klimaschutzaktivistin Hinrichs wirft ihm daraufhin vor, eine ablenkende Debatte zu führen. Sie betont nochmal, dass bei ausbleibenden Maßnahmen auch die Demokratie gefährdet sei. Die Forderungen seien klar, die Bundesregierung habe es in der Hand, die Proteste zu stoppen, wenn sie entsprechende Maßnahmen ergreifen würde.
Buschmann bleibt allerdings bei seiner Argumentation, Straftaten würden das Ziel nicht rechtfertigen. Und er bleibt auch explizit bei seinem „Nein“ zum Tempolimit: „Wenn wir den Eindruck erwecken, dass wir uns als Regierung erpressen lassen, dann kommen wir in Teufels Küche.“ Ob man dort auch ohne Klimaschutzmaßnahmen sowieso landen würde, bleibt am Sonntagabend unbeantwortet. (shh)