Köln – Lange hat Anil den Druck ausgehalten, doch auf einmal war er zu groß. Von allen Seiten redeten sie auf ihn ein. Seine Freundin, seine Kollegen auf der Arbeit und auch innerhalb seines Freundeskreises wurde der Ton rauer. Sein Chef habe ihm dann relativ deutlich nahegelegt: Lass dich impfen. Jetzt steht Anil, der 29 Jahre alt ist und seinen richtigen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, in der Schlange vor dem Gesundheitsamt am Neumarkt. Er wartet auf seine Erstimpfung.
„Die Ungeimpften merken, dass es für sie immer enger wird“
Ohne Termin dauert das etwa eine Stunde, meint das freundliche Personal. Viel mehr will Anil dazu dann auch nicht mehr sagen. Es wirkt ein bisschen so, als wäre es ihm peinlich, darüber zu sprechen, warum er erst jetzt kommt. Die gute Nachricht ist: Bis vor einer Woche, ist die Zahl der Kölner, die zur Erstimpfung kommen, gestiegen. Sei es hier am Gesundheitsamt, am Impf-Drive-In an der Lanxess-Arena oder bei den mobilen Impfteams der Stadt Köln.
Für Kölns leitenden Impfarzt Dr. Jürgen Zastrow ist klar, warum das so ist. „Es liegt auf der Hand. Die Ungeimpften merken, dass es für sie immer enger wird“, sagt Zastrow. In Clubs und Diskotheken kamen Nicht-Geimpfte, bis sie am Wochenende wieder schließen mussten, schon lange nicht mehr rein. Die neue Corona-Schutzverordnung, die ab vergangenem Samstag gilt, verhindert nun auch die Shopping-Tour im Einzelhandel, oder den Besuch der Weihnachtsmärkte.
Hart treffen die Ungeimpften auch die Kontaktbeschränkungen, auch wenn sie nur schwer zu kontrollieren sein dürften. Treffen sind neben dem eigenen Haushalt nun nur noch mit zwei Personen eines weiteren Haushalts möglich.
Die Kurve knickt wieder leicht ein
Die schlechte Nachricht ist: Nach zwei Wochen, in denen die Zahlen der Erstimpfungen deutlich gestiegen ist, knickt die Kurve nun wieder leicht ein. In der vergangenen Woche ließen sich laut Impfmonitor der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein 5155 Personen zum ersten Mal piksen. In der Vorwoche waren es noch 6449 gewesen (siehe Infografik). Auch die Zahl der Folgeimpfungen sank von 6065 auf 4216.
In den Praxen der Vertragsärzte fielen von den rund 65 000 Impfungen in 649 Praxen fast zwölf Prozent auf Erst- und Zweitimpfungen, berichtet Zastrow.
Doch nachdem aus seiner Sicht das hohe Engagement der impfenden Ärzte nicht nur die Zahlen der Erstimpfungen steigern konnten, beobachtet auch er eine neue Entwicklung. „Es deutet sich an, dass die Nachfrage wieder leicht sinkt“, sagt Zastrow. Erstmals habe er in seiner Praxis nicht alle Impftermine vollgekriegt. Die Beobachtung beziehe sich sowohl auf Erstimpfungen, als auch auf Zwei- und Drittimpfungen. Laut Impfmonitor der KV Nordrhein stieg die Gesamtzahl der Impfungen auch in der vergangenen Woche weiter an, jedoch deutlich weniger stark als in den beiden Vorwochen.
Impfungen durch mobile Teams – Ärzte für die Impfung online finden
74,5 Prozent der Kölner sind laut Stadt derzeit vollständig geimpft, weitere 1,05 Prozent haben die Erstimpfung. Die Quote der Menschen mit Auffrischimpfung liegt bei den über 60-Jährigen mit 33,5 Prozent am höchsten. 12,3 Prozent der 18- bis 59-Jährigen haben die Booster-Impfung bekommen, bei den 12- bis 17-Jährigen sind es 1,2 Prozent.
Neben der Impfstelle an der Lanxess-Arena (täglich, 9 bis 18 Uhr/ nur mit Termin) und am Gesundheitsamt am Neumarkt (Mo bis Mi 19 bis 17 Uhr, Do 11 bis 19 Uhr, Fr 7.30 bis 15.30 Uhr / mit Termin oder lange Wartezeiten ohne Termin) ist die Stadt Köln mit mobilen Impfteams an wechselnden Standorten unterwegs. Am Dienstag und Mittwoch (12 bis 18 Uhr) impfen die Teams in der Unimensa auf der Zülpicher Straße. Die Teams führen Erst-, Zweit- und Drittimpfungen durch. Ein Termin ist nicht notwendig. Die Stadt Köln teilt die anstehenden Termine über die eigene Internetseite und die sozialen Medien mit.
Auch in den Bezirksrathäusern machen die mobilen Impfteams Halt, am vergangenen und auch am kommenden Wochenende zum Beispiel in Nippes oder am kommenden Montag, 13. Dezember, in Mülheim.
Wer noch nach einem Arzt für die Impfung sucht, wird auch auf diversen Online-Portalen wie Doctolib oder Jameda fündig. Dort lassen sich mit wenigen Klicks und Angabe der Postleitzahl Impftermine in der Nähe des Wohnorts finden. Manche Ärzte haben sogar noch am nächsten Tag Termine frei.
Ein Schnelltest-Zentrum öffnet am heutigen Dienstag um 9 Uhr nahe der Lanxess-Arena seine Pforten. Auf dem Parkplatz 5 neben dem Haie-Zentrum an der Gummersbacher Straße ist ein Drive-In-Testzentrum aufgebaut worden. Hier können sich jedoch nicht nur Autoinsassen testen lassen – das Angebot gilt für jeden. Anmeldungen sind nicht erforderlich, werden aber empfohlen, um Zeit zu sparen. Geöffnet hat das Zentrum täglich bis 18 Uhr.
Auch die mobilen Impfteams sind derzeit nicht voll ausgelastet, wie die Stadt auf Anfrage mitteilt. Bei einer Kapazität von rund 1000 Impfungen pro Tag, lag die Nachfrage in den letzten Tagen nur zwischen 300 und 900 Impfungen.
Gesundheitsamtsleiter Johannes Nießen hatte noch am Freitag von weiterhin steigenden Zahlen bei den Erstgeimpften berichtet. Die Stadt begründet die Aussage auf Anfrage mit Blick auf die langfristige Entwicklung. In der vergangenen Woche habe es von Montag bis Freitag im Gesundheitsamt 926 Erstimpfungen gegeben, in der ersten Novemberwoche lag die Zahl bei 470. Besonders stark sei der Anstieg in der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen gewesen.