Zwei Kölner helfen Flutopfern„Den Schock kann man nicht beschreiben“

Frank Schuler (l.) und Dirk Negd-Schuler halfen in Euskirchen und an der Ahr.
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- Was tun, wenn Menschen vor der eigenen Haustür alles verlieren?
- Frank Schuler und Dirk Negd-Schuler betreiben am Theodor-Heuss-Ring das Bistro Curios.
- Sie wurden aktiv, als sie von der Flutkatastrophe erfuhren, viele Gäste halfen mit.
- Johannes Spätling sprach mit ihnen.
Köln – Sie sind am Montag nach der Flutkatastrophe mit Gummistiefeln und Schippen nach Euskirchen gefahren, um zu helfen. Wie kam es dazu?
Frank Schuler: Wir haben uns direkt nach der Flut gedacht, dass eigentlich jeder etwas tun kann, ohne lange zu warten. Wir haben bei Facebook eine Gruppe gefunden, die aktive Helfer vermittelt. Daraufhin sind wir direkt nach Euskirchen gefahren. Unter anderem musste ein Kindergarten ausgeräumt werden, anschließend haben wir Keller von Schlamm befreit.
Wie sah es vor Ort aus, und welche Reaktionen der Menschen haben Sie erlebt?
Dirk Negd-Schuler: Die Betroffenheit und den Schock vor Ort kann man nicht beschreiben. Man steht mittendrin, in einer zerstörten Stadt, in all den Gerüchen. Die Leute haben ihr Hab und Gut in aller Eile vor die Tür geschafft und scheinbar ohne Emotionen ihre Keller leergeräumt. Nach außen hat man ihnen wenig angemerkt, es gab einfach keine Zeit zu überlegen. Pausenlos wurden Container vor die Tür gestellt, die Menschen konnten sich von den Dingen schlichtweg nicht verabschieden. Es türmte sich das Mobiliar, und das komplette Leben der Menschen verschwand in Müllsäcken. Am Ende des Tages tat uns alles weh, und wir waren todmüde, aber auch zufrieden, geholfen zu haben.
Tags darauf haben Sie eine weitere Aktion in Ahrweiler gestartet. Was hatte es damit auf sich?
Schuler: Am Dienstag Morgen haben wir spontan entschieden, dass wir eine Spendenaktion ins Leben rufen. Ein Freund von uns hat Bekannte in Ahrweiler, welche dringend Hilfe brauchten. Das eine Haus stand bis zum Obergeschoss im Schlammwasser, und das Ehepaar musste während der Flut bis ins Dachgeschoss flüchten, wo sie ausharrten und zuhörten, wie ihr Auto über den Wasserdruck durch das Wohnzimmerfenster ins Erdgeschoss getrieben wurde. Möbel und Hausrat existieren nicht mehr, ebenso die Arbeitsstelle des Ehemannes: Die Spedition, wo er arbeitete, wurde überflutet.
Negd-Schuler: Wir haben dann im Internet die Gäste unseres Bistros informiert, dass Flutopfer in Ahrweiler dringend Geld benötigen. Daraufhin ging bei uns nur noch das Telefon, und unzählige Gäste haben Bestellungen aufgegeben und gespendet. Unsere Mitarbeiter haben zudem auf ihren Tageslohn verzichtet. Hier wurde eine Kaffeekasse vorbeigebracht, dort kam jemand mit seiner 5-Euro-Sammlung. Eine Kundin rief in ihrem Friseursalon zu Spenden auf, und so kam insgesamt die überwältigende Summe von 5500 Euro zusammen, die wir noch am selben Abend an zwei betroffene Familien übergeben konnten.
Wie waren die Reaktionen vor Ort auf Ihre Spende?
Schuler: Es war eine bizarre und zugleich berührende Situation. Man gibt fremden Leuten Geld, die nie nach Geld fragen würden. Der erste Hausbesitzer war kaum ansprechbar, während seine Frau mit uns erstmal einen „Katastrophenwein“, wie sie es nannte, trank. Die Menschen waren so froh über gute Nachrichten und ein normales Gespräch. Man hatte dort über Wochen keinen Strom und kein Wassser.
Zudem haben Sie einer Bekannten aus Ahrweiler geholfen – was steckte dahinter?
Negd-Schuler: Diese Frisörmeisterin aus Ahrweiler hat eine Mitarbeiterin, die alles verloren hat – ein Teil des gesammelten Geldes wurde an sie abgegeben. Auch in dem Salon gab es über Wochen weder Strom noch Wasser, zudem sind fünf ihrer Kundinnen ertrunken. Die Dame ist Mitte 50 und muss nun ganz von vorne anfangen. Als das Wasser kam, hat ihr Mann nur noch ihre Hand genommen, und sie sind geflohen, mit ein paar Klamotten in einer Tüte. Sogar ihre Brille musste sie zurücklassen. Von 20 Frisör-Salons in Ahrweiler konnten bislang nur sechs wieder aufmachen.
Wie schauen Sie nach ein paar Wochen auf die Lage vor Ort und Ihre Hilfe zurück?
Schuler: Wir sind ja nur ein kleines Bistro, für uns war der Betrag sehr ordentlich. Ich hoffe, es hat den Betroffenen einen Schub Motivation gegeben. Das Wichtigste ist aber, dass die Menschen weiterhin schnell und unbürokratisch Geld erhalten. Wir haben viele Textilspenden an den Tankstellen gesehen, diese sind aber meines Erachtens weit weniger nützlich als die finanzielle Unterstützung.
Negd-Schuler: Ich befürchte,dass das Geld vom Staat viel zu spät bei den Menschen ankommt. Viele haben so schnell alles verloren, dass man das in ein paar Tranchen gar nicht aufholen kann. Von der Politik sollte mehr Sicherheit kommen, Kredite sollten genehmigt werden. Wir spenden so viel an andere Länder, nun sollten wir wirklich Geld in die Hand nehmen. Durch Corona wurde unser Bistro schwer gebeutelt, aber uns hat man auch geholfen. Nun wollten wir etwas zurückgeben, und dies sollten auch andere tun: Politik, Behörden und Privatleute.