Alle, die sich ein bisschen mit Pop auskennen, ahnen, wer die musikalische Blaupause vorlegt: die Band Pur.
„Abenteuerland“ feiert Premiere in Düsseldorf„Man muss für seine Träume fighten“
Schon ziemlich früh bringt Alex Schirmer (Johann Zumbült) auf den Punkt, um was es geht: „Man muss für seine Träume fighten“. Heißt in seinem Fall: ein Popstar werden. Seine Mutter Petra (Carolin Soyka) sah sich als Meeresbiologin auf den Galapagosinseln, nicht als Frau mit „MaHauKi“ (Mann, Haus, Kindern). Vater Robert (Hannes Staffler) hadert indes mit seiner Rolle als Alleinernährer, Schwester Anna (Mascha Volmershausen) wird gemobbt, und die verwitwete Oma Lena (Regina Venus) ist allein. Höchste Zeit für einen Ausbruch aus dem Alltag, für eine kathartische Reise ins „Abenteuerland“.
Die fiktive Familie Schirmer steht im Mittelpunk des gleichnamigen Musicals, das jetzt seine Weltpremiere im Düsseldorfer Capitol Theater erlebte. Alle, die sich ein bisschen mit Pop auskennen, ahnen, wer die musikalische Blaupause vorlegt: die Band Pur. Mit „Abenteuerland“ brachte die Bietigheim-Bissinger 1995 ein Album heraus, das zu den meistverkauften in Deutschland zählt. Neben dem Titelstück, das die Show eröffnet und beendet, gehören weitere Pur-Hits wie „Ich lieb’ dich“, „Prinzessin“ oder „Funkelperlenaugen“ zum Repertoire, insgesamt sind es 30 Songs in neuen Arrangements.
Produzent Martin Flohr (auch Buch und Regie) und sein Kreativ-Team haben um sie herum eine Geschichte gestrickt, die dazu passt. So heißt die Oma nicht von ungefähr Lena, der Name von Alex’ Freundin Amira bedeutet „Prinzessin“ oder Anna, die ihr Aussehen nicht mag, sieht sich „Allein vor dem Spiegel“. Thematisch gerät das reichlich überfrachtet: Achtsamkeit, Entschleunigung und Work-Live-Balance, Midlifecrisis, Selbstverwirklichung und Emanzipation, Alterseinsamkeit, Schönheitswahn, Homosexualität, Migration, Suizid und ungewollte Schwangerschaft.
„Abenteuerland“ erinnert an „Mamma Mia“
In seinen besten Momenten erinnert „Abenteuerland“ an „Mamma Mia“ – in diesem Sinne sind Soyka als Petra und Jana Stelley als ihre Jugendfreundin Beate ein Dreamteam – oder an die Todessehnsüchtigkeit von „Elisabeth“ gepaart mit der Dämonie von „Jekyll & Hyde“. Mit „Fallen“ hat Mascha Volmershausen als Anna, im Duett mit dem mysteriösen MrX (Kim-David Hammann), eine Glanznummer, die auch atmosphärisch dicht und wirkungsvoll in Szene gesetzt wird. Volmershausen und Hammann gehören zu dem Stars der Show, die Stimme von Elvin Karakurt (als Amira) bezaubert mit ihrem Timbre und ihrer Frische. Überzeugend; Lukas Baeskow als Alex’ bester Freund und Mitmusiker Tom. Souverän und wandlungsfähig: Hannes Staffler als Vater Robert.
Lieblinge des Publikums sind Regina Venus als Darstellerin von „Online-Oma“ Lena und Harrie Poels als ihr neuer Partner Karl, den sie beim „Parshippen“ kennen lernt. Wenn die beiden am Ende Tango tanzen, um dann zum Pokalspiel von Fortuna Düsseldorf zu düsen, ist der Saal hin und weg. Johann Zumbült enttäuscht als Traumkämpfer Alex. Man nimmt ihm weder den werdenden Popstar ab noch den rebellischen Sohn oder den liebenden Bruder. Auch stimmlich treten hier Defizite zutage.
Im komplett umgebauten Capitol Theater mit der neuen Rundum-Bühne unterm blau goldenen Montgolfier-Ballon (vom Cover des 1995er Albums) tut das der Begeisterung des Publikums keinen Abbruch. Nur zu gerne geht es mit den Hits von Pur auf Reisen ins „Abenteuerland“. Und damit auch, ein Stück weit, in die eigene Jugend. Der Band, die an der Entstehung des Musicals mitgewirkt hat, wird das mit Sicherheit gefallen. Ohne die Fans und ihre Treue gäbe auch ihre Erfolgsgeschichte nicht,
150 Minuten (mit Pause). Bis 10.3.2024, Vorstellungen Di. 19.30 Uhr, Mi. 18.30 Uhr, Do. und Fr. 19.30 Uhr, Sa. 15 und 19.30 Uhr, So. 14 und 18.30 Uhr, Mo. spielfrei, Erkrather Str. 30, 40233 Düsseldorf, Karten Tel. 0211 73 440 oder www.abenteuerland-musical.com .