Als wegweisender Kinderbuchautor mit Büchern wie „Das doppelte Lottchen“ erreichte Kästner Berühmtheit. Doch er war auch ein politischer Beobachter, Dichter, Romanschriftsteller, Dramatiker und Friedensaktivist.
50. TodestagErich Kästner war mehr als nur ein Kinderbuchautor
Unzählige Kinder sind mit Erich Kästners Geschichten aufgewachsen. Bücher wie „Pünktchen und Anton“, „Die Konferenz der Tiere“ oder „Das doppelte Lottchen“ stehen in tausenden Bücherregalen, jede Generation bekommt ihre eigene Filmadaption von „Das fliegende Klassenzimmer“.
Doch Erich Emil Kästner, der am 23. Februar seinen 125. Geburtstag gefeiert hätte und dessen Todestag sich am 29. Juli zum 50. Mal jährt, war nicht nur einer der bedeutendsten Autoren deutschsprachiger Kinderliteratur, sondern auch politischer Beobachter, Dichter, Romanschriftsteller, Dramatiker und Friedensaktivist.
1. Der Kinderbuchautor
„Mut ohne Klugheit ist Unfug, und Klugheit ohne Mut ist Quatsch“, schreibt Kästner 1933 in „Das fliegende Klassenzimmer“. In all seinen Büchern erzählt er von beherzten Mädchen und Jungen, die Hindernisse durch Tapferkeit, Einfallsreichtum und Freundschaft überwinden und sich von Vorurteilen oder sozialen Kluften nicht aufhalten lassen. Sie scheinen oft beinahe klüger als die Erwachsenen — die feinfühlige Würdigung dieser Lebensphase macht die Zeitlosigkeit Kästners aus.
Es sind der Roman „Emil und die Detektive“ (1929) und dessen erste Verfilmung (1931), die Kästner den endgültigen Durchbruch bringen. Als Lyriker, Journalist und Theaterkritiker hat der promovierte Germanist zwar bereits viel Beachtung in der Weimarer Republik erhalten, doch seinen Kinderbüchern verdankt er den größten kommerziellen Erfolg. Sie prägen das Bild seines literarischen Schaffens bis heute am stärksten.
2. Der Romancier und Dramatiker
„Fabian ertrank. Er konnte leider nicht schwimmen.“ Mit diesem lapidaren Satz und dem sinnlosen Tod der Hauptfigur endet Kästners Roman „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ (1931) abrupt.
Dieser ist ein Meilenstein für das Genre der Neuen Sachlichkeit und nimmt mit nüchterner Sprache, aber scharfem Blick die Weimarer Zeit aufs Korn. Technischer Fortschritt, Großstadtleben, die Bedrohung der Demokratie von rechts und links: Kästner kann auch Romane für Erwachsene schreiben.
Als Theaterautor erlangt er zwar vergleichsweise wenig Beachtung, zeigt aber auch hier sein Talent als Beobachter der Gesellschaft. So warnt er mit dem Stück „Schule der Diktatoren“ (1957) vor der Manipulierbarkeit der Massen durch politische Rattenfänger.
3. Der Zeitzeuge
„Wir starben. Doch wir starben ohne Zweck. Ihr lasst Euch morgen, wie wir gestern, schlachten.“ Es sind Gedichte wie „Stimmen aus dem Massengrab“ (1928), die Kästner als Pazifisten ausweisen. Nachdem er den Ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik und die Machtergreifung der Nazis miterlebt hat, muss er in den 30er Jahren eine der schwersten Entscheidungen seines Lebens treffen: Emigrieren, wie es viele seiner Kollegen tun? Oder sich irgendwie mit dem NS-Regime arrangieren? Kästner ist ein ideologischer Gegner der Nazis.
Deren Bücherverbrennungen sind auch seine Werke zum Opfer gefallen, aus der Reichsschrifttumskammer wird er ausgeschlossen, zweimal verhört ihn die Gestapo. Der Vollblutschriftsteller bleibt in Deutschland und arrangiert sich – wofür er sich später oft rechtfertigen muss – kann aber nur unter Pseudonym und durch im Ausland ansässige Verlage wie Atrium in der Schweiz weiterhin veröffentlichen (wo seine Bücher bis heute erscheinen). Die Kriegsjahre, die er in einem Tagebuch festhält, prägen Kästner, der sich später auch gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik ausspricht.
4. Der lyrische Hausapotheker
„Wer wagt es, sich den donnernden Zügen entgegenzustellen? Die kleinen Blumen zwischen den Eisenbahnschwellen.“ Erich Kästner hat die Begabung, Gedanken und Gefühle so pointiert in Worte zu fassen, dass man unweigerlich denkt: „So habe ich es noch nie betrachtet.“
In Bänden wie „Doktor Erich Kästners lyrische Hausapotheke“ (1936) oder „Was nicht in euren Lesebüchern steht“ (1968) verleiht Kästner in seinen Gedichten und Aphorismen Emotionen wie Trauer, Liebeskummer und Angst scharfsinnig Ausdruck und versucht gleichzeitig, ihnen Witz und Trost entgegenzusetzen. Kästners eigene private Beziehungen sind derweil oft turbulent. Das für ihn prägende Verhältnis zu seiner Mutter ist zeitlebens zwar sehr eng, doch nie einfach. Auch Idas innigem Wunsch, dass Erich Lehrer wird, entspricht der Sohn nicht. Kästner selbst wird 1957 zwar Vater eines Sohnes, heiratet jedoch nie – durch mehrere, teils parallel geführte Liebschaften und zunehmenden Alkoholismus kommt er nie wirklich zur Ruhe.
Was von Erich Kästner auch nach dessen Tod 1974 Bestand hat, sind seine Gedichte und Geschichten – und die sind für die Kleinen und Großen gleichermaßen. Der Autor brachte es wieder einmal selbst am besten auf den Punkt: „Wer Bücher schenkt, schenkt Wertpapiere“.
Kongenialer Partner
So berühmt wie die Bücher sind auch deren Titelbilder: Emil und Oskar hinter der Litfaßsäule oder Pünktchen und Anton Hand in Hand. Seit 1929 zieren Zeichnungen von Walter Trier (1890-1951) die Werke außen und innen.
Im Gegensatz zu Kästner emigrierte der aus einer jüdischen Familie stammende Trier nach London, wo er sein Zeichentalent gegen die Nazis einsetzte. 1947 zog er nach Kanada, ein Angebot, von Walt Disney lehnte er ab, weil er nicht unter einem fremden Logo zeichnen wollte. (EB)