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Der "eiskalte Engel"Alain Delon stirbt nach mehreren Schlaganfällen in seinem Haus in Paris

Lesezeit 6 Minuten
Alain Delon in Cannes. (Archiv)

Alain Delon in Cannes. (Archiv)

Im Alter von 88 Jahren ist Schauspieler Alain Delon in seinem Haus im Süden von Paris gestorben.

Er war der eiskalte Engel. Mit seinen feinen Gesichtszügen, den stahlblauen Augen und dem undurchdringlichen Blick schien ihm der Name wie angegossen zu passen, auch wenn der Originaltitel des Films nicht wie im Deutschen „Der eiskalte Engel“, sondern „Der Samurai“ lautete. Alain Delon gehörte zu den Ikonen des französischen Kinos, obwohl seine glänzenden Zeiten seit langem vorbei waren.

Zurückgezogen

In den letzten Jahren erlebte man den französischen Schauspieler, der auch einen Schweizer Pass besaß, vor allem als einen großen Einsamen. Ideologisch war er in die Nähe der extremen Rechten gerückt und damit auf eine Weise zu einem männlichen Pendant von Brigitte Bardot geworden, seiner einstigen Filmpartnerin. Wie sie lebte er zurückgezogen, lediglich ein öffentlich ausgetragener Streit seiner Kinder Anthony, Anouchka und Alain-Fabien brachte seinen Namen zuletzt in die Schlagzeilen.

Dabei wurde bekannt, wie geschwächt er nach mehreren erlittenen Schlaganfällen war. Glamouröses Traumpaar mit Romy Schneider Nun ist Alain Delon im Alter von 88 Jahren gestorben. Er schlief „friedlich in seinem Haus in Douchy“ im Süden von Paris ein, wie seine Kinder am Sonntagmorgen in einer gemeinsamen Erklärung mitteilten. Die Familie bitte „in diesem äußerst schmerzhaften Moment der Trauer“, ihre Privatsphäre zu respektieren.

Der Filmhistoriker Jean-Michel Froton nannte ihn „eine einzigartige Figur des französischen Kinos der Nachkriegszeit, dessen Präsenz auf der Leinwand seinesgleichen suchte, jedenfalls bei den Männern“. In rund 90 Filmen hat Delon mitgespielt, darunter in Klassikern von Luchino Visconti, Jean-Pierre Melville, Jean-Luc Godard oder Louis Malle. Seinen Durchbruch feierte er im Alter von 25 Jahren mit „Nur die Sonne war Zeuge“ und „Rocco und seine Brüder“.

Mehrere Jahre lang bildete er mit Romy Schneider, die er 1958 bei den Dreharbeiten zum Film „Christine“ kennenlernte, ein glamouröses Traumpaar, das Schönheit und Jugend verkörperte. Dreimal standen sie gemeinsam vor der Kamera, auch in „Der Swimmingpool“. Im September 2021, als die seit fast 40 Jahren verstorbene österreichische Schauspielerin ihren 83. Geburtstag gefeiert hätte, ließ Delon über einen Vertrauensmann eine Liebeserklärung veröffentlichen: „Meine Liebe für dich ist ewig, mein Puppele.“

Brutale Wutausbrüche

Hatte Delon sein „Puppele“ einst für seine spätere Ehefrau Nathalie verlassen, so überdauerte die Verbindung zwischen Romy Schneider und ihm, den beiden schönen Unglücklichen, ihre Trennung. „Ich war für den Erfolg programmiert, nicht für das Glück. Das geht nicht zusammen“, dieser Ausspruch von Delon hätte auch von Schneider sein können. Sein Sohn Anthony, den er mit Nathalie Delon hatte, beschrieb in seiner Autobiografie „Zwischen Hund und Wolf“ die brutalen Wutausbrüche seines Vaters, der ihn „wie der Anführer in einem Wolfsrudel“ zu unterwerfen versucht habe.

Anders war die Beziehung zu seiner einzigen Tochter Anouchka, die er mit dem ehemaligen Mannequin Rosalie van Breemen hatte, und die für ein Stück mit ihm auf der Theaterbühne stand. Aus der Beziehung mit van Breemen ging außerdem der Sohn Alain-Fabien hervor. Bei einem heftigen Streit nach dem Weihnachtsfest 2023 zwischen den Brüdern und ihrer Schwester ging es um die Frage, wie und wo er behandelt werden sollte. Anouchka lebt in der Schweiz und wollte ihn dorthin bringen, wo die Erbschaftssteuer wohl geringer ausgefallen wäre, wie ihr Bruder Anthony sagte. Ihm zufolge soll sie allein so viel erben wie ihre beiden Brüder zusammen.

