In der Krise schauen die Konsumenten aufs Geld, darunter haben neben den Bio-Supermärkten vor allem die Unverpackt-Geschäfte zu leiden. Der Verband hat bundesweit fast 50 Geschäftsaufgaben registriert.
Gestern Trend, heute LuxusWie Unverpackt-Läden in Köln unter der Krise leiden

„Alle Geschäfte ringen plötzlich um Kunden“: Jana Nehrlich in ihrem Geschäft „Zollstock Unverpackt“
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Große Behälter säumen die Wände in Jana Nehrlichs Geschäft. Nudeln, Linsen, Mehl oder Reis – hier gibt es alles ohne Verpackung. An einer Säule füllt eine Kundin ihr Einmachglas mit Haferflocken. Seit 2020 können Kunden bei „Zollstock Unverpackt“ zum Einkauf eigene Transportbehälter mitbringen, um Müll zu vermeiden. Zur Eröffnung war Nehrlich (47) zuversichtlich: „Man muss die Möglichkeit für die Leute schaffen, grundsätzlich wollen sie es.“ Aber in der Krise wird das offenbar zu einer Art Luxus. „Alle Unverpackt-Läden ringen plötzlich um Kunden“, sagt Nehrlich.
Seit dem Frühjahr ist es bei ihr im Geschäft immer ruhiger geworden: „Der Sommer war sehr schlecht, im Oktober waren wir wieder auf Eröffnungsniveau, also grottenschlecht. Die 20 bis 30 Prozent Verlust von denen Händler sprechen, kann ich bestätigen.“ Um Personalkosten zu sparen, ist ihr Geschäft eine One-Woman Show: Nehrlich schließt um neun Uhr auf und abends um sieben zu, ist davor und danach im Laden, um zu planen, bestellen und aufzuräumen.
Nicht alles ist im Unverpackt-Laden wirklich teurer als woanders
Pro Arbeitstag kommen über zwölf Stunden zusammen. „Die Frage ist, wie lange der Einzelne das durchhält“, sagt Nehrlich. Dass sie bisher nicht schließen musste, liegt an dem stabilen Job ihres Mannes, der die Buchhaltung übernimmt.
„Zollstock Unverpackt“ führt auf zwei Etagen das Sortiment eines kleinen Supermarkts, das meiste davon Bio. „Außer Fleisch und Käse haben wir fast alles“, erzählt Nehrlich. Neben Brot, Obst und Gemüse, Getränken, und vielem anderen finden sich im Untergeschoss Dinge wie Drogerieartikel und Putzmittel.
Das pauschale Urteil vom teuren Unverpackt-Laden stimme oft nicht: „Für 500 Milliliter nachhaltigen Badreiniger bezahlt man hier ungefähr zwei Euro. Dafür mischen wir Allzweckreiniger-Konzentrat und Kalklöser, was der Kunde zuhause mit Wasser aufgießt.“ Ein vergleichbares Produkt aus einer Supermarktkette liegt für diese Menge bei 2,19 Euro. Normale Haferflocken kosten in Jana Nehrlichs Laden drei Euro das Kilo. Zu den teureren Produkten gehören mit jeweils 8,50 Euro vegane Seifenstücke zum Duschen. Diese seien aber besonders ergiebig und halten über vier Monate.
Die Kunden konsumieren verhalten oder kommen gar nicht mehr
Auch bei „U wie Unverpackt“ in Mülheim läuft es schleppend: „Die Kunden konsumieren verhaltener oder kommen gar nicht mehr. Die Vermutung liegt nahe, dass das an den allseits angekündigten weitere Steigerungen der Energiepreise liegt“, sagt Besitzer Maik Rösner (36). Sein ebenfalls 2020 eröffnetes Geschäft ist der einzige Unverpackt-Laden auf der Schäl Sick und bietet ein breites Sortiment an Nahrungsmitteln und alltäglichen Dingen.
In der Südstadt ist Felice Gencer vom Geschäft „Migori“ um den gesamten Einzelhandel besorgt:„Nicht nur Unverpackt-Läden haben seit Corona und insbesondere seit Kriegsausbruch starke Umsatzrückgänge.“ Das betont auch der Verband der Unverpackt-Läden: „Es handelt sich nicht um eine Krise des unverpackten Einkaufens.“
Verschiedene Akteure seien betroffen. Dafür sorge auch der Online-Handel: „Die Lebendigkeit innerstädtischer Einkaufsstraßen nimmt ab.“ Lokale Geschäfte zu unterstützen, sei jetzt wichtiger denn je, findet Jana Nehrlich. „Wie belebe ich mein Veedel? Jeder Einkauf zählt!“, steht an ihrem Schaufenster.
Zahlen
2014 hat in Kiel das erste Unverpackt-Geschäft in Kiel eröffnet, heute existieren laut Branchenverband deutschlandweit über 300 Geschäfte. „Seit Jahresbeginn haben 48 Läden geschlossen“, sagt der Verband der Unverpackt-Läden über seine Mitglieder. Letztes Jahr seien es 13 gewesen.
Die Kaufzurückhaltung der Kunden angesichts der Krise führe zu einer Herausforderung: Besonders regionale und Bio-Produkte würden weniger gekauft. „Diese Kategorien sind in den Unverpackt-Läden stark vertreten.“