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Wie viel Potenzial hat der Bestand?Studie zeigt neue Perspektive für Bauvorhaben des Justizzentrums

Lesezeit 4 Minuten
Ein Hochhaus und ein flaches Gebäude ist zu sehen.

Die Studie des Planungsbüros sieht Neubauten für die Justiz (unten links) und Wohnungen im Hochhaus des Justizzentrums vor.

Die Studie sieht vor, im 105 Meter hohen Turm an der Luxemburger Straße Gerichtssäle, Büros und Co. zu 450 Wohnungen umzubauen.

Wenn Zwei sich streiten, mischt sich ein Dritter meistens besser nicht ein. Ein junges Architekturbüro aus Köln schreckt davor aber nicht zurück. Während der Naturschutzbund BUND gegen das Verfahren des Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes (BLB NRW) vorgeht, hat die Demo Working Group, das Büro der drei Architekten Thorsten Pofahl, Tim Panzer und Matthias Hoffmann, kurzerhand eine Studie zur Transformation des Kölner Justizzentrums angefertigt. Mit einem neuen Dreh: Wohnungsbau.

Ein Gebäude aus Glas.

Der Blick von unten auf Sockelbau und Fassade.

Damit bringt das Büro eine neue Perspektive ins Spiel – allerdings nur theoretisch. Der Ansatz des auf „Bauen im Bestand“-spezialisierten Büros kommt ungefragt und ohne Auftrag. Die Diskussion um Abriss und Neubau oder doch Sanierung, die beim Justizzentrum derzeit vom BUND forciert wird, hat das Büro dazu gebracht, sich den Bestand selbst einfach Mal anzuschauen. „Wir sehen, dass derzeit im Umgang mit Bestand einiges fundamental schief läuft“, kritisieren die Architekten. Das Thema bewegt die Branche deutschlandweit. Das Architekturforum Rheinland hat in diesem Jahr eine ganze Diskussionsreihe dazu ins Leben gerufen, der Bund Deutscher Architekten beschäftigt sich mit dem Thema landes-, aber auch bundesweit.

Wohnungsnot spielt große Rolle

Ein weiteres Thema, dass in Köln, aber auch über die Stadtgrenzen hinaus derzeit eine große Rolle spielt, ist die Wohnungsnot. Die Architekten: „Wir haben uns die Frage gestellt: Was benötigen wir am meisten? So sind wir bei Wohnungen gelandet. Bei Wohnhochhäusern käme heute niemand auf die Idee, sie abzureißen.“ Das passende Beispiel für ein Wohnhochhaus steht dem Justizzentrum gegenüber: das Uni-Center. Die Eröffnung von Wohnhaus (1973) und Justizgebäude (1981) liegen gerade einmal acht Jahre auseinander.

Also sieht die Studie vor, im 105 Meter hohen Turm an der Luxemburger Straße Gerichtssäle, Büros und Co. zu 450 Wohnungen umzubauen. „Die Grundstruktur des alten Justizzentrums ist dabei durch die Grundrisstiefen und die Ausrichtung gut für die Transformation zur Wohnnutzung geeignet“, so die Studie. Zudem könnten laut den Architekten durch den Austausch der Fassade heutige Energiestandards erreicht werden. Diesen Punkt hat auch der BUND bereits angeführt, die Rundschau berichtete.

Visualisierung des Neubaus für das Justizzentrum in Köln Sülz.

Der Siegerentwurf aus Düsseldorf.

Doch wo kommt dann die Justiz hin? Laut dem Architekturbüro ließe sich die Neuplanung der fünf Bauwerke mit sechs bis sieben Geschossen, mit der das Düsseldorfer Büro HPP-Architekten im vergangenen Jahr den städtebaulichen Wettbewerb gewonnen hat (siehe Infotext), in die Planung integrieren. Eine Kombination aus neu und alt. Dabei sei es einfach, Bestand und Neuplanung zu verbinden. Denn eines der neuen Bauwerke sei ähnlich in das Grundstück geplant worden, wie der bereits vorhandene Sockelbau unterhalb des Hochhauses. Zusammengefasst sieht die Studie vor: unten eine neue Heimat für die Justiz, oben ein umgewandelter Bestand mit Wohnraum.

Diese Idee hat Argumentationspotenzial, eine Verwirklichung dürfte jedoch kaum noch möglich sein. Der BLB hat erst vor zwei Wochen die zweite Stufe des Wettbewerbs, das hochbaulich-freiraumplanerische Verfahren, ausgeschrieben. Weiterhin ist davon auszugehen, dass am Ende des Prozesses ein Neubau entsteht. Der Vorstoß des Kölner Büros ist dennoch mehr, als nur der Versuch, auf sich aufmerksam zu machen. Mit einem konkreten Vorschlag wollen die Architekten neue Möglichkeiten eröffnen. Das zeigt, dass in der Branche mehr und mehr hinterfragt wird, wie viel Potenzial im Baubestand steckt und wann ein Abriss heutzutage noch Sinn ergibt.


Architektenwettbewerb

2012 begannen die Gespräche über einen möglichen Neubau des Justizzentrums in Köln. Zuvor stand noch die Überlegung einer Generalsanierung im Raum. Zehn Jahre später überraschte das Büro HPP-Architekten beim städtebaulichen Wettbewerb die 25-köpfige Jury mit einer Neukonzeption ohne Hochpunkt. Die fünf nur rund 25 Meter hohen Bauwerke sollen den Übergang der besiedelten Gebiete zum Grüngürtel verbessern, hieß es damals. In der zweiten Stufe des Wettbewerbs, der seit 16. September ausgeschrieben ist, wird nun eine hochbauliche Planung gesucht. In rund sechs Wochen sollen die Unterlagen an die Planungsbüros übergeben werden. Ein Juryentscheid wird im März 2024 erwartet. (rom)