Auch hatte der Vater sie als sein erklärtes Lieblingskind zur Testamentsvollstreckerin gemacht und ihr eine führende Stellung in dem Unternehmen anvertraut, das die Lizenzen und Werbeverträge ihres Vaters verwaltet. Einen weiteren Sohn namens Christian Aaron soll Delon mit der 1988 verstorbenen deutschen Pop-Künstlerin Nico, Sängerin der Band Velvet Underground gehabt haben. Die Vaterschaft erkannte er jedoch nie an, im Gegensatz zu Delons eigener Mutter, die den Jungen aufzog. Im Mai 2023 starb Ari, wie er sich nannte, an einer Überdosis Drogen. Delon selbst sagte bereits 2008, das Leben bringe ihm nicht mehr viel: „Ich habe alles kennengelernt, alles gesehen… Ich weiß, dass ich diese Welt ohne Bedauern verlassen werde.“

Eine Welt, in der sich viele von ihm abgewandt hatten, auch weil er die Todesstrafe befürwortete, mit dem Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen befreundet war oder Homosexualität als „wider die Natur“ bezeichnete. Bei Delon, so Kino-Kenner Froton, gab es „diese Dunkelstellen, die auch außerhalb des Kinos auftauchen“: In seinen provokanten Aussagen spiegele sich demzufolge „eine selbstzerstörerische Facette dieser Persönlichkeit, die ein wichtiger Bestandteil seiner Aura als Schauspieler“ war. Lag der Ursprung für Delons Hang zur Isolation und seine düstere Weltsicht in seiner instabilen Kindheit? Geboren im Pariser Vorort Sceau als Sohn einer Apotheken-Angestellten und eines Kinodirektors, kam er nach der Scheidung der Eltern in eine Pflegefamilie.

Unfall mit gestohlenem Jeep

Der Ersatzvater arbeitete als Gefängniswärter in Frankreichs größter Justizvollzugsanstalt in Fresnes bei Paris. Dem Delon-Biografen Bernard Violet zufolge ging dessen spätere Faszination für das Gauner-Milieu auf diese Zeit zurück, als er „im Gefängnishof mit den anderen Kindern von Wärtern spielte, zwischen Polizisten und Gangstern“. Nach dem Tod der Pflegeeltern, mehreren Schulwechseln und dem Aufenthalt im katholischen Internat kehrte Delon zu seiner Mutter und dem neuen Stiefvater zurück, einem Metzger, bei dem er zeitweise arbeitete. Als besonders glückliche Zeit bezeichnete er seinen darauffolgenden Militärdienst im damaligen Indochina. Dort wurde er nach einem Unfall mit einem gestohlenen Jeep allerdings ausgeschlossen.

Die Leidenschaft für Waffen behielt er seit dieser Zeit bei. Zurück in Paris hielt sich Delon mit kleineren Jobs über Wasser und geriet über die Liaison mit der Schauspielerin Brigitte Auber in das Kino-Milieu – ohne schauspielerische Ausbildung, aber mit wichtigem Rat des Regisseurs Yves Allégret. „Ich konnte nichts. Allégret sah mich an und sagte: Hör mir gut zu, Alain. Rede, wie du mit mir redest. Schau, wie du mich anschaust. Hör zu, wie du mir zuhörst. Spiele nicht, lebe.“ Grab neben seinen treuesten BegleiternDass er dies befolgte, seine Rollen lebte und vor der Kamera seinem Instinkt folgte, machte seine Karriere erst möglich, sagte Delon selbst. Große Erfolge waren „Die Killer lassen bitten“, später folgten „Der Leopard“ und „Borsalino“. Es gelang ihm nicht, in Hollywood Fuß zu fassen, drei dort gedrehte Filme waren nicht erfolgreich.

Goldene Ehrenpalme

Also kehrte er nach Europa zurück, wo er in den meisten seiner Rollen den Verführer, den Gangster oder auch den skrupellosen Killer gab, oft in Actionfilmen und Krimis. Etliche Auszeichnungen erhielt er, darunter 1995 den Goldenen Ehrenbären in Berlin und 2019 die Goldene Ehrenpalme in Cannes. Ab dem Ende der 1980-er Jahre, als es mit seiner Karriere bergab zu gehen begann, nahm Delon auch Fernsehrollen an und trat 2008 selbstironisch in der Rolle von Julius Cäsar im Kinohit „Asterix bei den Olympischen Spielen“ auf.

Zweimal arbeitete er selbst als Regisseur, produzierte rund 30 Filme, war darüber hinaus ein begeisterter Sammler und Verkäufer von Kunst und Tierbronze-Statuen, Weinen, Uhren und Waffen, brachte seine eigene Parfüm-Linie heraus. Auf seinem Anwesen im Loiret, im Zentrum Frankreichs, steht eine kleine Kapelle, neben einem Friedhof für seine Hunde, seine „treuesten Begleiter“. Sich dort begraben zu lassen, war seit langem sein letzter Wunsch.