- Notbetreuung an Grundschulen, keine Hospitationen, abgesagte Ausflüge, ständig geänderte Unterrichtspläne wegen Corona erschweren seit über einem Jahr die Lehrer-Ausbildung.
- Eine Seminarleiterin und zwei angehende Grundschullehrkräfte berichten von Herausforderungen.
Köln – Die Coronamusik klingt wie ein Rapsong. Die von Drittklässlern auf Spielplätzen, zuhause und anderswo gesammelten Geräusche und Satzfetzen fügen sich zu einer Komposition, die David Golyschny (27) auf dem Smartphone abrufen kann. Die Kinder haben dem angehenden Grundschullehrer in der schulpraktischen Ausbildungsphase den Klang-Mix im Homeschooling hochgeladen. Und die Texte lassen keinen Zweifel: „Wir wollen keine Quarantäne, wir wollen endlich wieder Spaß!“
Der 27-Jährige entwickelte dieses digitale Projekt als Alternative zum Präsenz-Unterricht. „Hat Spaß gemacht!“ Er ist einer der Lehramtsanwärter in der Ausbildungsphase, die in der Corona-Zeit einem Dauer-Krisenmanagement gleichkam. Distanz- und Wechselunterricht, zuletzt wieder Präsenz –ein ständiges Hin- und Her. Die „LAAs“ mussten vieles lernen und entwickeln, was bisher noch in keinem didaktischen Lehrbuch steht.
Frontaler Unterricht in starren Gruppen
Home-Schooling war eine Lektion, die gestresst, aber auch kreative Chancen eröffnet hat, sagt Jasmin Mader-Makk (37), die in ihrer zweiten Klasse Deutsch, Mathe und Kunst unterrichtet. Ihre ersten Stunden fielen mit dem Wechselunterricht zusammen und sie dachte: „Die sitzen hier wie in der Häschenschule beieinander.“ Frontaler Unterricht in starren Gruppen, ¬ eigentlich ein pädagogisches Don´t- aber wegen Corona ein Muss. Halbierte Klassen, die könnten für sie ebenso wie den angehenden Grundschulkollegen David Golyschny gern auch nach Corona bleiben. Der Einsatz moderner Medien wie iPads und Tablet-Portalen eröffne viele Möglichkeiten ¬ wenn Schulen und Eltern über ausreichend Geräte verfügen. Das war jedoch nicht überall der Fall.
Ein Praxis-Zentrum für angehende Lehrer
Das Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) Köln bildet Lehramtsanwärterinnen und -anwärter (LAA) in der zweiten Phase der Ausbildung aus ( meist nach Uni-Abschluss Master of Education) und führt zum Staatsexamen. Das ZfsL unter Leitung von Ingo Schaub sitzt in Räumen im Gebäude der TH Köln, Claudiusstraße. Dort wird die Ausbildung in allen fünf Lehrämtern angeboten. Sie findet in Seminaren statt. Die angehenden Lehrer werden „LAAs“ genannt beziehungsweise Referendare (in den Lehrämtern für Gymnasien, Gesamtschulen, Berufskollegs).
Fünf Seminare gibt es insgesamt: Grundschule; Haupt-/Real-/Sekundar- und Gesamtschule; Sonderpädagogische Förderung; Gymnasium und Gesamtschule sowie Berufskolleg. Außerdem wird in den Lehrämtern die Qualifizierung im berufsbegleitenden Seiteneinstieg in den Lehrerberuf angeboten.
740 Lehramtsanwärter sowie 115 Seiteneinsteiger betreut aktuell das ZfsL Köln mit 190 Seminarausbildern .18 Monate dauert der Vorbereitungsdienst, dazu gehören 14 Stunden Ausbildungsunterricht pro Woche an Schulen plus ein Seminartag, dabei sind Schule und ZfsL eng verzahnt. Am Ende steht eine unterrichtspraktische Prüfung und ein Kolloquium vor einer Prüfungskommission.Im Praxissemester während des Masterstudiums gehört das „Eintauchen in die Praxis des Erziehens und Unterrichtens“ z u den Zielen. Vieles konnte während des vergangenen Jahres allerdings nicht vor Ort stattfinden.(MW)
Die Beiden sind seit 1. Mai 2020 in der praktischen Ausbildungsphase, am 1. 9. 2021 beginnt die Prüfungsphase. „Die Ausbildung in den Schulen lief sehr unterschiedlich, im ZfsL klappte es sehr gut“, so David, „wir haben von den Seminarleitern viel Unterstützung bekommen, wenn auch meist in Distanz.“ An vielen Grundschulen seien die „LAAs“ in der Notbetreuung eingesetzt worden, „da hatten manche so gut wie keinen Unterricht vor Ort“, wissen die Seminarsprecher, die es an ihren Schulen besser antrafen. Je nach Schule sah die Lage anders aus.
Vorbereitete Unterrichtsprojekte verschwanden oft wieder in den Schubladen, ebenso Konzepte für Elterngespräche, Exkursionen an außerschulische Lernorte wie Museen. Sie mussten immer wieder Planungsalternativen aus dem Hut zaubern. Auch die Tests stellten alle vor Herausforderungen und raubte wertvolle Unterrichtszeit. Kunsthistorikerin Jasmin Mader-Makk war erstaunt, „wie gut Beziehungsarbeit trotz der erschwerten Bedingungen in den Einzelgesprächen am Bildschirm geht.“ Auf der Strecke geblieben seien dagegen etwa Sitzkreis und Partnerarbeit. Und statt der Frottage-Arbeit in der Schule bastelten die Kinder zuhause virtuelle Fantasiewesen.
Gelernt, flexibel zu sein
Golyschny resümiert: „Im Rückblick hab ich zehnmal so viel gelernt wie vorher in der Unizeit. Es war viel praxisnäher.“ Dennoch: Probleme gab es besonders in Fachunterricht wie Sport, Religion, Musik, da teils nur Hauptfächer unterrichtet wurden. „Wir haben gemeinsam viel gelernt“, findet Dorothée Annas. „Dieser Jahrgang hat besonders gelernt, flexibel zu sein und mit Unsicherheiten umzugehen, sie gehen außerdem virtuos mit digitalen Unterrichtsmedien um“, sagt die ZfsL-Seminarleiterin für Haupt-, Sekundar- und Gesamtschulen. „Sie haben ihren Handwerkskoffer gut bestückt mit Kompetenzen, die in der Schule wichtig sind.“ Digital habe es einen enormen Schub gegeben, der nachwirken werde. Die Seminarteilnehmer mussten zwar ständig umplanen, was teils frustrierend wirkte, „aber die Ungewissheitstoleranz sehr geübt hat“.
Perspektivgespräche wurden bei vielen aufgezeichnet und fanden ohne Seminarleiter statt. „Manches konnten wir nicht machen, aber vielleicht haben wir es wettgemacht durch mehr individuelle Gespräche auf der Videoplattform.“ Jetzt beginnen die Ferien – und für Jasmin und David die Prüfungsvorbereitungen. Die Unsicherheit ist wieder groß: Läuft es wie geplant? Vielleicht. Jasmin gesteht: „Ich hab ein bisschen Angst, ob es etwas gibt, worauf wir uns nicht vorbereitet haben.“ Annas beruhigt: „Unerwartetes kann in der Schule doch immer passieren!“