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Adele in MünchenSo war der Auftakt von Adeles Megakonzertreihe

Lesezeit 5 Minuten
Erst die riesige Leinwand macht es möglich, dass alle 74000 Besucherinnen und Besucher Adele sehen können.

Erst die riesige Leinwand macht es möglich, dass alle 74000 Besucherinnen und Besucher Adele sehen können.  

Auf Du und Du mit 74.000: Verblüffend: Selbst im extra errichteten Mega-Stadion schafft es Adele, intime Momente zu schaffen.

Sie ist nervös. Das lässt Adele schon kurz vor Beginn der Premierenshow ausrichten. Da erscheint auf der Großleinwand ein Foto der britischen Sängerin mit Lockenwicklern, auf dem sie ein handschriftliches Schild in die Kamera hält. Auf dem steht in nicht übertrieben vornehmen Worten, nah am Wortlaut übersetzt: Ich mach’ mir in die Hose.

Und wer will es ihr verdenken? Schließlich ist hier in der Münchner Messe allein für sie ein gigantisches Stadion für rund 74 000 Menschen plus angeschlossener „Adele World“ gebaut worden, auf einer Fläche, die so groß ist wie fast 60 Fußballfelder.

Und Adeles Nervosität wird sicherlich nicht kleiner geworden sein, als am Freitag um kurz vor acht, als das Publikum längst ihre Ankunft auf der Bühne erwartet, erstmal Petrus sein „Hello“ singt: mit Hagel, dann mit strömendem Regen. Schirme sind in der Arena nicht erlaubt, und Regenjacken und Ponchos können gegen dieses „Hello from the other side“ nur wenig ausrichten.

Hörbare Nervosität bei den ersten Liedern

Das Publikum ist patschnass, als um 20.13 Uhr vom Band „Strangers By Nature“ läuft, um Adeles Ankunft anzukündigen. Dann schwebt sie aus dem Boden an der vorderen Bühnenrampe und begrüßt die durchnässten Menschen in der Arena mit ihrem Song „Hello“.

Und ihre Nervosität ist tatsächlich hörbar: Sie trifft einige Töne der ersten Zeilen etwas zu hoch – das kann unter diesen Umständen wohl sogar einer Wahnsinnssängerin wie ihr passieren.

Durchnässte Schleppe

Als dann ihre Background-Sängerinnen nach dem zweiten Song „Rumour Has It“ die mit Wasser vollgesogene Schleppe von ihrem bodenlangen blauen Kleid entfernen, stellt Adele noch mal klar, wie verdammt nervös sie sei.

Aber reden hilft ja bekanntlich in allen Lebenslagen und wohl auch einer weltberühmten Sängerin, die mit den Nerven kämpft. Nach „Water Under The Bridge“ plaudert sie erstmals ausgiebig: Da ermöglicht sie einem Mann in der ersten Reihe, seinem Partner nach 17 Jahren einen Heiratsantrag zu machen (angenommen, unter Tränen), spricht von der 220 Meter langen Videoleinwand, auf der sie meist in vierfacher Ausführung und riesenhaft erscheint („Can you see me?“), und über die Spice-Girls-Coverband, die am Nachmittag in der „Adele World“ die Neunziger aufleben ließ, die Jahre ihrer Kindheit.

Höhepunkt: „Chasing Pavements“

Und danach, beim fünften Song „Easy On Me“, legt sie die Nervosität ab, wie sie später im Konzert verraten wird. Als sie diese brillante Pianoballade singt, hat sich schon längst abgezeichnet, was die Show ausmacht: ausnahmslos tolle bis grandiose Songs, von denen der älteste, „Chasing Pavements“, an diesem Abend am allerschönsten ist; eine fantastische Stimme und große Gesangskunst, beeindruckend etwa bei „All I Ask“. Und eben ein Weltstar mit der erstaunlichen Fähigkeit, vor 74 000 zu schnacken wie vor 74 bei einem Pub-Gig.

