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Wünsche an GottWelche Anliegen Menschen in Kölner Kirchen niederschreiben

Lesezeit 5 Minuten
Ein Meer von Kerzen brennt im Kölner Dom.

Die stets große Zahl brennender Kerzen vor dem Altar der Schmuckmadonna steht für die bis heute ungebrochene Verehrung dieses Gnadenbildes.er

Nie werden so viele Karten mit guten Wünschen versendet wie zu Weihnachten. Doch weitaus mehr als ein Wunsch von Mensch zu Mensch wiegt ein Wunsch an Gott. Auch in einigen Kölner Kirchen kann er hinterlassen werden.

„Das Angebot, ein Anliegen aufzuschreiben, nutzen viele Menschen“, sagt Peter Otten, Pastoralreferent von St. Agnes in der nördlichen Innenstadt. Zur Weihnachtszeit gibt es ein besonderes Angebot. Neben der Krippe stehen zwei hohe Tannen, die mit Wunschzetteln geschmückt sind. „Wir haben in diesem Jahr Zettel in Form von Sternen und Friedenstauben ausgelegt und die Menschen konnten ihre Weihnachtswünsche niederschreiben“, sagt Otten. Die Idee kam aus der Gemeinde selbst. „Alle sind bewegt vom Weltgeschehen, viele machen sich Sorgen“, begründet Otten die Entscheidung.

„Kein Krieg.“ „Frieden.“ „Gerechtigkeit.“ „Verständigung.“ Diese Wünsche kehren gerade zu Weihnachten immer wieder. In St. Agnes ebenso wie in vielen anderen Kölner Kirchen. „Die großen globalen Themen sind vor allem zu Weihnachten präsent“, sagt Innenstadt-Pfarrer Dominik Meiering. In der Adventszeit steigt nicht nur die Zahl der angezündeten Kerzen, auch das Niederschreiben von Wünschen und Bitten nimmt zu.

Zettelblock in St. Aposteln

In St. Aposteln können Menschen einen Block an einem Stehpult nutzen und dann ihr Anliegen in eine Box einwerfen. „Wir beten gemeinsam in Deinem Anliegen in der Sonntagsmesse um 11.30 Uhr“, steht als Hinweis auf dem Pult. Etwa 30 Menschen in der Woche nehmen das Angebot wahr. „Gebetet wird ganz viel für Kranke, für Leib und Seele, auch für psychische Situationen. Sehr oft kommt auch das Thema Depression oder Traurigkeit“, sagt Meiering.

„Bitte mach, dass meine Familie von schlimmen Krankheiten verschont bleibt und dass meine Eltern noch lange gesund bleiben“, schreibt jemand. „Ich bitte um einen Gesprächspartner, mit dem ich mich über Alltagsprobleme und Nöte austauschen kann“, heißt es auf einem Wunschzettel oder: „Heilige Maria, ich vermisse meine Familie. Bitte hilf mir, dass wir wieder zueinander finden.“ Ein Mensch hat in St. Aposteln das Anliegen: „Ich bitte um ein wenig Demut und Dankbarkeit.“ Meist seien die Wünsche konkret, erzählt der Pfarrer. „Aber manchmal steht da eben auch drin: ‚Ich weiß irgendwie gar nicht, wie es weitergehen soll. Und ich schreibe das jetzt hier einfach mal auf, weil ich auch nicht weiß, wohin ich damit gehen soll.‘ Also das ist sozusagen Last Exit.“

Online-Fürbitten im Dom

Der Dom als größte Kölner Kirche hat ein spezielles Angebot. Fürbitten können online übermittelt werden. Die Idee stammt aus der Zeit der Corona-Pandemie. „Weil die Nachfrage so hoch war und ungebrochen hoch ist, haben wir das Angebot aufrechterhalten. Uns erreichen durchschnittlich 500 Wünsche pro Monat. In Krisenzeiten verdoppeln sich die Wünsche, auch zu Weihnachten und Ostern ist die Nachfrage merklich höher“, teilt Dom-Sprecher Markus Frädrich auf Rundschau-Nachfrage mit.

Alle Bitten werden anonym eingereicht. „Wenn man sich aber am Inhalt orientiert, wird deutlich, dass unser Angebot über alle Altersklassen hinweg und auch international genutzt wird“, sagt Frädrich und ergänzt: „Jedes Anliegen hat seine Berechtigung – und jede Bitte beten wir in Stellvertretung und zünden dafür eine Kerze vor der Schmuckmadonna an.“ Wer seinen Kerzenwunsch über unsere Dom-App einreicht, wird sogar über eine Push-Benachrichtigung darüber informiert, sobald die Kerze vor Ort entzündet wurde.