Kaum zu glauben sei es, sagt sie, wie sauber München sei; kaum erwarten könne sie, nach den Konzerten am Sonntag einen Drink zu nehmen; kaum etwas erzählen könne sie gerade aus ihrem Alltag, da sie ja die ganze Zeit nur mit den Vorbereitungen für die Münchner Konzertreihe beschäftigt gewesen sei. Und mal was ganz anderes: Habt Ihr gestern auch Olympia geschaut?

Plaudern nimmt überhand

Adele erzählt spontan drauflos, in einem ähnlichen Tempo, wie sie wohl in ihrer Heimat in Tottenham im Norden Londons sprechen würde, und ist schlagfertig, selbstironisch, britisch-humorig und authentisch. Das ist ihr Trumpf.

In der zweiten Hälfte aber lässt das viele Reden mitunter die Spannung aus dem Konzert entweichen. Und als Adele dann auch noch mit einer Spaßkanone Merchandising-T-Shirts ins Publikum ballert, nimmt das „Wetten, dass“-Artige kurz ein wenig Überhand.

Mehr schnellere Songs?

Ein paar schnellere Songs würden sicher in einer Arena auch nicht schaden, um noch mehr Begeisterung bei den Zuschauern zu entfachen – so wundervoll die vielen Balladen auch sind. Begleitet werden diese oft nur von Pianist Eric Wortham, ansonsten von einer makellosen, zurückhaltenden Old-School-Soul-Band mit drei Sängerinnen und fünf weiteren Musikern, die im Halbschatten unsichtbar bleiben.

Auf der LED-Leinwand sind sie nie zu sehen, vorgestellt werden sie nicht, und abgesehen von Eric Worthams instrumentaler Strophe beim Cover von Bob Dylans „Make You Feel My Love“ ist kein einziges Solo zu hören.

Die Arena ist Teil der Show

Alles dreht sich hier um Adele, und die ist als Performerin sehr zurückhaltend, steht hinter dem Mikro und konzentriert sich auf jede Phrasierung – das genaue Gegenteil von Taylor Swift, die am Wochenende zuvor eine überwältigende Show nach München gebracht hat. Aber Adele ist hier auf der Messe ja auch nur ein Teil der Attraktion.

Der andere ist das großartige Pop-Up-Stadion, das die Auftritte zu etwas Besonderem macht. Der Sound kommt nahe an Plattenperfektion – und die 220 Meter lange, mehrfach geschwungene Videoleinwand ist fantastisch.

Feuerfontänen und Polaroids

Bei „Love In The Dark“ leuchten das Weltall von der Leinwand und die Handy-Feuerzeuge im gigantischen Halbrund – eine wundervolle Atmosphäre. Aus den Hunderte Meter langen, halbkreisrunden Stegen fährt bei Balladen wie „Hometown Glory“ ein ganzes Streichorchester empor. Dahinter werden bei dem bewegenden „When We Were Young“ Papier-Polaroids mit Bildern der kleinen Adele in die Luft geballert, die auf das Publikum niederregnen.

Und bei dem ebenfalls tollen „Set Fire To The Rain“ schießen Feuerfontänen empor: Wer nahe genug dran steht, kann sich die immer noch regendurchnässten Klamotten wärmen.

Das Wasser schießt dann kurz vor Schluss vor Rührung in Adeles Augen, vor dem vorletzten Lied „Someone Like You“, dem Hit, ohne den sie, wie sie sagt, nicht hier stehen würde. Hier in dieser beeindruckenden, eigens für sie errichteten Arena. Die aber in vier Wochen wie eine Sandburg verschwinden wird, nachdem der Schlusssong „Rolling In The Deep“ zum letzten Mal mit Feuerwerk und Konfettiregen zu Ende gegangen sein wird.


Weitere Termine: 9., 10., 14., 16., 23., 24., 30. und 31. August. Für alle Shows gibt es noch Karten unter www.adeleinmunich.de