In erster Linie sind es sehr persönliche Anliegen rund um Gesundheit und Beistand im Alltag oder in schwierigen Situationen, mit denen sich Menschen an den Dom wenden. Beispiele: „Guten Morgen Maria, Danke schön für deine Hilfe und bitte, bitte hilf uns weiterhin.“ „Bitte betet für meine Tochter. Sie schreibt heute Mathe-Vorabi. Herr, gib ihr Ruhe, die richtigen Gedanken, schick ihr alle Engel zur Seite, die sie braucht und hilf, diese Klausur zu bestehen.“ „Für meine Familie, für Gesundheit und dass Chemo und Bestrahlung dem Vater meines Sohnes mehr Zeit schenken. Für meinen Sohn, dass das neue Jahr für ihn schön, spannend und mit viel Freude gesegnet ist.“

Vertrauen in die Wirkkraft der Fürbitte

Dass es einen Effekt hat, einen Wunsch und ein Anliegen schriftlich auszudrücken, darüber sind sich Seelsorgende einig. Gläubige sind von der Wirkkraft der Fürbitte überzeugt. „Lieber Gott! Bitte schicke mir einen guten Mann an meine Seite“, schreibt eine Frau hoffnungsvoll. „Bitte pass auf meine Kinder auf“, wünscht eine andere.

St. Maria in Lyskirchen.

St. Maria in Lyskirchen.

Aber auch ohne einen tiefen Glauben hat das Aufschreiben eines Anliegens, etwas Therapeutisches und Selbstwirksames. „Es hilft auch, sich zu sortieren, wenn man die Essenz dessen, was einen bewegt, verschriftlicht“, sagt Brigitte Neuheisel, die als Seelsorgerin im St. Antonius-Krankenhaus in Bayenthal arbeitet. Wunsch- oder Fürbittenbücher in den Krankenhaus-Kapellen sind oft Spiegel existenzieller Situationen.

„Die Bitte um Kraft ist ganz häufig“, sagt Neuheisel. Kraft, mit einer Situation umzugehen, einen schweren Weg zu gehen. Aber auch ganz konkret sind die Bitten. „Lieber Gott! Halte am Montag bei der OP bitte deine Hand über mich“, steht im dicken, viel genutzten Buch in der Kapelle des St.-Vinzenz-Krankenhauses. „Mach bitte, dass mein Mann wieder gesund wird. Er ist doch alles, was ich habe“, schreibt eine Frau.

„Wer etwas aufschreibt, weiß, er und sein Anliegen gehen nicht verloren. Das hilft den Menschen in ihrer Situation“, sagt Quirin Sailer, Krankenhaus-Seelsorger am Cellitinnen-Krankenhaus St. Vinzenz in Nippes. Für Kinder, Enkel, Eltern, Großeltern, für eigene Belange und für Freunde setzen sich die Fürbitten ein. Auch „Danke für die erfolgreiche OP“, „Danke, dass ich noch lebe“ oder „Segne alle, die hier arbeiten“ ist zu lesen.

Angst vor misslungenem Fest

Zur Weihnachtszeit bewegt neben dem Wunsch nach Frieden auf der Welt viele ein sehr persönliches Anliegen, das direkt mit dem Weihnachtsfest zu tun hat. Das hat Pfarrer Meiering festgestellt: „Ganz häufig schreiben die Menschen in der Adventszeit: ‚Lieber Gott, gib, dass das Weihnachtsfest gelingt.‘ Weil offensichtlich das Weihnachtsfest auch ganz viel an Emotionen freisetzt und damit auch an Sorgen."

Da hilft es, auf die Wirkkraft der Fürbitte zu vertrauen. Wer eine Bitte an Gott sende, gestehe sich ein, dass ein Mensch nicht alles in der Hand habe, sagen die Seelsorgenden übereinstimmend. Das entlastet. Nicht nur zu Weihnachten.


2 Millionen Kerzen werden etwa jährlich im Dom von den Besucherinnen und Besuchern für ein persönliches Anliegen angezündet.

Im Dezember ist die Zahl der Kerzen etwa zehn Prozent höher als in den übrigen Monaten. Die Zahl bezieht sich nicht nur auf die Kerzen vor der Schmuckmadonna, sondern auch auf die Opferkerzen im Bereich vor dem Dreikönigenschrein sowie an der Grablegungs- und Beweinungsgruppe im Eingangsbereich des Domes.

Wer nicht in den Dom kam, aber eine Kerze entzünden lassen möchte, kann sein Anliegen online mitteilen. https://www.koelner-dom.de/glauben/meine-kerze